Kommunales

Neben ihrem Protest setzen die Gegner*innen des Projekts auf einen Eilantrag an die Stadt. (Foto: Pelke)

03.11.2023

Rennbahn soll Wohnungen weichen

Gegen geplanten Abriss des historischen Rundkurses machen Anwohnende sowie Natur- und Denkmalschutz mobil

Hercules, Victoria und Triumph: Nürnberg war einst die Fahrradhochburg Deutschlands. An diese glorreiche Vergangenheit erinnert heute noch die alte Radrennbahn beim Reichelsdorfer Keller. Allerdings soll die laut Denkmalschützenden „älteste in Deutschland und ganz Europa erhaltene 400-Meter-Beton-Rennbahn“ jetzt für 200 neue Wohnungen weichen. Und das provoziert Widerstand.

Der Stadtrat hatte vor rund einem Jahr zugestimmt, dass die historische Rennpiste mit den steilen Kurven für das Wohnraumprojekt verschwinden soll. Lediglich ein knapp 30 Meter langes Teilstück soll als Erinnerungsstück an die Steherrennen erhalten bleiben. Doch diese Entscheidung wurde vom Landesverein für Heimatpflege sogar mit dem Negativpreis als „Abriss des Jahres“ honoriert.

Jetzt sind die ersten Abrissbagger angerückt und haben gleich dicke Löcher in die alte Bahn gebohrt, die früher als Mekka des Radrennsports regelmäßig bis zu 15 000 Besucher*innen anlockte. Seit mehr als fünf Jahren werden in dem Nürnberger Stadtteil Reichelsdorf keine Radrennen mehr ausgetragen. Die Rennstrecke ist baufällig und müsste mit Millionenaufwand saniert werden. Daher hatte ein Verein das Areal letztlich an einen Investor verkauft und die Stadt dem Abriss schließlich mit Verweis auf die Wohnungsnot zugestimmt.

Bei der entscheidenden Sitzung hatte Oberbürgermeister Marcus König (CSU) explizit auf die hohe Nachfrage nach neuem Wohnraum verwiesen. Die Stadt wolle daher gerade in S-Bahn-Nähe einen verdichteten Wohnungsbau ermöglichen. „Mit der Planung kann eine Nachnutzung verwirklicht werden, die große Erholungs- und soziale Mehrwerte für den Stadtteil bietet“, betonte König seinerzeit.


Umweltreferentin verweist auf Ersatzpflanzungen


Auch Umweltreferentin Britta Walthelm (Grüne) und Sozialreferentin Elisabeth Ries (SPD) begrüßten die Umwandlung der Rennbahn in Wohnraum mit Verweis auf geplante Ersatzpflanzungen sogar „an Ort und Stelle“ und neue Familienfreundlichkeit wie „Grün- und Spielflächen“.



Viele Anwohnende scheinen sich dennoch nicht abfinden zu wollen mit dem endgültigen Aus der über 100-jährigen Radrennhistorie vor der Haustür. „Ich bin früher mit meinen Kindern bei jedem Rennen hier gewesen“, erzählt Friederike K. und hält kurz nach dem Start der Abrissarbeiten ein Protestplakat zur Rettung von 200 Bäumen rund um die Rennpiste in den Himmel. „Von unserem Viertel bleibt nicht mehr viel übrig. Wir sollen hier nur noch schlafen und nicht mehr leben können“, ärgert sich Ingrid T., die gemeinsam mit anderen aus der Quartiersinitiative Reichelsdorfer Keller den bevorstehenden Abriss in letzter Minute noch verhindern will.

Mit einem Eilantrag an die Stadt als Bauaufsichts-, Denkmalschutz- und Naturschutzbehörde versucht das Bündnis zur Rettung der Radrennbahn den Abriss mit Verweis auf Formfehler noch zu verhindern. „Die Investoren wollten uns vor vollendete Tatsachen stellen und haben ohne Bautafel mit den Abrissarbeiten begonnen“, ärgert sich Dorith M., die sich schon seit Jahren für die Weiterentwicklung der alten Radrennbahn als neuem Stadtteiltreffpunkt einsetzt.

 

Angeblich zu spät als Baudenkmal anerkannt



Derweil hatte die Stadt im Vorfeld kritisiert, dass der Rundkurs erst relativ spät vom Landesamt für Denkmalpflege als Baudenkmal anerkannt worden sei. Außerdem hatte man im Nürnberger Rathaus stets betont, dass die Rennbahn „weder saniert noch nachgenutzt“ werden könne. Mit dem Erhalt eines Miniteilstücks sollte immerhin dem Anliegen des Petitionsausschusses des Landtags etwas Rechnung getragen werden, der sich mit dem geplanten Abriss ebenfalls befasst hatte.

Der Nürnberger Stadtrat Jürgen Dörfler (Freie Allianz) zweifelt derweil besonders an der Glaubwürdigkeit von Nürnbergs Umweltreferentin. Gerade Britta Walthelm als Grüne müsste für jeden einzelnen der über 200 bedrohten Bäume kämpfen, findet Dörfler – und kritisiert neben der städtischen Abrissgenehmigung das „einseitige Engagement“ der schwarz-roten Rathausspitze gegen den seiner Meinung nach weiterhin möglichen Erhalt der „ältesten Radrennbahn Deutschlands“.
Auch der Bund Naturschutz (BN) – der Vorsitzende Otto Heimbucher ist auch CSU-Stadtrat – zeigte sich „entsetzt“ über die offensichtlich bevorstehende „umfangreiche Rodung“ von über 200 Bäumen. Aggressiv und beleidigend agieren die Öko-Fundis von Fridays for Future und werfen – ohne jede Beweise vorzulegen – OB König „höchstpersönliche Absprachen mit dem Bauträger“ und private materielle Interessen vor. (Nikolas Pelke)


Bildunterschrift zum Foto im Text:
Lang ist es her: Früher standen hier bis zu 15 000 Zuschauende. (Foto: Pelke)

 

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