Meist sind es Polizisten, die sich bei Demos einer wachsenden Gewalt gegenüber sehen. Doch Personalräte und Gewerkschaften verweisen seit geraumer Zeit auch auf Angriffe und Drohungen gegenüber Beschäftigten des öffentlichen Dienstes.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) beklagte unlängst auf einer Konferenz seines Hauses zu dem brisanten Thema, dass Mitarbeiter in den Ämtern sehr häufig mit Beschimpfungen und Pöbeleien konfrontiert seien. De Maizière plant deshalb härtere Strafen für Gewalt gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Gewalt beginne mit der Sprache, so der Minister. Im Umgang mit anderen Menschen müsse es auch moralische Tabus geben.
Auf kommunaler Ebene hält sich die körperliche Gewalt gegen Beschäftigte von Städten und Gemeinden allerdings in Grenzen – noch. Von einigen spektakulären Einzelfällen abgesehen, beschränken sich die Ausfälle gegenüber dem Personal der Rathäuser auf Drohungen und Beschimpfungen. „In den Gemeinden kommen Tätlichkeiten eher seltener vor. Es handelt sich mehr um verbale Beleidigungen, aber die sind nicht ganz so exzessiv wie in anonymen Großstädten, weil meist jeder jeden kennt“, sagt Hans-Peter Mayer, beim Bayerischen Gemeindetag zuständig für das Recht der Bürgermeister.
Häufig sind Klagen über den Winterdienst der Auslöser
Häufiger Anlass für Unmut sind in der kalten Jahreszeit Klagen über den Winterdienst. Wenn der Schneepflug die mühsam frei geschaufelte Hofeinfahrt wieder zu schiebt, oder bei heftigem Schneefall frühmorgens die kleine Nebenstraße noch nicht geräumt wurde. Dann müssen sich die Mitarbeiter im Rathaus bisweilen üble Beschimpfungen anhören, so Mayer.
„Die Leute regen sich lieber auf, anstatt dass einer die Schneeschaufel in die Hand nimmt“, sagt Stefan Lederwascher (CSU), Bürgermeister von Flintsbach am Inn (Landkreis Rosenheim). Aber heuer sei es mit dem Winter nicht so schlimm gewesen. Lederwascher weiß aber von einem einige Jahre zurückliegenden Fall zu berichten, bei dem ein Einheimischer Daxen verbrannt hat. Ein Nachbar hat sich daraufhin telefonisch beschwert. Als Feuerwehr und Polizei anrückten, hat der erboste Mann die Feuerwehrmänner und Polizisten verprügelt.
Schlecht erging es ihrem inzwischen verstorbenen Kollegen, erzählt Angelika Berger von der Mautstation Sudelfeld der Mautstraße Tatzelwurm bei Brannenburg, als dieser von einem Autofahrer die Gebühr kassieren wollte. Vielleicht war der Ton der Aufforderung des ehemaligen Berufssoldaten etwas zu scharf, jedenfalls stieg der Autofahrer wutentbrannt aus und nahm den Gemeindebediensteten in den Schwitzkasten.
Unternehmer fühlt sich bei Aufträgen augebootet, verprügelt Bürgermeister
Auch Bürgermeister leben bisweilen gefährlich. So ist im September 2012 Robert Strobel (CSU), Bürgermeister von Bibertal (Landkreis Günzburg), vor seiner Haustür brutal zusammengeschlagen worden. Strobel trafen mehrere schwere Faustschläge im Gesicht. Schwerverletzt musste der damals 45 Jahre altePolitiker ins Krankenhaus gebracht und operiert werden. Täter und Motiv sind bis heute unbekannt.
Der Bürgermeister einer oberfränkischen Kommune wiederum wurde auf einer privaten Feier von einem örtlichen Unternehmer grün und blau geschlagen, weil der sich bei der Vergabe von Aufträgen benachteiligt sah. Hans-Peter Mayer vom Gemeindetag weist darauf hin, dass der Arbeitgeber Strafanzeige stellen kann, wenn ein Mitarbeiter der Gemeinde bedroht oder gar tätlich angegriffen wurde. Für die Beschäftigten sei das ein gutes Zeichen nach dem Motto: „Der Arbeitgeber steht hinter mir.“
Es trifft aber nicht nur Gemeindebedienstete. Auch Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste, die zum Schutz der Flüchtlingsunterkünfte eingesetzt sind, sehen sich bisweilen Attacken ausgesetzt. So ging laut dem Onlinedienst Chiemgau24 im März dieses Jahres in einer Asylbewerber-Unterkunft in Prien ein 21-Jähriger Flüchtling auf einen Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes los und würgte diesen. Der wegen seiner Aggressivität polizeibekannte Migrant kam in Untersuchungshaft.
Wolfratshausener Arbeitslose rief: "Ich will mein Geld" - dann schlug sie zu
Mehrere solcher Zwischenfälle haben sich in diesem Jahr bereits dort ereignet. Attacken sind immer wieder die Mitarbeiter der Agentur für Arbeit ausgesetzt. Das zeigt ein Fall, der vor vier Jahren in Wolfratshausen im Isartal für Schlagzeilen sorgte. Dort griff eine verzweifelte Mutter von drei kleinen Kindern eine Angestellte der Arbeitsagentur an. Mit dem Ruf „Ich will mein Geld!“ packte die Frau die Arbeitsvermittlerin am Zopf und riss ihren Kopf gewaltsam in den Nacken. Die damals 30-jährige Angestellte erlitt ein Halswirbelsäulen-Schleudertrauma und hatte noch Monate nach dem Zwischenfall an den psychischen Folgen zu leiden. Die Vermittlerin arbeitet inzwischen in einer anderen Abteilung der Agentur.
Seit 2010 sammelt das bayerische Innenministerium Fälle von Gewaltanwendung gegen Beamte. Zu Beginn waren es 6278 Fälle, deren Zahl auf 6713 Fälle im Jahr 2014 stieg. Die aktuellen Zahlen für 2015 werden Mitte dieses Monats im Landtagsausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport veröffentlicht. „Die Werte liegen seit Jahren auf einem hohen Niveau, jedoch bewegen sich die jährlichen Veränderungen statistisch gesehen in einem ,normalen’ Bereich“, sagt Sprecherin Kathrin Fändrich.
Das Phänomen der Gewalt an einem besonderen Grund festzumachen, sei nicht möglich. Es sei jedoch festzustellen, dass ein erheblicher Anteil (rund zwei Drittel ) der Tatverdächtigen unter Alkohol- und/oder Drogeneinfluss stand, so die Ministeriumssprecherin. „Wie auch im Bereich der allgemeinen Gewaltkriminalität zeigt sich, dass diese berauschenden Mittel Aggressionsverstärker Nummer 1 sind.“
(Manfred Hummel)
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