Kommunales

So schaut die Hinterlassenschaft einer Gespinstmotte in einem Apfelbaum aus. (Foto: Pat Christ)

22.07.2019

„Seit 2015 gab es eine Massenvermehrung“

Immer mehr Kommunen kämpfen gegen Borkenkäfer, Eichenprozessionsspinner und andere Schädlinge – schuld ist auch der Klimawandel

In Bamberg zum Beispiel treiben die Larven des Eichenprozessionsspinners ihr Unwesen. „Außerdem haben wir es mit Schwammspinnern, Gespinstmotten, Malvenwanzen, Borkenkäfern bei Fichten, dem Blauen Kiefernprachtkäfer, Eichensplint- und Obstbaumsplintkäfern zu tun“, listet Ulrike Siebenhaar von der städtischen Pressestelle auf.

Die Fachleute im Bamberger Rathaus halten den Temperaturanstieg und die Trockenheit für relevante Gründe dafür, dass es immer mehr Schädlinge in Franken gibt. „Durch langanhaltende Trockenheit im Sommer und milde Winter wird die Massenvermehrung der Schädlinge auch noch weiter zunehmen“, prognostiziert Siebenhaar. Zudem würden die Gehölzbestände durch extreme Dürren und Hitzeeinstrahlungen immer stärker geschwächt. Dadurch wiederum würden sie anfälliger für Schädlinge.

Um den Eichenprozessionsspinner zu bekämpfen, wird in Bamberg ein Verfahren angewandt, das als vergleichsweise sanft gilt. „Wir behandeln die betroffenen Eichen mit NeemProtekt“, erläutert die Pressereferentin. Dabei handelt es sich um ein natürliches Mittel aus dem Extrakt des Neem-Baums, dessen wichtigster Inhaltsstoff, das Azadirachtin, als exzellentes Schädlingsbekämpfungsmittel gilt: „Das bringen wir mit einem speziellen Sprühgerät in Eigenregie aus.“

Baumbestand unterliegt konsequentem Monitoring

Um den Eichenprozessionsspinner unter Kontrolle zu halten, unterliegt der gesamte Eichenbestand in der oberfränkischen Stadt außerdem einem konsequenten Monitoring.

Den Borkenkäfer in Schach zu halten, damit ist man aktuell in Altötting und München beschäftigt. „In unserer Region hat sich in den trockenen Jahren seit 2015 eine Massenvermehrung vor allem des Großen, teilweise auch des Kleinen Fichtenborkenkäfers entwickelt“, berichtet Forstdirektor Martin Kennel aus Töging am Inn. Kennel ist stellvertretender Leiter des in Töging angesiedelten Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Nach seinen Worten richtet der Borkenkäfer in diesem Jahr in Fichtenwäldern „große Schäden“ an. Weil es an Wasser mangelt und es oft schon im Frühjahr lange sehr warm ist, könne sich der Käfer gut vermehren. „Gleichzeitig schwächen Hitze und Trockenheit die Widerstandskraft der Fichten“, sagt auch Kennel.

Die zunehmenden Stürme spielen dem Schädling ebenfalls in die Hände, denn dadurch erhält er zusätzliche Brutmöglichkeiten im Bruchholz: „Das fördert die Massenvermehrung.“ Die fortschreitende Klimaerwärmung, prognostiziert Kennel, wird die Probleme der Fichte in Oberbayern weiter massiv verschärfen: „Das wiederum macht den Umbau der Fichtenwälder in klimaangepasste Mischwälder zunehmend dringlich.“

Aufgrund von Fördermitteln sei der Umbau auch für private Waldbesitzer realisierbar. Mehr als 10 000 von ihnen gibt es nach Kennels Angaben im Gebiet des Töginger Amts. „Im Rahmen der ‚Waldumbauoffensive Bayern 2030’ und der ‚Initiative Zukunftswald Bayern’ werden sie von unseren Revierförstern vor Ort beraten“, so der Forstdirektor. Schon seit zehn Jahren bilde der Umbau von Fichtenwäldern in klimaangepasste Mischwälder den „absoluten Beratungsschwerpunkt“.

Dass der Borkenkäfer in diesem Jahr derart zerstörerisch wirken kann, liegt Martin Kennel zufolge nicht zuletzt am Überangebot von Schadholz. „Die Preise sind hier so massiv gesunken, dass die Erlöse teilweise kaum noch die Kosten für Fällung und Transport decken“, sagt er. Deshalb habe das Staatsministerium kürzlich die Zuschüsse für die Borkenkäferbekämpfung nochmals deutlich auf bis zu zwölf Euro je Kubikmeter Schadholz erhöht.

Immer mehr Schädlinge scheinen die Quittung für den laut Wissenschaftlern menschengemachten Klimawandel zu sein. Doch es gibt auch positive Effekte des sich allmählich verändernden Klimas, betont Kennels Kollege Bernhard Hübner vom Sachgebiet Landwirtschaft des Töginger Amts. So verzögerten die trockenen Bedingungen die Ausbreitung pathogener Pilze: „Heuer und im letzten Jahr konnte durchschnittlich eine Fungizidspritzung im Getreide eingespart werden.“

Kein Grund zur Hysterie

Ob man am Schädlingsbefall ein Fortschreiten des Klimawandels ablesen kann, das vermöge sie nicht zu sagen, meint Angelika Feiner vom Landesverband Bayerischer Kleingärtner. Schädlinge im Garten habe es schon immer gegeben. Und es werde sie auch weiterhin geben. „Momentan habe ich es mit Erdflöhen zu tun, außerdem sind Gespinstmotten an Apfel- und anderen Obstbäumen gerade ein Thema“, sagt die Landesfachberaterin. Hysterie ist in ihren Augen auf Bayerns Gärten bezogen fehl am Platz: „Außerdem sind auch Schädlinge ein Teil der Nahrungskette.“ Mit vorbeugenden Maßnahmen gelinge es, ihrer im Garten Herr zu werden.

Wer großes Pech mit der Ernte hat, beherzigt wahrscheinlich ein paar Grundregeln nicht. So ist es laut Feiner sehr einfach, das Gemüse mithilfe von Insektenschutznetzen vor Plagegeistern wie Gemüsefliegen abzuschirmen: „Mittlerweile werden auch kleine Kirschbäume mit Netzen vor Schädlingen geschützt.“ Weiter entscheidet die Wahl der Sorten darüber, wie intensiv der Kampf gegen Schädlinge sein wird: „Im Falle der Himbeerpflanze empfehlen wir zum Beispiel die Herbsthimbeere, denn die wird nicht vom Himbeerkäfer befallen.“ Auch Blumenkohl und Brokkoli sollten am besten für die Herbst-ernte gepflanzt werden, um den Schädlingsbefall zu minimieren.

Vor allem im Wald beansprucht die Schädlingsbekämpfung viel Zeit und viel Geld, sagt Ingeborg Herrmann von der Stadtverwaltung Gunzenhausen. Die mittelfränkische Kommune wird seit geraumer Zeit massiv vom Schwammspinner heimgesucht. Eine Arbeitsgruppe aus Bürgermeister, Hauptamts- und Ordnungsamtsleiter, Pressestelle, Bauhofleiter, Forstamt, Staatsforsten, Feuerwehr und Fachfirmen versucht, die Problematik zu bewältigen. „Bisher fielen mehrere hundert Arbeitsstunden sowie Kosten für Material und den Einsatz von Maschinen an“, sagt Herrmann. Diese Kosten seien nicht vorhersehbar gewesen und belasteten das Gunzenhausener Budget.

Viele Arten haben keine natürlichen Fressfeinde 

Dass es immer wärmer wird, sei für die Schädlinge optimal, sagt auch Ingeborg Herrmann: „Grundsätzlich lieben Insekten ein warmes und trockenes Klima, deswegen begünstigt der Klimawandel die Entwicklung.“ Auf veränderte Bedingungen wie die globale Erwärmung reagierten sie grundsätzlich sehr schnell durch eine massenhafte Vermehrung. Und zwar auch in Regionen, wo sie eigentlich gar nicht zu Hause sind. So stammt der „Lymantria dispar“ genannte Schwammspinner ursprünglich aus den warmen Regionen Südeuropas und aus Nordafrika: „Durch den Klimawandel ist er nun bei uns angekommen.“

Plagegeister aus dem Ausland haben auch deshalb eine so große Chance, sich hierzulande zu vermehren, weil sie keine natürlichen Fressfeinde haben, ergänzt Andreas Baumgartner, Kreisfachberater für Gartenkultur im Landratsamt Altötting. Er hat es aktuell vor allem mit dem Buchsbaumzünsler zu tun: „Seine rasche Verbreitung macht unseren Gartenbesitzern keine Freude.“ Baumgartner rät dennoch von der chemischen Keule ab. Auch er empfiehlt im Übrigen, schon beim Kauf einer Pflanze auf Resistenz zu achten: „Dies reduziert die Anfälligkeit für Schädlinge und somit auch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.“

Aktuell ist die Natur in vielfacher Weise gebeutelt, stellt man in Würzburg fest. Zum einen führte der Jahrhundertsommer 2018 mit seiner extremen Trockenheit zu „enormen Verlusten“ an Fichte und Lärche durch den Anstieg der Borkenkäferpopulation. Rund 500 Bäume wurden dadurch zu Schadholz. Daneben leiden die Eschen im Würzburger Stadtwald am Eschentriebsterben. Schließlich wütete im Herbst 2018 der Sturm „Fabienne“ im Forst. Bis zu 1000 Bäume brachte er zu Bruch. In der Waldabteilung „Dorntrieb“ wurden rund 300 um die 60 Jahre alte Douglasien entwurzelt.

Ein derzeit besonders gravierendes Problem stellt neben den Schädlingen der Wassermangel dar. Der trockene Sommer 2018 führte dazu, dass sich in Würzburgs Stadtwald in einer Bodentiefe von 40 Zentimetern momentan kein für die Pflanzen verfügbares Wasser mehr befindet. Insbesondere auf ältere Buchenwälder hat dies fatale Folgen. Die Stadt rechnet mit über 5000 abgestorbenen Bäumen. Bei einer Gesamtzahl von 500 000 Bäumen im Stadtwald entspricht dies einer Absterberate von über einem Prozent. Wobei nicht nur einzelne Bäume, sondern ganze Baumgruppen betroffen sind. Umwelt- und Naturschutzexperten aus Franken sprechen inzwischen von einer „ökologischen Katastrophe“. (Pat Christ)

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