Kommunales

Bei öffentlichen Veranstaltungen von Stadt- und Kreisverbänden der AfD – wie beispielsweise hier im oberfränkischen Kulmbach – kommt es häufig zu Protestdemonstrationen. (Foto: dpa/Bodo Schackow)

23.10.2020

"Sogar mit den Grünen gibt es Schnittmengen"

Der AfD-Kommunalpolitiker Wolfram Schubert über die Zusammenarbeit mit anderen Fraktionen und Extremisten in den eigenen Reihen

Die seit der Wahl vom März dieses Jahres erstmals in den Kommunalparlamenten vertretene AfD ist – obwohl mancherorts die drittstärkste Fraktion – der Paria dort. Doch der Vorsatz, dass es mit Rechten keine Kooperation geben dürfe, weiche nach und nach auf, so der Landshuter Stadtrat und AfD-Kreisvorsitzende Wolfram Schubert.


BSZ Herr Schubert, im Vorfeld der Kommunalwahlen vom März dieses Jahres haben nahezu alle anderen Parteien erklärt, dass es keine Zusammenarbeit mit der AfD geben darf. Wie erleben Sie ein gutes halbes Jahr später dahingehend den kommunalpolitischen Alltag?
Wolfram Schubert Solche Äußerungen sind erstens grundsätzlich undemokratisch, denn wir sind eine demokratisch gewählte Partei. Auch unsere Wähler sind Bürger der jeweiligen Stadt. Zweitens ist das in der Praxis gar nicht durchzuhalten – schon gar nicht auf der kommunalen Ebene. Stadt- und Kreisräte sind ehrenamtliche Mitglieder eines gewählten Verwaltungsorgans und deshalb zur Kooperation untereinander verpflichtet, das ist ein entscheidender Unterschied zum Landtag. Bei mir in Landshut etwa erleben wir genau das Gegenteil: Genau jene Kräfte, die unsere Ausgrenzung zuvor gefordert haben, haben sich damit zuletzt selbst isoliert.


BSZ Sehen Sie eine Chance, dass sich das Verhältnis der AfD zu den anderen Fraktionen in den Stadt- und Gemeinderäten bis zur nächsten Kommunalwahl 2026 normalisiert – und wenn ja, was muss Ihre Partei dafür konkret tun?
Schubert Natürlich sehe ich die Chance dazu, es ist aus meiner Sicht sogar unvermeidlich. Das hängt aber von den konkreten Zuständen in der jeweiligen Kommune ab. Zum Beispiel haben wir völlig unterschiedliche Bedingungen im Stadtrat von Landshut und im Kreistag des Landkreises Landshut – auch im interfraktionellen Verhältnis. Es kommt mitunter sogar vor, dass das Verhältnis zu Vertretern der Grünen besser oder die inhaltliche Schnittmenge mit ihnen größer ist als mit Vertretern der CSU – oder umgedreht. Das kann man also nicht generalisieren. Aber an einer Art Normalisierung wird kein Weg vorbeiführen. Es geht in den Kommunen nicht um politische Dogmen und Ideologien, sondern um konkrete praktische Projekte. Wir sind bereit, in den Stadträten jede Ideologie hintanzustellen.




BSZ Günter Schulz (SPD), der Zweite Bürgermeister von Höchstadt a. d. Aisch in Mittelfranken, hat sich mit den Stimmen der AfD wählen lassen. Die bayerische Parteiführung forderte daraufhin, dass er das Amt zurückgibt; das wollte er nicht und trat aus der SPD aus – erfüllt Sie das mit Genugtuung?
Schubert Jein. Denn darum geht es nicht. Unsere Stadt- und Gemeinderäte erfüllen durch eine solche Wahl ihren politischen Auftrag nach der Gemeindeordnung. Wenn andere Parteien das aus dogmatischen Gründen torpedieren wollen, dann fällt das auf sie selbst zurück und sie arbeiten gegen ihren eigentlichen gesetzlichen Auftrag, der da lautet, im Konsens aller demokratisch gewählten Kräfte das Beste für die jeweilige Kommune zu erreichen. Wäre die AfD tatsächlich antidemokratisch, dann dürfte sie ja nicht gewählt werden, sondern wäre verboten. Man will uns als Wettbewerber vom Markt nehmen. So etwas geht aber weder auf dem wirtschaftlichen noch auf dem politischen Markt.


BSZ Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) sagt aber, dass unter den bayerischen Kommunalpolitikern der AfD auch Personen sind, die Kontakte in die rechtsextreme, verfassungsfeindliche Szene haben – müssten Sie sich von denen dann nicht konsequent trennen, um den demokratischen Anspruch zu legitimieren?
Schubert Wenn kommunale Vertreter unserer Partei im Verfassungsschutzbericht namentlich als verfassungsfeindlich genannt sind, weil sie – von Fakten unterlegt – als Beobachtungsfall eingestuft werden, dann fordere ich von denen zunächst, dass sie auf dem Klageweg dagegen rechtlich vorgehen. Wenn sie gewinnen, ist die Sache erledigt. Wenn sie aber verlieren, dann sollten sie die Konsequenzen tragen und austreten. Ich war früher als Justiziar im Landesvorstand tätig und habe mich dort mit Personen beschäftigt, deren Ansichten und Aussagen nicht mit dem Programm oder den Grundsätzen der AfD vereinbar sind. Gegen solche Leute sind wir konsequent und erfolgreich mit Ausschlussverfahren vorgegangen, daran war ich selbst mit beteiligt.


BSZ Thema Nummer eins der AfD war die Migration, bis Corona alles andere überlagerte – enttäuscht?
Schubert Dass Corona das Thema Migration überlagert, ist aus meiner Sicht nicht richtig. Hier in Landshut hatten wir gerade den Fall, dass die Polizei zu einer Flüchtlingsunterkunft ausrücken musste, weil dort mehrere Hundert Menschen – ohne Mund-Nasen-Schutz und ohne Abstandsregeln einzuhalten – gefeiert haben. Beides hängt also miteinander zusammen.


BSZ In der AfD-Landtagsfraktion geht es derzeit vogelwild zu, man befehdet sich mehr untereinander, statt konstruktiv zu arbeiten – schädigt Sie das vor Ort und sind Sie als Stadtrat sauer darüber?
Schubert In der kommunalen Tagesarbeit hat das null Auswirkungen. Wir hören auch keine spöttischen Anspielungen dazu von den Vertretern der anderen Stadtratsfraktionen. Aber man muss leider zugeben: Die gesamte AfD unterliegt derzeit einem ausgesprochenen Machtkampf um die Besetzung der Führungspositionen. Hier kommt der sogenannte Flügel ins Spiel. Dabei geht es aber nicht primär um politische Richtungsentscheidungen, sondern eher um die Besetzung von Posten. Das hat man aber teilweise auch innerhalb der Partei noch nicht verstanden.


BSZ Sitzen solche Flügel-Leute auch in den Kommunalparlamenten?
Schubert In der Kandidatenaufstellung im Vorfeld der Kommunalwahlen vom März dieses Jahres hat es eine Rolle gespielt, das weiß ich sicher. Inwieweit aber Flügel-Leute heute eine Rolle in einzelnen Gemeinderäten oder Kreistagen spielen, entzieht sich meiner Kenntnis. Aber das Prinzip, auf diesem Weg die Partei zu übernehmen, funktioniert in den Kommunalparlamenten nicht; dafür sind die Fraktionen dort zu klein.


BSZ Trotzdem gibt es bei der AfD nur wenige Monate nach den Kommunalwahlen bereits den Trend zu Fraktionsspaltungen und -austritten – warum?
Schubert Landesweit kann ich das persönlich nicht bestätigen. Ich weiß konkret von dem Fall in Augsburg und da hängt es tatsächlich mit den Übernahmebestrebungen des Flügels zusammen.

(Interview: André Paul)

Bildunterschrift im Text: Der pensionierte Richter Wolfram Schubert (74) sitzt für seine Partei auch im Bayerischen Verfassungsgerichtshof. (Foto: BSZ)

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