Kommunales

Innenministerium und Bayerischer Gemeindetag sehen zu der Abgabe keine realistische Alternative. (Foto: DPA)

06.06.2014

Straßenausbaubeiträge unter Beschuss

Immobilien- und Grundstücksbesitzer im Freistaat machen mobil gegen Zwangsabgabe an Kommunen

Unter Immobilien- und Grundstücksbesitzern im Freistaat wächst der Widerstand gegen die Straßenausbaubeiträge. Der Verband Wohneigentum in Bayern strebt jetzt eine Gesetzesänderung an, welche Gemeinden das Erheben von Beiträgen künftig verbieten soll. Bayerischer Gemeindetag und Innenministerium lehnen das ab.
Straßenausbaubeiträge treffen fast jeden Grundstücksbesitzer über kurz oder lang. Sie werden fällig, wenn eine Straße grunderneuert wird. Die Höhe ist vor allem abhängig von der Länge des angrenzenden Grundstücks und der Art der Straße. Je wichtiger die Straße für den örtlichen oder überörtlichen Verkehr ist, umso weniger bezahlen die Anlieger. Straßen, die hauptsächlich der Erschließung der angrenzenden Grundstücke dienen, werden zum Großteil über die Beiträge der Anwohner finanziert. Der Grund dafür: Wer den größten individuellen Vorteil hat, soll auch selbst dafür bezahlen. Geregelt ist das alles im Kommunalen Abgabengesetz (KAG). Auf dieser Grundlage erlassen die Gemeinden entsprechende Satzungen; Ausnahmen sind nur bei enorm finanzkräftigen Kommunen möglich.
Diese Finanzierungpraxis stößt vielen Haus- und Grundbesitzern zunehmend sauer auf: So setzt sich der Verband Wohneigentum seit kurzem wieder verstärkt für eine Abschaffung der Straßenausbaubeiträge ein. Peter Tomaschko, Vorsitzender des Bezirksverbandes Schwaben und CSU-Landtagsabgeordneter, hat dabei vor allem so genannte Härtefälle im Auge. Im Verband werde er regelmäßig mit solchen Härtefällen konfrontiert, sagt Tomaschko. „Vor allem ältere Leute oder alleinstehende Personen sind mit den Abrechnungsbescheiden finanziell überfordert.“
Zuspruch erhalte er, versichert Tomaschko, auch von zahlreichen Bürgermeistern, Stadt- und Gemeinderäten: In manchen Gemeinden, so Tomaschko, würden notwendige Erneuerungsmaßnahmen immer wieder aufgeschoben, weil sich niemand traue, die finanziellen Belastungen den Anliegern aufzubürden. Daraus ergibt sich für ihn ein „Handlungsauftrag“ des Landtags, wo er Mitglied des Innenausschusses ist. Er möchte das Thema dort auf die Agenda setzen und eine „Entlastung für die Bürger“ erreichen.
„Wir haben auch kein Patentrezept“, gesteht Tomaschko, betont aber gleichzeitig, dass er eine Reform der Straßenausbausatzungen nur „partnerschaftlich mit den Kommunen“ regeln möchte. Ein „Druckszenario“ – beispielsweise in Form einer Musterklage gegen eine einzelne Kommune oder gar einen Volksentscheid – stehe momentan nicht zur Debatte. Im Verband sei die Forderung nach einer Abschaffung der Straßenausbaubeiträge „ganz massiv“. Allerdings gehe es nicht darum, die Beiträge vollständig zu kippen; vielmehr strebe man „mehr Flexibilität für die Gemeinden“ an.

Antrag auf CSU-Parteitag


Der Verband Wohneigentum fordert nun, dass die Gemeinden selbst entscheiden können, ob sie eine Satzung erlassen und wie diese aussieht. Die meisten Kommunen orientieren sich bei der Berechnung der Beiträge an der Mustersatzung des Bayerischen Gemeindetags. Tomaschko und seine Verbandskollegen streben daher eine Gesetzesänderung an. So soll beispielsweise die unnötige, aber gewünschte Verschönerung des Ortskerns nicht verpflichtend über die Satzung abgerechnet werden.
Im Bayerischen Gemeindetag sieht man die neu aufgeflammte Forderung nach Abschaffung der Straßenausbaubeiträge gelassen: Eine Gesetzesänderung sei für ihn nicht vorstellbar, sagt Pressesprecher Wilfried Schober. Die Forderung sei zwar aus Sicht der Grundstücksbesitzer nachvollziehbar, aber unrealistisch. Die Umwandlung der Beitragspflicht in eine Kann-Bestimmung würde dazu führen, dass die Beitragserhebung „für viele Bürgermeister nicht mehr praktikabel“ wird. Zu groß sei dann der Druck, niedrigere oder gar keine Beiträge zu verlangen, glaubt Schober.
Dabei sei es für die Kommunen unwichtig, woher das Geld für die Straßenerneuerung komme. Bei wegfallenden Beiträgen würden eben die Summen aus dem Kommunalen Finanzausgleich steigen, mutmaßt Schober. Bei Härtefällen verweist er darauf, dass es die Möglichkeit zur Stundung oder Ratenzahlung gibt. Auf Seiten der Kommunen verstehe man zwar, dass die Beiträge dem Gerechtigkeitsempfinden vieler Grundstücksbesitzer zuwiderlaufen, doch letztlich unterstütze der Gemeindetag die gängige Sicht, dass diejenigen mit dem größten individuellen Vorteil auch ihren Beitrag leisten sollen.
Schlechte Karten hat der Vorschlag des Verbandes Wohneigentum auch im für öffentliche Bauprojekte zuständigen bayerischen Innenministerium. Ein Sprecher von Ressortchef Joachim Hermann (CSU) lässt wissen: „Wir sehen zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen keine Alternative.“ Besonders finanzschwache Kommunen seien dann in ihrer Attraktivität gefährdet, weil die Straßenerneuerung ohne die Beiträge auf der Strecke bliebe. Ohne Steuererhöhnungen sei die Sanierung der Straßen „schlicht und einfach nicht zu leisten“. Es sei zudem nicht wünschenswert, die Finanzierung der Straßensanierung „ohne besondere Gegenleistung auf Kosten der Allgemeinheit“ umzulegen, während den Vorteil nur oder hauptsächlich der Eigentümer genießt. Die Mieter, die die erhöhten Steuern mitbezahlen müssten, würden zusätzlich belastet, urteilte der Ministeriumssprecher.
Die Gegner der Straßenausbaubeiträge werden es also schwer haben bei dem Gegenwind. Doch der Widerstand wächst: Neben dem Verband Wohneigentum kämpfen derweil noch andere Gruppierungen gegen die Pflichtbeiträge. In Nürnberg hat sich beispielsweise eine christsozial dominierte Bürgerinitiative zu diesem Thema gegründet. Im Herbst soll es aus ihren Reihen einen Antrag auf dem CSU-Parteitag geben. (Bianca Haslbeck)

Kommentare (6)

  1. Thomas am 11.08.2015
    Ich muß Horst ganz recht geben. Die Benutzung der Straßen wird eigentlich mit der KFZ-Steuer und den diversen Benzinsteuern abgegolten. Insbesondere in Gegenden ohne funktionierenden öffentlichen Nahverkehr ist die Benutzung eines PKWs schon fast Zwang, damit man zur Arbeit kommt und Einkommensteuern zahlen kann (!!??!!). Außerdem trägt bei Hauptverkehrsstraßen die Gemeinde zwar einen höheren Anteil, aber im Gegenzug ist eine Sanierung öfter notwendig und auch entsprechend teuerer. Ganz unverständlich wird das Ganze, wenn ein Ausbau nur notwendig ist, damit die Gemeinde weitere Grundstücke erschließen kann, die bestehende Straße für die Anwohner selbst aber gar nicht sanierungsbedürftig gewesen wäre. Dann sind eindeutig nur die neuen Grundstückseigentümer die Nutznießer und die gesamten Kosten müßten eigentlich auf diese umgelegt werden. Wird das so gemacht?
  2. Horst am 18.06.2015
    Das Ganze ist vollkommen inakzeptabel ! Wenn man sein Dach, oder seine Fassade reparieren lässt, trifft man diese Entscheidung selbst und entscheidet weiterhin über Qualität, Ausmaß und damit auch die Kosten der Sanierung. Mit dem Straßenbaubeitrag wird eine der Hauptaufgaben der Kommunen willkürlich auf den Bürger übertragen. Die Diskussion um die überwiegende Nutzung ist dabei scheinheilig, weil überhaupt nicht berücksichtigt wird, ob ein Anwohner wirklich davon profitiert, oder nicht. Auch die prozentuale Verteilung der Kosten ist unerheblich, weil sie nichts mit der tatsächlichen Nutzung zu tun hat. Ob ein Anlieger ein Auto besitzt oder nicht, spielt keine Rolle. Würden die KFZ Steuern, sowie die ganzen Benzinsteuern korrekt verwendet und nicht z.B. für einen G7 Gipfel verschwendet, gäbe es auch kein Finanzierungsproblem für Dorfstraßen.
  3. Reiner am 01.04.2015
    Nicht ganz richtig geschrieben lieber Jakob, denn bei der Schilderung des Sachverhalts wird der sicherlich nicht unerhebliche Anteil, den die Gemeinde selbst zu tragen hat, völlig "vergessen". Bei uns beträgt dieser z.B. 70 % der Kosten der Fahrbahn, wenn es sich um eine Hauptverkehrsstraße handelt. Natürlich sind auch 30 % für die Anlieger keine Peanuts, aber zu behaupten, die Anlieger finanzieren den Ausbau, das ist schlichtweg unredlich.
  4. Jakob am 29.03.2015
    Nicht ganz richtig gedacht lieber Gottfried.Nicht nur stille Siedlungsstraßen sind davon betroffen.
    Wohne in einer Hauptdurchgangsstraße mit Schulen, Kindergärten u. Anbindung zu den Neubaugebieten. Sämtliche Buslinien des Ortes (sowohl Schul- als auch die Ortsverkehrslinien) fahren hier vorbei. Diese Straße wird also von Allen befahren u. es kann nicht Sache der Anlieger sein den Ausbau zu finanzieren.
  5. Lotta am 20.02.2015
    Hallo, in reinen Siedlungsgebieten mag das zutreffen aber in dörflichen Regionen sieht das anders aus. Da betrifft es einzelne Bürger mit 60 000 bis 150 000 €. Man kann dagegenhalten, dass diese ja mehr Grund besitzen - die Straße nutzen sie aber auch nicht mehr als kleinere Grundstücksbesitzer. MfG Lotta
  6. Gottfried am 14.01.2015
    Ich kann die Aufregung um die Straßenausbaubeiträge nicht nachvollziehen. Wenn das Dach meines Hauses oder die Heizung oder die Fenster kaputt sind, dann käme ich doch auch nicht auf die Idee, dass das jemand anderes bezahlen soll. Baugrundstücke brauchen nun mal eine Straßenerschließung. Und wenn die Straße erneuerungsbedürftig ist, dann soll auch der die zahlen, der sie nutzt und braucht. Das Argument, dass auch andere die Straße nutzen dürfen, zählt für mich nicht. Schließlich darf ich ja auch alle anderen Straßen mitnutzen. Außerdem zahlt die Gemeinde dafür auch einen Eigenanteil. Wenn ich mir Straßen in Wohngebieten anschaue, dann braucht diese in der Regel niemand anders als die Anlieger, die da wohnen. Wenn es die Straßen nicht gäbe, würden diese meist niemandem fehlen. Eine Abschaffung der Straßenausbaubeiträge ohne eine alternative Finanzierung z.B. über eine 2. Grundsteuer halte ich angesichts der finanziellen Möglichkeiten der Kommunen für verantwortungslos.
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