Kommunales

An Bayerns Gewässern gibt es derzeit mehr als 550 Wachstationen. (Foto: dpa/Sven Hoppe)

11.08.2023

"Vom Holzboot zu Hightech"

Thomas Huber, Landesvorsitzender der Wasserwacht Bayern, über 140 Jahre Wasserrettung, bessere Anerkennung der ehrenamtlichen Leistung und ein KI gestütztes Sonargerät

Wer einen Badeunfall hat, zu ertrinken droht, oder von Hochwasser eingeschlossen ist, schätzt die Hilfe der Wasserwacht. Doch die ehrenamtliche Tätigkeit der Wasserretter*innen ist rechtlich immer noch nicht gleichgestellt mit der von Feuerwehrlern.

BSZ: Herr Huber, wie viele Menschenleben rettet die Wasserwacht in Bayern pro Jahr?
Thomas Huber: In den vergangenen Jahren konnte die Wasserwacht Bayern mit ihren 256 Schnelleinsatzgruppen durchschnittlich circa 4200 Einsätze pro Jahr verzeichnen. 2022 waren es alleine 63 Menschen, die direkt aus akuter Wassernot gerettet wurden. Vielen weiteren Menschen konnte schnell und professionell von uns, nicht nur am Wasser, geholfen werden.

Bayern ist deutlich fortschrittlicher als andere Bundesländer

BSZ: Bisher sind Wasserwacht-Mitglieder nicht mit anderen Rettungsorganisationen gleichgestellt. Muss sich das ändern und warum?
Huber: Im Vergleich zu anderen Bundesländern ist man in Bayern schon deutlich fortschrittlicher bei diesem Thema. Nichts desto trotz steht fest: Alle Ehrenamtlichen der Wasserwacht müssen derzeit Urlaub nehmen, um Zeit für wichtige Ausbildungen oder Übungen (außerhalb der Katastrophenschutz-Einheiten) zu bekommen. Im Vergleich mit der Feuerwehr sieht es dort eben schon anders aus. Ich bin aber der Meinung, dass alle ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer in punkto Aus- und Fortbildung gleichgestellt sein sollten, egal, ob Feuer oder Wasser.

BSZ: Wie viele Wasserwachtstationen gibt es in Bayern?
Huber: Bayern ist das Land der Flüsse und Seen. Das spiegelt sich auch in den Zahlen der Wachstationen wieder. Aktuell existieren mehr als 550 Wachstationen der Wasserwacht Bayern an unseren Gewässern.

Wasserwachtstationen müssen saniert werden

BSZ: Müssen diese Stationen modernisiert werden?
Huber: Die meisten Wachstationen wurden in den 1960er- und 1970er-Jahren errichtet und sind deshalb altersbedingt sanierungsbedürftig. Teilweise müssen diese aber neu errichtet werden, denn sie werden heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht. Das ist sehr wichtig, damit unsere Kameradinnen und Kameraden im Wachdienst weiterhin professionell Hilfe am und im Wasser leisten können. Aber auch die Versorgungsqualität von zu behandelnden Patienten soll dadurch auf einen aktuellen Qualitätsstandard gehoben werden. Viele der älteren Wachstationen verfügen weder über separate Sanitärbereiche noch über getrennte Räume zur Patientenversorgung. Da müssen wir ran!

BSZ: Wie viel wird diese Modernisierung kosten?
Huber: Aktuell befinden wir uns in diesem Projekt gerade in der Evaluierungsphase. Eine konkrete Zahl kann ich zum heutigen Zeitpunkt noch nicht nennen. Wichtig ist aber, dass wir die Notwendigkeit für ein Sonder-Investitionsprogramm zur Ertüchtigung und Renovierung oder Neuerrichtung von Wachstationen an bayerischen Seen sehen. Im Gegenzug wird von der Bevölkerung und auch von der Politik erwartet, das wir an den Seen professionelle Hilfe auf modernstem Niveau leisten.

Unterstützung der Politik ist gefragt

BSZ: Was erwarten Sie von der Politik hinsichtlich der Finanzierung?
Huber Ich erwarte, dass nicht nur wir diesen Handlungsbedarf sehen und die Politik uns auch in dieser Hinsicht bestmöglich unterstützt. Mit einer finanziellen Unterstützung wird klar in die Sicherheit der Menschen an bayerischen Gewässern investiert, denn die Wachstationen sind die Basis und der Anker für moderne und leistungsfähige Wasserrettung.

BSZ: Haben Sie Nachwuchssorgen bei der Wasserwacht?
Huber: Das muss ich mit einem klaren Jein beantworten. Im Jahr 2022 gab es beim BRK erfreulicherweise wieder Zuwachs im Bereich der Ehrenamtlichen. Das haben wir auch bei der Wasserwacht gespürt. Gerade die Wasserwacht-Familie ist besonders attraktiv für junge Leute, denn hier können viele ihre Leidenschaft für das Element Wasser mit einer sinnvollen Aufgabe verbinden und neue Freundinnen und Freunde mit ähnlichen Interessen gewinnen. Eben wie in einer großen Familie. Unsere Aufgabe ist es dann, die neuen Mitglieder auch langfristig für die Wasserrettung zu begeistern, denn viele junge Menschen wollen sich nicht mehr so lange an ein Ehrenamt binden. Hier setzen wir an und halten unsere Mitglieder auch über die vielen Fort- und Weiterbildungen, die sie im Zuge ihrer Mitgliedschaft bei uns durchlaufen können.

Gesellschaftliche Daueraufgabe

BSZ: Wie kann man das Ehrenamt außerdem attraktiv halten?
Huber: Das Ehrenamt attraktiv zu halten ist eine gesamtgesellschaftliche Daueraufgabe. Wir müssen alle daran arbeiten, ehrenamtliche Betätigung besser wertzuschätzen und alles unternehmen, es noch attraktiver zu gestalten. Ein wichtiger Schritt wäre beispielsweise an Schulen und Hochschulen bei jungen Menschen für ein ehrenamtliches Engagement in Hilfsorganisationen zu werben. Ein weiterer großer Schritt in die richtige Richtung wäre gemacht, wenn nachgewiesene ehrenamtliche Tätigkeiten auch als Berufserfahrung anerkannt würden. Denn dort werden Fähigkeiten und Fertigkeiten wie beispielsweise Teamgeist und Führungskompetenzen erworben, die man in keinem Studium vermittelt bekommt.

BSZ: Die Wasserwacht verwendet auch moderne Technik. Können Sie erklären, wie Unterwasserdrohnen und mit künstlicher Intelligenz arbeitende Suchsysteme die Rettung von Menschen erleichtern?
Huber: Seit 2022 testen wir in der Wassserwacht in ganz Bayern ein sogenanntes AquaEye, einem durch KI gestütztes Sonargerät, das durch die Wasserwacht derzeit selbst finanziert wird. Vergleichbar ist dieses Gerät mit den Wärmebildkameras bei unseren Feuerwehren. Wir können dadurch unter Wasser „sehen“. Die KI hilft beispielsweise bei der Unterscheidung von Gegenständen und Personen unter Wasser. So kann das Gerät erkennen, ob es sich um eine Unterwasserpflanze oder die tatsächlich vermisste Person handelt. Damit ist es eine wichtige Ergänzung für die Arbeit der Rettungskräfte, die dadurch gezielter eingesetzt werden können. In weniger als fünf Minuten scannen so unsere Wasserretterinnen und Wasserretter mit AquaEye einen Bereich von mehreren hundert Quadratmetern. Schlägt das AquaEye an, können bereits kurze Zeit später ausgebildete Rettungstaucher an besagter Stelle gezielt zu der Person tauchen. Die Rettungskräfte können somit noch effektiver eingesetzt werden.

BSZ: Freuen Sie sich, dass die Wasserwacht im Deutschen Roten Kreuz in diesem Jahr ihr 140-jähriges Bestehen feiern kann?
Huber: Die Wasserwacht ist im Kern eine bayerische Idee, die in Regensburg geboren wurde. Ausschlaggebend war dafür das dortige Donauhochwasser vor 140 Jahren. Ich bin stolz darauf, dass wir dieses Jubiläum nun am Gründungsort feiern konnten. In den vergangenen fast eineinhalb Jahrhunderten, hat sich die Wasserwacht nach dem Motto „vom Holzboot zu Hightech“ deutlich in die Zukunft entwickelt. All das wäre aber nicht ohne das oft über dem durchschnitt liegende Engagement unserer mehr als 130.000 Mitglieder möglich, mit denen wir heute nach der Feuerwehr zur zweitgrößten Hilfsorganisation Bayerns gewachsen sind.
(Interview: Ralph Schweinfurth)

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