Kommunales

Landleben bietet Ruhe und Idylle, das Angebot an Waren und Unterhaltung ist aber reduziert. Die Stadt bietet alles, was man möchte, stresst aber durch Trubel. (Foto: dpa/Hildenbrand, Karmann)

26.05.2023

Wachsender Gegensatz

Nach einer Phase der Annäherung gehen die Lebenswelten von Stadt- und Landbevölkerung derzeit wieder auseinander

Der Konflikt zwischen urbanen und ländlichen Regionen ist so alt wie die menschliche Siedlungsgeschichte. Schon im 6. Jahrhundert v. Chr. griff der griechische Dichter Äsop das Thema in seiner Fabel Die Stadtmaus und die Landmaus auf. Doch während besonders in Deutschland die Differenzen seit Mitte des 20. Jahrhunderts immer mehr zurück gingen – was der Soziologe Helmut Schelsky in seinem Modell der nivellierten Mittelstandsgesellschaft charakterisierte –, wächst die Skepsis voreinander seit gut einer Dekade wieder. Und erneut ist die Bundesrepublik wieder vorn mit dabei.

Die Konflikte sind vielfältig und sie manifestieren sich besonders im Wahlverhalten. In Bayern etwa sind die Grünen in den Metropolen stark –in München sogar die größte Fraktion im Stadtrat –, stellen aber im Gegensatz dazu nur einen von 71 Landrät*innen und auch nur eine Handvoll der mehr als 2000 Bürgermeister*innen. Bei den Freien Wählern und teilweise auch der CSU ist es genau umgedreht. Die FDP spielt in den Kreistagen und in den Gemeinderäten kleiner Kommunen fast gar keine Rolle. Einzig der SPD gelang es in der Vergangenheit, eine Klammer zu bilden zwischen Stadt und Land. Sie hat diese Rolle aber inzwischen für eine Priorisierung urbaner Bedürfnisse und eine weitgehende Anpassung an die Agenda der Grünen aufgegeben.

Die Menschen in den großen Städten sind etwa mehrheitlich für einen deutlichen Ausbau der Windkraft und zeigten für begrenzende Maßnahmen wie die 10-H-Regel wenig Verständnis. Doch in ihrer unmittelbaren Umgebung würden die Windräder ja auch nicht stehen. Die damit einhergehende Veränderung des Landschaftsbilds samt der Auswirkungen auf den Tourismus beträfe sie kaum. Wenn man aber auf dem Land Äcker und Wiesen großflächig mit Photovoltaikanlagen bestückt – dann ist das den Städter*innen auch wieder nicht recht: denn ein Wegfall von Agrarflächen erhöht für sie die Lebensmittelpreise.

 

Urbane Bevölkerung bejaht Errichtung von Windrädern


Auch die Aufnahme von Geflüchteten wird in den großen Städten mehr befürwortet als im ländlichen Raum. Doch entstehen die Asylunterkünfte ja auch seltener in den dicht besiedelten Cities, sondern eher in ländlichen Räumen, wo entsprechend Platz besteht. Mit den Begleiterscheinungen der Migration wie Lärm und Kriminalität hat dann auch meist die Landbevölkerung zu kämpfen. Obendrein gibt es in Städten deutlich mehr Angebote für die Integration wie etwa Sprachkurse und psychologische Betreuung. Dass es an Arztpraxen in den Großstädten meist nicht mangelt – man aber auf dem Land für einen Besuch mitunter einen Tag einplanen muss aufgrund des Andrangs an Kranken – kommt ergänzend hinzu.

Und während Menschen in Metropolen mit einem im 5-Minuten-Takt fahrenden U- und S-Bahnsystem leicht auf einen eigenen Pkw verzichten können und sowohl steigende Spritpreise wie Restriktionen für den mobilisierten Individualverkehr entspannt sehen, ist man auf dem Land zum Bestreiten des Alltags noch immer auf einen Pkw angewiesen. Der Supermarkt etwa befindet sich eben nicht gleich fußläufig um die Ecke und die Einkäufe im womöglich nur drei- bis viermal am Tag fahrenden Bus nach Hause zu bringen ist für die meisten Leute keine Option.

 

Auf dem Land ist Wohnungsmangel kein großes Thema


Auf dem Land wiederum verstehen die Leute nicht, dass der Wohnungsmarkt immer weiter reguliert werden soll. Schon aus Eigeninteresse sorgen die meisten Gemeinderäte dafür, dass der dörfliche Nachwuchs Bauland bekommt um sich den Traum vom Eigenheim zu verwirklichen. Doch mit den Kapazitäten, die Baufirmen für die Errichtung eines Einfamilienhauses auf dem Dorf aufwenden, ließe sich eben alternativ ein Mehrfamilienhaus in der City errichten.

Dass die CSU beklagt, in der neuen Bundesregierung sei niemand mehr aus dem Freistaat präsent, ist sicher auch dem Frust über die Niederlage zur Wahl 2021 geschuldet. Fakt ist aber, dass es vor allem Christsoziale waren, die in den Jahren zuvor dem ländlichen Raum im Kabinett in Berlin eine Stimme gaben. Das Spitzenpersonal der Ampel dagegen ist zum überwiegenden Teil urban sozialisiert. Wie gefährlich das auf Dauer für die liberale Demokratie werden kann, zeigen die Umfrageergebnisse zur sächsischen Landtagswahl. Mit knapp 30 Prozent ist die AfD ohnehin schon die stärkste Kraft im grün-weißen Freistaat. Würde man das Wahlvolk aus den drei Großstädten Leipzig, Dresden und Chemnitz raus rechnen, hätten die Rechtsradikalen bereits die absolute Mehrheit im sächsischen Landtag. (André Paul)

 

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