Kommunales

Es gibt kaum eine große Kommune, die sich nicht längst des Gender-Themas angenommen hat. Foto: dpa/stefan Steinach

23.05.2019

Wenn aus Lehrern "LehrerInnen" werden

Bei der Stadt München müssen seit Februar sämtliche Texte so formuliert werden, dass das Gleichstellungsgebot auch sprachlich erfüllt wird. Andere große Kommunen im Freistaat schreiben ihrem Personal ebenfalls zunehmend Formulierungen wie „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, „MitarbeiterInnen oder „Bedienstete“ vor.

Sternchen, Binnen-I oder Unterstrich? Neutrale oder rein männliche Form? Wann es sinnvoll ist, auf eine gendergerechte Sprache zu achten, und wie dies geschehen soll, darüber gehen die Meinungen in den Städten, Gemeinden und Landkreisen auseinander. Jede Kommune handhabt dies bei Broschüren und offiziellen Schreiben ein bisschen anders. Wobei es oft innerhalb einer Kommune keine einheitliche Schreibweise gibt.

Auch im Würzburger Landratsamt ist dies bisher noch nicht der Fall. „Einige unserer Mitarbeiter wählen die Binnen-I-Variante, andere die Variante mit Schrägstrich, wieder andere praktizieren eine neutrale Schreibweise“, erläutert die kommunale Gleichstellungsbeauftragte Carmen Schiller. Manchmal wird auch mit Gendersternchen gearbeitet.

Alles, so Schiller, habe seine Vor- und Nachteile. „Meiner Meinung nach ist, gerade für Broschüren, die neutrale Schreibweise empfehlenswert“, sagt sie. Dadurch würden auch Menschen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen können, explizit angesprochen. „Das hat aber den Nachteil, dass Personen objektiviert werden und unpersönlich wirken“, schränkt Schiller ein.

Weibliche Form muss vor der männlichen kommen

In München befasste man sich schon früh mit der Frage, wie man die Bürgerinnen und Bürger ansprechen möchte. „In der Allgemeinen Geschäftsanweisung der Landeshauptstadt München“ gibt es bereits seit 1995 Anweisungen zur Verwendung geschlechtersensibler Sprache“, weiß Nicole Lassal, Leiterin der Gleichstellungsstelle. Kürzlich wurden diese Vorgaben reformiert. Seit Februar müssen sämtliche Texte so formuliert werden, dass das Gleichstellungsgebot sprachlich erfüllt ist. Wie das genau geschieht, bleibt den Beschäftigten überlassen. Die können zum Beispiel „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ oder „Bedienstete“ schreiben.

In Fließtexten muss prinzipiell alles ausgeschrieben werden, wobei die weibliche Form an erster Stelle Platz zu finden hat. Die „Bürger/in“ ist demnach ebenso tabu wie die „Bürger(in)“ oder die „Bürger_in“. Nur wenn bei Formularen sehr wenig Platz ist, darf der Unterstrich genutzt werden. Um Transgender, Transidentität und Transsexualität zu bezeichnen, kann in der Landeshauptstadt „Trans*“ verwendet werden. Damit sollen sich alle Menschen als eingeschlossen empfinden, die sich nicht dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht zugehörig fühlen oder die sich nicht entscheiden können. „Unsere Gleichstellungsstelle erarbeitet derzeit gemeinsam mit der Koordinierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen einen Vorschlag für die Anpassung der Sprachregelung zur Integration der dritten Geschlechtsoption“, berichtet Lassal.

Die Diskussionen um eine gendergerechte Schreibweise haben nach ihren Beobachtungen in den letzten Jahren zugenommen. Nicht zuletzt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur dritten Geschlechtsoption sorgt für Debatten. Manche Menschen lehnen Gendersternchen ebenso vehement ab wie Kinderbücher mit Regenbogeneltern oder Jugendromane mit Jungs, die sich küssen. Das merkt jeder, der oft Leserbriefe und Online-Kommentare durchstöbert.

Im Landratsamt Neu-Ulm versucht die Personalabteilung vor allem bei Bewerbungsverfahren, Frauen und Männer gleichermaßen anzusprechen. Das ist schon lange so, erklärt Mirjam Keita-Schlosser, Beauftragte für Gender- und Gleichstellungsfragen. Wobei immer wieder neue Herausforderungen auf die Kommunen zukommen: „Derzeit stellt sich die Frage, wie wir mit ‚divers’ umgehen sollen, also welche besonderen Bedürfnisse dieser Personenkreis hat.“ In Augsburg wurde die geschlechtersensible Sprache vor Kurzem in die Allgemeinen Geschäftsanweisungen aufgenommen. „Es war ein langer und steiniger Weg, aber wir haben es geschafft“, sagt Birgit Weindl, Leiterin der Gleichstellungsstelle. Die Resonanz sei durchwegs positiv. Gleichbehandlung, ist die Stadt überzeugt, muss sich auch in der Sprache wiederfinden, denn Sprache beeinflusse das Denken und Handeln.

Ebenso wie in München plädiert die Augsburger Stadtverwaltung dafür, den weiblichen und männlichen Begriff nebeneinander oder, alternativ, neutrale Bezeichnungen zu verwenden. Aus dem „Teamleiter“ respektive der „Teamleiterin“ wird die „Teamleitung“. Der Fachfrau oder der Fachmann mutieren in die „Fachleute“ oder, sollte es sich um mehrere handeln, das „Fachpersonal“. Statt vom „Kooperationspartner“ zu sprechen, wird „in Kooperation mit“ formuliert.

Wie mit dem dritten Geschlecht umgehen?

In Aktenvermerken, Protokollen und Beschlüssen soll es keine Binnen-Is, Gendersternchen, Schräg- oder Unterstriche geben. Um dennoch möglichst knapp zu formulieren, wird auf die Grammatik verwiesen: Warum nicht den Satz im Passiv formulieren? Statt zu sagen: „Die Schüler sollen die Anträge zeitnah abgeben“ wird geschrieben: „Die Anträge müssen zeitnah abgegeben werden.“

In Nürnberg plädiert Matthias Becker dafür, die althergebrachte Sprache zu überdenken. „Beim maskulinen Imperativ vergisst man einfach immer die Hälfte der Bevölkerung, sodass sich manche Menschen nicht angesprochen fühlen“, sagt der Ansprechpartner für Männer in der städtischen Stabsstelle „Menschenrechtsbüro und Frauenbeauftragte“.

Auch die Frankenmetropole hat eine Broschüre, die erklärt, wie Reden, Texte und Anträge diskriminierungsfrei formuliert werden können. „Sie und Er – Nur so ist es fair“ heißt sie. Im Moment wird sie im Hinblick auf diskriminierungsfreie, leichte Sprache und Bildsprache überarbeitet.

Für den Genderspezialisten ist es schon lange tabu, bei öffentlichen Auftritten „maskulin“ zu sprechen. „Ich verwende entweder die neutrale Form, sage also ‚Studierende’ oder arbeite mit der Doppelnennung, sage also ‚Liebe Studentinnen und Studenten’“, erläutert Becker. Manchmal macht er auch eine kurze Pause, um das Gendersternchen mitzusprechen. Er sagt dann also „Bürger---innen“.

„Nicht nur auf die Schreibweise achten“

Werden Textvorlagen allzu vehement „gendergerecht durchformuliert“, könne das „krampfhaft“ wirken, manchmal entstünden auch „unverständliche Sprachgebilde“, warnt Ilona Authried, Gleichstellungsbeauftragte im Landratsamt Oberallgäu. Dennoch hält auch sie es für notwendig, Frauen und Männer in der Sprache sichtbar zu machen. „Bei uns im Landratsamt sind gendergerechte Schreibweisen im Personalmanagement, der Personalentwicklung und in der Leitbildentwicklung integriert“, sagt sie. Stellen würden nach der Formel „m/w/d“ ausgeschrieben.

Wird jedoch nur noch auf die Schreibweise gestiert, kann der Weg in die Sackgasse führen, erklärt die Betriebswirtin. Denn es gebe noch viele andere Hürden auf dem Weg zur Chancengerechtigkeit. „Die größte ist immer noch die Mauer in den Köpfen von Männern und Frauen“, so Authried. Sie fand dafür für sich die Wendung „Relative Aufgeschlossenheit bei absoluter Verhaltensstarre“. Rollen- und Geschlechterverhältnisse in Familie und Arbeitswelt seien oft noch immer unverändert: „Zum Teil gibt es sogar eine Rechts-Rückwärtsorientierung zu ‚früheren Zeiten’.“ (Pat Christ)

Kommentare (2)

  1. Alex JU am 11.06.2019
    Nachfolgend eines Broschüre des stmi unter Führung von Joachim Herrmann, in der das gendersensible Schreiben in Kapitel 4 propagiert wird - und dies bereits im Jahre 2008.

    https://www.uni-augsburg.de/einrichtungen/gleichstellungsbeauftragte/downloads/broschuere_freundlich_korrekt.pdf
  2. voa zua am 24.05.2019
    Nachdem nun so langsam immer klarer wird, dass es mit zweierlei Geschlechtern nicht getan ist (m/w/d)- könnten wir dann nicht endlich wieder zum generischen Maskulinum zurückkehren?

    Dann bräuchte es den ganzen Quatsch mit Binnen-I oder Sternchen oder sonst was nicht.
    Wir hatten eine super Sprache - aber irgendwelche Bessermenschen haben sie "kaputtgegendert"...

    Entschuldigung ich wollte natürlich schreiben ... irgendwelche BessermenschInnen... sorry, wie konnte mir das nur passieren.
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