Kommunales

Nicht überall im Freistaat gibt es Biotonnen. (Foto: dpa)

23.11.2018

Wenn die Tonne kräftig stinkt

Der Umgang mit Biomüll sorgt regelmäßig für jede Menge Ärger

Wenn Familien ihren Abfall entsorgen müssen, ist es immer der unangenehmste Teil: der Biomüll. Besonders im Sommer ist die braune Tonne hinterm Haus dafür bekannt, mächtig zu müffeln und zu schimmeln. Dreckig ist es obendrein.

Doch egal ob Kartoffelschalen, die Pizzareste, Kaffeesatz oder die Streu vom Käfig der Meerschweinchen: Seit dem Jahr 2015 ist es in ganz Deutschland Pflicht, all diese Dinge nicht einfach so in der Tonne zu entsorgen, sondern sauber zwischen Rest- und Biomüll zu trennen.

Energie gewinnen


Hintergrund: Aus Biomüll lassen sich wertvoller Dünger, Humus und Energie gewinnen. Doch um die Biotonne gibt es in jüngster Zeit jede Menge Ärger. Die Staatszeitung hat die vier wichtigsten Problemfälle herausgegriffen.

Das erste Problem: Noch immer gibt es nicht flächendeckend im ganzen Freistaat Biotonnen. In vielen bayerischen Landkreisen können die Hauseigner selbst entscheiden, ob sie die Biotonne nutzen oder im eigenen Garten einen Komposthaufen anlegen. Vor allem in ländlichen Regionen ist das eine gern genutzte Alternative.

Zu aufwendig


Manchmal finden Kommunen aber auch das ganze Bioabfall-System zu aufwendig und zu teuer – wie beispielsweise der Landkreis Altötting. Landrat Erwin Schneider (CSU) will kein eigenes System für die Biomüll-Sammlung einführen. Man wisse aus Studien von Gutachtern, so heißt es aus dem Landratsamt, dass auch ohne ein eigenes Sammelsystem 85 Prozent der Bioabfälle im Landkreis nachhaltig verwertet, also kompostiert werden.

Im Restmüll seien pro Jahr noch höchstens acht Kilogramm Küchenabfälle pro Einwohner. Und die könnten gut in einem Müllheizkraftwerk verbrannt werden. Größere Mengen an Grüngut könnten die Einwohner auch selbst zu den gewerblichen Kompostieranlagen bringen.

Die Restmenge noch mit einer eigenen Biotonne erfassen zu wollen, sei „ökonomisch und ökologisch unsinnig“, ist man im Landratsamt überzeugt. Außerdem würden für die Bürger dadurch die Müllgebühren deutlich steigen.

Auf Gerichtsentscheidung warten


Weil sich der Landkreis Altötting weigerte, ein entsprechendes System zu schaffen, gab es einen Bescheid der Regierung von Oberbayern. Diesen wiederum focht die Kreisverwaltung an. Man warte jetzt noch auf die Entscheidung des Gerichts, sagte ein Sprecher des Landratsamts auf Nachfrage zur Staatszeitung.

Mitunter, und das ist der zweite Zankapfel, akzeptieren aber auch die Bürger nicht die Bescheide für die Biotonne. Dazu gab es kürzlich einen Fall vor dem Verwaltungsgericht Neustadt.

Im Sommer 2015 hatte der Landkreis einen Gebührenbescheid erlassen, rund 29 Euro für eine 80-Liter-Tonne. Das wollte sich die fünfköpfige Familie nicht gefallen lassen, zog vor Gericht – und verlor. Die Gebühr sei rechtmäßig und zulässig so das Gericht.

Vom sogenannten Anschlusszwang befreit sind lediglich Komplettverwerter. Diese müssen jedoch nachweisen, dass sie auf ihrem Grundstück eine „ordnungsgemäße und schadlose Verwertung aller Bioabfälle vornehmen. Dass jedoch, wie die Familie vorbrachte, sämtliche Speisereste an die Haustiere verfüttert würden, wollte ihnen das Gericht nicht glauben.

Problem Nummer drei: Biotonnen sind nicht generell ungefährlich für die Gesundheit – behauptet zumindest der Pneumologe Harald Morr vom Vorstand der Deutschen Lungenstiftung. Das gelte besonders bei hohen, die Gärungsprozesse fördernden Temperaturen.

Denn in verrottenden Obst und Gemüseabfällen, so der Mediziner, fänden Pilze einen fruchtbaren Nährboden. Asthmatiker, Allergiker, Aids-Patienten und Menschen mit einem transplantierten Organ müssten sich vor der Abluft in Acht nehmen und sollten den Biomüll lieber jemand anders wegbringen lassen, rät der Experte.

Mit Pilzen infiziert


Hintergrund: Pro Jahr infizieren sich in Deutschland etwa 5000 Menschen mit dem Pilz Aspergillus fumigatus. Das berichten Forscher des Klinikums der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.
Etwa jeder zweite Betroffene stirbt an der Infektion, die vor allem bei Patienten mit einem angegriffenen Immunsystem auftritt. Und zwischen den Sporen und der Biotonne bestehe ein Zusammenhang, so Hermann Einsele, der Direktor des Uniklinikums. Gesunde Menschen freilich müssten sich nicht fürchten.

Vierter und wichtigster Punkt: In der Biomülltonne landet oft nicht das, was hineingehört. Denn manche Zeitgenossen – und das ist vor allem ein Problem in größeren Städten – sind da sehr großzügig mit dem, was sie als „Biomüll“ einschätzen. Das betrifft vor allem Verpackungen. Dass die Deutschen Weltmeister im Müll-Trennen sind, gehört wohl zumindest in diesem Punkt ins Reich der Legenden.
 
Doch aus nicht verrottendem Plastik wird nun mal kein Kompost und auch nicht aus den beliebten Tüten aus biologisch abbaubarem Kunststoff. Diese meist im Supermarkt erhältlichen Tüten können in den städtischen Anlagen meist nicht vollständig abgebaut werden – weil die Verrottungszeit von zwölf Wochen dafür zu kurz ist. In München beispielsweise haben zuletzt die Mengen an Plastik in den Biomülltonnen sogar zugenommen.

Plastik raus


Dass den Einwohnern zu kommunizieren, hat sich der Abfallwirtschaftsbetrieb München (AWM) mit einer Kampagne auf die Fahnen geschrieben, das schlichte und griffige Motto lautet: „Plastik raus aus der Biotonne!“.

Man wolle, so Kommunalreferentin Kristina Frank, „ein stärkeres Müllbewusstsein schaffen“. Mit Plakaten, Anzeigen und Social-Media-Aktivitäten soll derzeit selbiges bei den Bürgern erzielt werden.
Außerdem achten seit Mitte Oktober städtische Qualitätskontrolleure verstärkt darauf, dass die Biotonnen richtig befüllt werden. Auch kostenlose kleine Eimer für die Vorsortierung werden verteilt. Diese sollten dann am besten mit altem Zeitungspapier oder Papierbeuteln ausgestopft werden.
 
Darüber hinaus engagiert sich der AWM gemeinsam mit anderen Städten und Verbänden auf europäischer Ebene dafür, die EU-Norm für die Abbaubarkeit von Bioplastik zu aktualisieren und an die Gegebenheiten einer Biobehandlungsanlage anzupassen.

Hintergrund: Aus den rund 20.000 Tonnen Bioabfällen, die in der Trockenfermentationsanlage des AWM jährlich verarbeitet werden, entstehen knapp 6000 Tonnen Kompost und 3000 Megawatt Strom.
(André Paul)

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