Kommunales

Allein vor die Medien zu treten kann im Katastrophenfall zum Stolperstein werden für einen Bürgermeister oder Landrat. (Foto: Getty)

09.05.2014

Wie sag ich's dem Bürger?

Viele Kommunalverwaltungen tun sich bei Problemfällen schwer im Umgang mit Medien und Öffentlichkeit.

Der größte Arbeitgeber am Ort geht pleite, der Kämmerer baut betrunken einen Unfall, im Kindergarten muss nach einer Lebensmittelvergiftung der Notarzt anrücken: In Kommunen können viele Katastrophen passieren. Worauf es dann ankommt, ist ein kompetentes Krisenmanagement. Ein Insider plaudert aus dem Nähkästchen.
Krisenkommunikation ist heute die weit im Vorfeld von Katastrophen oder Skandalen und Skandälchen liegende Analyse von Risiken, die (potentiell) auf einen zukommen könnten. Es geht also darum, Krisen vorzubeugen und damit schädigende Berichterstattung fernzuhalten, für den Fall eines Misserfolgs, in aller Ruhe und dabei ohne Hektik Strukturen vorzubereiten und Laufwege abzustecken, die im Ernstfall zur Verfügung stehen müssen.
Die beste Krise ist die, zu der es gar nicht erst kommt. Insoweit ist es Aufgabe der Pressearbeit, Gefahren auch im Rahmen der immer breiter werdenden Neigung zur Skandalisierung zu erkennen. Entsprechende „tools“ der Erkennung von Risiken stehen in der Literatur vielfach zur Verfügung.

Regelmäßig Krisenfälle üben


Steht man dann dennoch in einer leibhaftigen Krise, wäre es (publizistisch) das Übelste, müsste man bekennen, man habe sich nie mit einer Katastrophe befasst. Insoweit ist es unerlässlich, regelmäßig Katastrophen zu üben und dabei auch die ortsbekannten Redaktionen und Journalisten einzubeziehen. Die Wirkung ist: Im Ernstfall käme es ihnen nicht in den Sinn, zu hinterfragen, ob sich die Verwaltung für den Krisenfall gerüstet hat – sie waren ja dabei. Im Kern geht es darum, vertrauensvollen Umgang zu schaffen, Kapital anzusammeln, auf das im „Ernstfall“ rekurriert werden kann.
Da Krisen erfahrungsgemäß die Nerven strapazieren, ist es notwendig, sich in aller Ruhe die erforderlichen Strukturen und Laufwege zu überlegen und sie auch durchzuspielen. Dabei geht es hier (nur) um die Strukturen und Laufwege der Medienarbeit – nicht der Katastrophenschutzorganisationen als solche.
Erfahrungsgemäß ist in der Krisenmedienarbeit eine zentrale Frage: Wer ist im „Moment des Aufschlags“ einer Krise wie zu erreichen? Insoweit ist die Erstellung einer Kontaktliste mit dienstlichen wie privaten Telefon- und Mailkontakten erforderlich und muss regelmäßig aktualisiert werden: Dazu gehören alle leitenden Personen im Rathaus, aber auch die Chefs von Feuerwehr-, Polizei- und Rettungsdiensten, bis hin zu Übersetzern.
Geklärt sein sollten auch die Laufwege. Die Regelung bei der Stadt Ingolstadt sieht vor, dass der Pressesprecher in das Katastrophen-Führungsgremium einrückt, dass ein Stellvertreter sofort (an anderer Stelle, denn die räumliche Trennung ist wichtig) ein Pressezentrum eröffnet (Raum und Ausstattung sind fixiert und vorbereitet) und ein weiterer Stellvertreter sich an den „Schadensort“ begibt – sofern dieser eindeutig lokalisierbar ist.

Sofortige Präsenz zeigen


Wer eine solche Organisation der Laufwege plant, muss sich überlegen, wie er sie zur Not über mehrere Tage personell aufrecht erhält. Mit dieser Dreiteilung geht die Krisenmedienarbeit sozusagen in Stellung. Verbunden damit sind weitere Organisationsfragen: die „sofortige Präsenz“ durch ein Holding statement und die (ungelöste) Frage nach der Präsenz des Oberbürgermeisters beziehungsweise Landrats.
In der Literatur über Krisenkommunikation heißt es, wer in Krisenzeiten die Herrschaft über die öffentliche Meinung behalten wolle, habe ein Zeitfenster von maximal zwei Stunden, um sich zu Wort zu melden. Die Pressestelle muss binnen dieser Frist auf den Marktplatz, erklären, was Sache ist. Im Klartext: Es geht darum, ein Banner anzupflanzen und zu sagen: „Hier bei uns gibt es die Informationen. Hier ist die Zentrale.“ Im Endeffekt geht es um den Versuch, in der medialen Kakophonie – die einer Katastrophe folgt – im Spiel zu bleiben.
Klare Richtlinie für die
Auskunftskompetenz
Wie schwer das ist, haben die Analysen von Großkatastrophen gezeigt, die zu einer Explosion von Informationsquellen geführt haben. Dass es in Zeiten von Facebook – über das jeder seine persönliche Wahrnehmung dem Rest der Welt mitteilen kann – schwierig ist, die „Position der Verwaltung“ durchzusetzen, ist offensichtlich – aber trotzdem unverzichtbar. Es braucht eine klare Richtlinie der Auskunftskompetenz: Wer spricht offiziell für die Verwaltung?
Kommunale Führungspersönlichkeiten drängt es in Krisenfällen , Präsenz zu zeigen, verbunden mit Äußerungen ihrer Betroffenheit, ihres Mitgefühls. Die Lehre sagt: Oberbürgermeister oder Landräte sollten präsent (mit Gummistiefeln in abgesperrten Bereichen, aber für Journalisten physisch unerreichbar sein. Fast überall, wo Politiker dem Drang nachgegeben haben, waren sie bald darauf ihr Amt los – oder haben bei improvisierten Auftritten ihre Chancen für eine Wiederwahl vermasselt.
Beispiele gibt es viele: In Bad Reichenhall etwa, nach dem Einsturz der Eissporthalle mit mehreren Toten, stand der Bürgermeister allein einer Phalanx von Medien gegenüber, wie auf einer Arme-Sünder-Bank – statt umgeben von einem Tross von Mitarbeitern und Helfern. In Duisburg wiederum, nach der Katastrophe bei der Love-Parade, saßen drei Vertreter der Stadtverwaltung in einer aufgeheizten Pressekonferenz ohne Führung, keiner von ihnen ergriff energisch das Wort, wie es notwendig gewesen wäre.
Die optimale Sprachregelung lautet: „Der OB ist mit der Bewältigung der Krise beschäftigt – und zwar unablässig.“ Solange die Krise andauert, ist es die Aufgabe des Pressesprechers, Rede und Antwort zu stehen, Attacken auf sich zu ziehen. Die Rolle der Verwaltungsspitze ist es, vor die Medien zu treten, wenn sie sagen kann: „Wir haben die Krise gemeistert“.

Hotlines einrichten


Bei Krisenfällen ebenfalls noch zu organisieren sind Hotlines, also telefonische Auskunftsstellen für die Bürger – „ist mein Angehöriger unter den Opfern?“. Eingesetzt werden sollten inzwischen auch die sozialen Medien wie Facebook und Twitter. Die meisten größeren Städte haben inzwischen eigne Internetredaktionen eingerichtet.
Krisenkommunikation heutzutage hat sich banalisiert und spezialisiert zugleich. Banalisiert, weil sie nicht mehr als Sonderthema für Katastrophenfälle äußerst seltener Art betrachtet wird, sondern als fester Bestandteil professionell täglicher Medienarbeit. Das Hyperventilieren gewisser auf Skandalisierung angelegter Medien zwingen die Öffentlichkeitsarbeit, sich darauf einzustellen. Spezialisiert hat sich die Krisenkommunikation, weil die Pressestellen aufgrund der Veränderungen im Medienwesen (Personalisierung der Berichterstattung, Boulevardisierung), spezielle Vorkehrungen und Techniken der Begegnung entwickelt haben. (Gerd Treffer)

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