Kommunales

„Nicht füttern!“ mahnen die Mitarbeiter der städtischen Gesundheitsämter immer wieder. Viele Taubenfreunde interessiert das nicht. (Foto: dpa/Gerald Matzka)

22.01.2021

Zoff um Stadttauben

Die „Ratten der Lüfte“ vermehren sich in Bayerns Kommunen explosiv – was tun?

Die einen lieben und füttern sie, die anderen hassen und verjagen sie: Nur wenige Tiere sind so umstritten wie Tauben. In München nimmt ihre Zahl stetig zu – genauso wie die Beschwerden über sie. Doch der richtige Umgang mit den Stadttauben ist umstritten.

Der Mann, der gleich eine Ordnungswidrigkeit begehen wird, blickt sich suchend um hier am Orleansplatz in München, vis-à-vis des Ostbahnhofs. Nachdem er sich vergewissert hat, dass ihn niemand beobachtet, greift er in seine Tasche, zieht eine Papiertüte hervor und lässt ihren Inhalt auf den Boden rieseln. Nur Sekunden später segeln die ersten Tauben herbei; kurz darauf picken Aberdutzende von ihnen einträchtig nebeneinander. Denn in der Tüte des Mannes ist Taubenfutter gewesen, womit er gegen das Fütterungsverbot der Stadt München verstoßen hat. Dies kann mit bis zu 1000 Euro Geldbuße geahndet werden – wobei Ersttäter meist nur verwarnt würden, teilt eine Sprecherin des städtischen Referats für Gesundheit und Umwelt (RGU) mit. Ihr zufolge gab es im Vorjahr 75 Bußgeldverfahren gegen Taubenfütterer in München.

Die exakte Population ist nicht bekannt


„Hier ist jedoch anzumerken, dass wir fast täglich Beschwerden (meist per E-Mail) über illegale Taubenfütterungen erhalten. Deren Verfolgung und Ahndung scheitert jedoch oft daran, dass diese zu unbestimmt sind“, heißt es aus dem RGU.

Die Fronten verhärten derweil: Auf der einen Seite stehen die Taubenfreunde, die eine tiergerechte Behandlung der Vögel fordern, und von denen einige sogar gegen Fütterungsverbote verstoßen. Auf der anderen Seite befinden die Taubenfeinde, die vor allem über den Kot der Tiere klagen und zunehmend auf sogenannte Vergrämungsmittel setzen. Dazu zählen Spikes, Netze, Drähte und klebrige Gels, aber auch Ultraschall-Beschallung, Greifvögel und – in seltenen Fällen – der Abschuss.

Zwischen diesen beiden Polen stehen oftmals die Städte und Gemeinden, die mit steigenden Taubenpopulationen zurechtkommen und dabei die Wünsche beider Seiten berücksichtigen müssen. Dabei ist im Fall von München unbekannt, wie viele Tauben es überhaupt in der Stadt gibt. „Dazu liegen keine Daten vor“, heißt es aus dem RGU.

Zwölf Kilogramm Kot im Jahr produziert eine Taube


Wohl aber weiß man dort, dass Stadttauben und ihre Hinterlassenschaften für immer mehr Menschen zum Problem werden. Demnach haben sich die Anfragen und Beschwerden zu den Vögeln in den vergangenen fünf Jahren mehr als verdoppelt. „In diesem Zusammenhang wird dann auch nach Möglichkeiten der Vergrämung oder der Bekämpfung gefragt“, sagt die Sprecherin des RGU.

Wobei das eigentliche Problem auf diesem Wege kaum einmal gelöst, sondern zumeist nur verdrängt wird. Daher versucht die Stadt der stetig steigenden Taubenpopulation auf andere Weise Herr zu werden. Neben dem Fütterungsverbot setzt das Rathaus seit 2008 auf Taubenhäuser nach dem Augsburger Modell. Bedeutet: Zumeist auf Dächern und in der Nähe von Brennpunkten werden Taubenschläge errichtet, deren Bau und Betreuung die Stadt bezuschusst. Da sich Tauben zu 80 Prozent des Tages in den Häusern aufhalten, geht die Verschmutzung im Umkreis deutlich zurück.

Laut RGU produziert eine Stadttaube zehn bis zwölf Kilogramm Kot im Jahr. „Bei fünfzig Taubenpärchen verbleiben bis zu tausend Kilogramm Kot im Taubenhaus und landen nicht in der Umgebung.“ Überdies werden die Eier der Vögel in den Taubenhäusern gegen Attrappen ausgetauscht, um die Vermehrung zu begrenzen.

Spikes und Netze an städtischen Gebäuden


Dazu komme eine artgerechte Fütterung, die den Taubenkot weit weniger aggressiv für Böden und Bauwerke mache, sagt Kristina Berchtold vom Tierheim München. Die Einrichtung hat selbst drei Taubenhäuser auf ihrem Gelände im Osten der Stadt und befürwortet das Augsburger Modell als Maßnahme zur „nachhaltigen und tierschutzgerechten Regulierung von Stadttaubenpopulationen“. Jegliche Vergrämungsmethoden seien dagegen „grausam für die Tiere“, sagt Kristina Berchtold.

Daher fordert das Tierheim München ein flächendeckendes Netz an Taubenhäusern im Stadtgebiet. Aktuell jedoch ist die Kommune mit ihren 17 Taubenhäusern davon noch deutlich entfernt. Sogar aus Sicht des RGU wären in der Innenstadt drei bis fünf weitere Standorte nötig.

Allein die Suche gestaltet sich schwierig, was auch am schlechten Image der Tauben liegt. „Ratten der Lüfte - dieser Ruf hält sich hartnäckig“, sagt Kristina Berchtold vom Tierheim München. „Dabei sind Tauben keine größeren Krankheitsüberträger als alle anderen Vögel.“ Und auch vonseiten des RGU heißt es: „Das Risiko einer Ansteckung durch Stadttauben ist sehr gering.“

Und dennoch fühlen sich viele Menschen belästigt durch Stadttauben – nicht nur in München. Auch im Rathaus von Bayreuth gehen „stetig zunehmend Beschwerden aus der Bevölkerung ein“, teilt ein Sprecher mit. Dabei gibt es in der oberfränkischen Stadt seit Mitte der 1990er-Jahre ein Fütterungsverbot; dazu setze man auf Spikes und Netze an städtischen Gebäuden.

Bayreuth setzt auf Falken als natürliche Feinde


Im Weiteren ist dem Rathaussprecher zufolge derzeit „ein Konzept zur nachhaltigen Bestandsminderung in Arbeit“. Dieses sehe unter anderem die Ansiedlung von Falken sowie den Bau eines dritten Taubenhauses vor.

Schon deutlich weiter ist man da in Augsburg, wo einst das nach der Stadt benannte Konzept zur Taubenregulierung entwickelt wurde. Vorangegangen waren in den 1990er-Jahren Beschwerden verschiedener Tierschutzorganisationen über den Abschuss von Stadttauben, der seinerzeit auf konkrete Beschwerden und Anforderungen hin angewandt wurde.

In der Folge entstand das Augsburger Modell, dessen Ziel „nicht die Vernichtung, sondern der Erhalt einer gesunden, gepflegten Taubenpopulation“ ist, heißt es vonseiten des Tierschutzvereins Augsburg. Er betreut die inzwischen zwölf Taubenhäuser im Stadtgebiet, die nicht nur dazu geführt haben, dass die Taubenpopulation in Augsburg weitgehend konstant geblieben ist. Sondern auch die Verschmutzung durch Taubenkot ist merklich weniger geworden – und das, obwohl in der Stadt kein generelles Fütterungsverbot gilt.

Anders zeigt sich die Lage in München, wo die Tauben dennoch immer wieder Gegenstand hitziger Diskussionen sind und auch den Stadtrat regelmäßig beschäftigen. Zuletzt hat die CSU-Fraktion gar eine Massensterilisation von Stadttauben vorgeschlagen. Dies sei nicht nur günstiger als die Betreuung von Taubenschlägen, heißt es in dem Antrag, sondern auch „eine nachhaltige Lösung, die auch im Sinne der Tiere ist“.

Im Tierheim München hält man von dieser Idee jedoch wenig. „Eine Sterilisation ist ein ziemlich komplizierter Eingriff“, sagt Kristina Berchtold. „Der Aufwand wäre riesig, und wir können uns nicht vorstellen, dass das wirklich funktioniert.“ (Patrik Stäbler)

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