Kommunales

Gut zu tun bei vollen Becken: Bundesweit fehlen aktuell rund 3000 Schwimmmeister*innen, die Kommunen finden häufig keine. (Foto: dpa/Andreas Arnold)

09.08.2023

Zu wenig Geld – oder die falschen Badegäste?

Über die tiefer liegenden Gründe für die aktuellen Randale in den Freibädern herrscht bei den Branchenvertretungen Uneinigkeit

Ist die öffentliche Hand schuld, weil sie angeblich zu wenig Geld investiert hat – oder liegen die Ursachen für die wachsende Gewalt in den Freibädern eher bei Mentalität und kultureller Herkunft der Schläger? Die Gewerkschaft Verdi und der Bundesverband der Bademeister sehen das unterschiedlich.

„Die jüngsten Ereignisse in öffentlichen Bädern zeigen, was in den vergangenen Jahren versäumt wurde: Die Schwimmbäder wurden auf Kosten der Beschäftigten und der Badegäste zusammengespart. Jetzt, in sommerlichen Spitzenzeiten, treten die Probleme offen zutage“, klagt die Vizechefin der Gewerkschaft Verdi, Christine Behle.

Wie in den vergangenen Jahren hätten die betreibenden Kommunen bereits vor Saisonbeginn beklagt, dass sich zu wenig Personal für die Beaufsichtigung und das Betreiben der Freibäder finden lasse, erinnert die Gewerkschafterin. Zudem sei es schwierig, qualifiziertes Stammpersonal oder auch Auszubildende für den Beruf Schwimmmeister (formelle Bezeichnung: FAB – Fachangestellter für Bäderbetriebe) sowie Beschäftigte für andere Bereiche wie Service und Technik zu finden.

 

„Möchtegern-Playboys ohne jeden Anstand“


Behle fordert die Kommunen auf, mehr in die Beschäftigten und die Bäder zu investieren. Um Abhilfe zu schaffen, bedürfe es laut Behle „einer Ausbildungsoffensive für die Berufe des FAB und Meisters für Bäderbetriebe, einer attraktiven verantwortungs- und leistungsgerechten Bezahlung der Beschäftigten, familienfreundlicher Arbeitszeitmodelle sowie Weiterbildungsangeboten“. Aufgrund der derzeitigen Situation in zahlreichen Bädern sei auch die Vermittlung von Fähigkeiten zur Konfliktbewältigung und Selbstverteidigung beim Personal notwendig, ist die Verdi-Funktionärin überzeugt.

„Eine permanente Unterbesetzung in vielen Bereichen und die daraus resultierende Überforderung des vorhandenen Personals machen die Arbeit der Beschäftigten ebenso unattraktiv wie ein teilweise erheblicher Investitionsstau in den Bädern, verbunden mit vielfältigen technischen Problemen und steigenden Anforderungen an die Beschäftigten“, ergänzt Christine Behle. Das Resultat sei ein vergleichsweise hoher Krankenstand beim Stammpersonal von bis zu 16 Prozent in den Bädern einer Problemkommunen. Bundesweit sei ein Krankenstand von regelmäßig 9 Prozent und mehr die Regel.

Problematisch sei auch die Besetzung von freien Ausbildungsplätzen. So könnte beispielsweise in manchen Großstädten nur noch die Hälfte der angebotenen Ausbildungsplätze für FAB besetzt werden. In anderen Regionen wiederum blieben die angebotenen Ausbildungsplätze insgesamt seit Jahren mangels Bewerbenden häufig unbesetzt. Viele FAB würden nach der Ausbildung in die Verwaltung wechseln. Insgesamt würden die Bäder bundesweit mit einer hohen Fluktuation beim Personal kämpfen.

Ein weiteres Problem sei auch die Zunahme der Gewalt gegen die Beschäftigten wie auch in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes. Diese Gewaltbereitschaft würde sich nicht nur auf Ballungsräume begrenzen, vielmehr sei sie „ein flächendeckendes bundesweites Problem“. Vielerorts werde in den Bädern bereits seit einigen Jahren mit dem Einsatz von Wachdiensten gearbeitet.

 

Nicht nur auf Ballungsräume begrenzt



„Dennoch wäre es das falsche Signal, die Freibäder aus Sicherheitsgründen zu schließen. Vielmehr ist jetzt der richtige Zeitpunkt die deutsche Bäderlandschaft auf langfristig tragbare Fundamente zu stellen“, erklärt die Vizechefin der Dienstleistungsgewerkschaft. „Kurzfristig kann es zunächst nur um eine Schadensbegrenzung gehen. Aber mittel- bis langfristig bedarf es einer sinnvollen Strategie, den seit Jahren vernachlässigten öffentlichen Bädern wieder auf die Beine zu helfen.“

Christine Behle appellierte an die Kommunen, hier ihre Chancen zu sehen. „Mit öffentlichen Bädern erhöhen sie ihre regionale Attraktivität für den Wohnort, fördern den Vereinssport; sie können durch kluge Investitionen in die Zukunft ihren Beitrag zur Energiewende ebenso leisten wie einen Beitrag zur Sicherheit, indem sie das Schwimmenlernen fördern.“ Wichtig dafür seien langfristige, strategische und überregionale Planungen und Absprachen zur Verbesserung der Situation.
Peter Harzheim, der Chef des Bundesverbands der deutschen Schwimmmeister, fordert ein „härteres Durchgreifen bei Gewalt im Freibad – und mehr Wertschätzung für den Beruf des Bademeisters“. „Wir haben eine Kuscheljustiz. Wenn du Scheiße baust, dann musst du eine Strafe bekommen. Stattdessen werden Täter verhört, bekommen Bewährung und machen dann weiter“, sagt er zum Nachrichtenportal T-Online. „Dadurch werden unsere Leute verarscht.“


„Seine Leute“, also Bademeister, würden sich häufig nicht ernst genommen fühlen, schimpft Harzheim, der seit mehr als 40 Jahren in dem Beruf tätig ist. Nach Gewalttaten brauche es „statt leerer Worte spürbare Sanktionen für die Täter – und das schnell. Es kann nicht sein, dass Bademeister zum Beispiel bespuckt werden und die Täter davonkommen“, so Harzheim weiter. Bei den Tätern handele es sich laut seinen Angaben beinahe ausschließlich um junge Männer. „Diesen pubertierenden, halbgaren Möchtegern-Playboys sollte man den Hintern versohlen. Das ist kein Anstand mehr.“

Auch dass die Bäder kaputtgespart wurden, wie Verdi beanstandet, kann der Verbandschef so nicht bestätigen: „Die Kommunen haben in den vergangenen Jahren bei Securitypersonal und Ordnungskräften aufgestockt.“ Ausreichend sei das freilich noch nicht: Öffentliche Bäder müssten für die Städte und Gemeinden zur Pflichtaufgabe der Daseinsvorsorge werden, fordert Peter Harzheim. Die bisherige Freiwilligkeit sei ungenügend. (André Paul)

 

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