Kommunales

Kundschaft von morgen: Diese drei Mädchen entdeckten bei einer speziellen Kinder-Stadtführung im August des vergangenen Jahres das unterfränkische Städtchen Kitzingen. (Foto: Christ)

21.01.2022

Zum zweiten Mal hoffen aufs neue Jahr

Gästeführungen in bayerischen Städten brachen krisenbedingt um bis zu 70 Prozent ein

Normalerweise wird im Schnitt am Tag mindestens fünfmal durch Nürnberg geführt. Meist viel öfter. Krisenbedingt brachen die Führungen 2021 um 60 bis 70 Prozent ein. „Für Guides, die größtenteils von Führungen leben, ist das höchst problematisch“, sagt Mimi Hertlein, Vorständin des Vereins der Gästeführer Nürnbergs. Von den 120 Vereinsmitgliedern ist etwa die Hälfte betroffen, so Hertlein. Kein Gästeführer, der mit dem Jahr 2021 rundum zufrieden sein könnte – wobei viele Guides ein zweites Standbein haben. Auch Mimi Hertlein, die seit zehn Jahren durch Nürnberg führt, ist nicht ausschließlich auf das Guiding angewiesen.

Anders geht es einem ihrer Vereinskollegen, der sich nach sehr erfolgreichen Jahren 2019 entschlossen hatte, fortan komplett von Gästeführungen zu leben: „Für ihn ist die aktuelle Situation wirklich sehr bitter.“ Der Kollege hat Familie. Zwei Kinder müssen durchgebracht werden. Es gibt zwar Corona-Hilfen, auch für Gästeführer. Doch die kompensieren den regulären Verdienst nur zu einem geringen Teil.

Ein Thema gibt es, das Mimi Hertlein sehr am Herzen liegt: „Ich würde mir wünschen, dass wir wegkommen vom Massentourismus in den Städten hin zu mehr Nachhaltigkeit.“ Statt eilige Tagesgäste auf die Schnelle durch die City zu schleusen, würde sie sich gerne Zeit nehmen – um Ecken ihrer Kommune zu zeigen, die nicht Teil des touristischen Standardprogramms sind. Für das Jahr 2022 erhofft sich Hertlein, dass das Interesse an Städtereisen wieder wächst. Das Niveau vor der Krise werde wohl noch nicht erreicht: „Aber ich rechne mit einem Rückgang im Vergleich zu 2019 von vielleicht nur noch 30 Prozent.“

Weg vom Massentourismus, hin zu Nachhaltigkeit


In München war vor allem das letzte Quartal des Jahres 2021 für Gästeführer*innen höchst enttäuschend. „Seit Ende November befinden sich die Gästeführungen in einem Quasi-Lockdown, denn unter 2G-plus-Vorgaben sind nur wenigen Menschen die Reize einer Stadtführung vermittelbar“, sagt Georg Reichlmayr vom Münchner Gästeführerverein. Seit Wochen herrscht in München mehr oder weniger Stillstand: „Die Ankündigung weiterer Kontaktbeschränkungen auch für doppelt und dreifach Geimpfte bedeutet eine Verlängerung dieses Zustands auf unbestimmte Zeit.“ Den zweiten Corona-Winter finanziell zu überbrücken, sei ein großes Problem für Münchens Gästeführer.

Im unterfränkischen Ochsenfurt macht sich hingegen keine Untergangsstimmung breit. Auch wenn 2021 „sehr vorsichtig“ begonnen hat, so Katharina Felton, Leiterin der städtischen Tourismus-Information. Dafür seien die Sommermonate gut gelaufen: „Wir hielten hochwertige Audiosysteme bereit, um größtmögliche Sicherheit gewährleisten zu können.“ Gebucht wurde oft sehr kurzfristig: „Hoch im Kurs standen Führungen von einzelnen Gästen, die sich spontan einen Gästeführer gegönnt haben.“ Kurz vor Weihnachten wurden dann wieder mehrere von Busunternehmen gebuchte Gästeführungen im letzten Moment storniert.

In Ochsenfurt ist man in Sachen Guiding personell gut aufgestellt, berichtet Felton: „Wir können bis zu vier Gruppen zeitgleich führen.“ Aktuell sind 16 Gästeführer aktiv. Sechs davon bieten auch Führungen in Englisch an. Alle seien „hoch motiviert“, sich weiterzubilden und ihr Angebot auszuweiten. Die Fluktuation sei gering: „Gästeführer verlassen uns nur aufgrund des Alters oder wegen privater Umstände.“


Kommune bemüht sich trotz Krise um Nachwuchs


Auch in Corona-Zeiten bemüht sich die Stadt darum, weitere Guides zu gewinnen. Nach Ende der Corona-Krise, ist zu vermuten, werden die Menschen wieder reisen wollen. „Der Tourismus wird boomen und wir Gästeführer*innen werden viel zu tun bekommen“, prognostiziert Antje Hansen, die dem Würzburger Gästeführer-Verein vorsitzt. Sollten jedoch weitere Virusvarianten das Reisen einschränken, könnte den Gästeführern ein drittes schwieriges Jahr bevorstehen: „2021 war zwar besser für uns als 2020, aber weit entfernt vom Normalzustand.“ Erst Anfang Juni konnte die Gästeführung in die Saison starten. Es gab nur wenige Reisegruppen und kaum internationales Publikum: „Dafür ständig neue Verordnungen, Einschränkungen und etliche Stornierungen.“ Nun wird seit zwei Jahren überall im Freistaat das Online-Angebot ausgebaut.
Auch Würzburgs Gästeführer*innen bemühen sich um digitalen Ersatz, so Hansen: „Bei Online-Kongressen wurden zum Beispiel auch Online-Führungen angeboten.“ Durch Webinare des Bundesverbands der Gästeführer in Deutschland erhielten Würzburgs Guides entsprechende Impulse. „Digitale Angebote können für bestimmte Situationen und Gruppen auch jenseits einer Pandemie sinnvoll sein“, betont Antje Hansen mit Blick auf Personen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Letztlich werde eine Stadtführung jedoch erst durch direkte Kommunikation und Interaktion lebendig und authentisch.

Als Guide muss man ganz schön viel wissen. Und zwar nicht nur über die jeweilige Stadt. Weshalb sich Gästeführer*innen regelmäßig fortbilden. Krisenbedingt war auch dies laut Antje Hansen nicht im gewohnten Umfang möglich. Einige Vereinsmitglieder nehmen jedoch derzeit an einer EU-Zertifizierung teil. Dabei geht es um Sprechtraining und Atemtechnik, nonverbale Kommunikation und Körpersprache, Rechtsfragen und Konfliktmanagement sowie Führungstechniken in Bezug auf Personen mit besonderen Bedürfnissen. (Pat Crist)

 

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