Kommunales

Notstand und Verfall wohin man schaut: Laut der politischen Agenda der letzten Jahre müsste es den Kommunen in Deutschland immer bessern gehen – dummerweise ist das Gegenteil der Fall. (Foto: dpa)

09.01.2015

Zwischen Idee und Wirklichkeit

Bundespolitiker machten in den vergangenen Jahren den Kommunen viele Versprechungen – und enttäuschten meist

Der Philosoph Platon unterschied zwei Arten der Wirklichkeit: Wahr, so formulierte es der antike Denker, sei nur jene Wirklichkeit, die einer höher stehenden, guten und edlen Idee entspricht. Alles andere, meinte Platon, sei daneben zu vernachlässigen, eigentlich unwahr. Zwar wies ihn bereits sein Schüler Aristoteles darauf hin, dass dies in der praktischen Politik nicht funktionieren kann, trotzdem behauptet sich platonisches Denken bis heute – unter anderem in der unterschiedlichen Betrachtung der kommunalen Finanzlage. Zu Beginn des neuen (Haushalts)jahres lohnt es sich durchaus, das dieser Materie inne wohnende Dilemma auch mal philosophisch zu betrachten.
Platonisch gesprochen war beispielsweise vor zehn Jahren die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe eine gute Sache. Als Begründung dafür dient der nominelle Rückgang der Arbeitslosenzahl, eine gute und richtige Sache. Das wird die Bundesregierung nicht müde zu betonen. Doch gleichzeitig stieg seit 2004 der Anteil der Sozialausgaben an den kommunalen Haushalten – prozentual und in absoluten Beträgen. Es drängen sich mehr Menschen bei den Tafeln, mehr Kinder müssen durch Transferleistungen unterstützt werden.
Der Rückgang der Arbeitslosigkeit wiederum kann logischerweise ja nur bedeuten, dass mehr Menschen eine Arbeit gefunden haben. Ergo müssen die Firmen mehr Personal eingestellt haben, ergo erwirtschaften sie einen höheren Gewinn, ergo zahlen sie höhere Gewerbesteuer, ergo sollten die Kommunen also mehr Geld zur Verfügung haben. Bekanntlich „sprudeln“ – das Wort benutzen die schwarzen wie roten Koalitionäre in Berlin geradezu penetrant – die Steuereinannahmen. Doch fast überall – von einigen südbayerischen Gemeinden mal abgesehen – scheint das auf den Zustand der Stadtsäckel keinerlei positive Auswirkungen zu haben. Der Schuldenstand, „Kassenkredit“ genannt, steigt von Jahr zu Jahr, immer mehr Städte sind unfähig, einen genehmigungsfähigen Haushalt aufzustellen. Die Kommunen klagen, für die notwendigen Infrastrukturaufgaben immer weniger Geld zur Verfügung zu haben.

Marode Straßen, Brücken, Schulen,
Schwimmbäder und Turnhallen


Das kann sich der Bürger bei einem aufmerksamen Bummel durch den Ort leicht selbst bestätigen: Der Zustand der meisten Straßen, Brücke, Schwimmhallen und Schultoiletten ist heute definitiv schlechter als vor zehn Jahren.
Drittes Beispiel: Angesichts des wachsenden Zustroms an Flüchtlingen werden warnende Stimmen, dass sich der deutsche Sozialstaat daran verheben könnte, wahlweise als „Panikmache“ oder „Populismus“ abgekanzelt. Die Fürsorge für die Migranten, so muss man aus dieser Argumentation ableiten, ist also mit gutem Willen weitgehend problemlos zu bewältigen. Als Idee mag das moralisch richtig sein. Nur warum rufen die Vertreter der Städte und Landkreise immer verzweifelter nach deutlich mehr Geld, um ein Problem zu beheben, das ja eigentlich gar keines ist?
Lobenswert war auch die Idee, auf mehr Markt, auf Deregulierung und Wettbewerb zu setzen, dann würden die Cities gedeihen, hieß es. In der Wirklichkeit bestehen die Innenstädte inzwischen immer häufiger aus einer unästhetischen und drögen Filialen-Einheitsarchitektur, verbunden mit einem kontinuierlich wachsenden Leerstand. Dafür verschandeln gigantische Outlets und Center den einst idyllisch grünen Stadtrand.
Eine gute Idee ist es schlussendlich und vor allem, darauf zu setzen, dass die Gesellschaft humaner wird, Politiker werden nicht müde zu betonen, dass immer buntere Stadtgesellschaften immer toleranter zusammenlebten. Leider deckt sich damit nicht die Wirklichkeit der Polizeistatistik. Diese spricht vielmehr von einer steigenden Kriminalität, von wachsenden ethnischen und religiösen Konflikten, von einer Zunahme der so genannten Gatet Communities, wo sich Wohlhabende unter Ihresgleichen einigeln. (André Paul)

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