Kultur

Keine schattenspendenen Bäume, sondern vom Zahn der Zeit angenagte Steinskulpturen bilden die sogenannte Widderallee vor dem Amuntempel. (Foto: SMÄK)

04.08.2023

Abenteuer Archäologie

Das Staatliche Museum Ägyptischer Kunst in München führt zur Ausgrabungsstätte Naga im Sudan

Die Grabungsleitung war froh, angesichts der aktuellen gewalttätigen Unruhen ihr Team wieder sicher in München zu wissen: zurück aus dem Sudan, konkret aus Naga, dem nordöstlich der Hauptstadt Karthum gelegenen alten Reich von Meroë, das dort von 350 vor bis 350 nach Christus bestand. Von dort erzählt nun eine Ausstellung im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst in München.

Naga – die verschüttete Königsstadt heißt die Schau. Darin muss man nur auf Flugsesseln Platz nehmen, und schon leuchtet es auf: „Welcome to Sudan“ – nach einer virtuellen Reise von München über den ganzen Balkan und über Ägypten samt anschließender Fahrt im Jeep mit Christian Perzlmeier, dem Grabungsleiter in der „verschütteten Königsstadt“.
Seit 2013 ist man in einer der komplexesten archäologischen Anlagen des Sudans tätig, berichtet Museumsleiter Arnulf Schlüter. Das Ausgrabungsareal befindet sich in der riesigen Ebene unterhalb des Berges Dschebel Naqa (oder Naga). Dort befand sich um die Zeitenwende eine Nebenresidenz der Könige von Meroë (Meroë war die Hauptstadt des historischen Reiches von Kusch), die eine Brückenfunktion zwischen den Kulturen Afrikas und des Mittelmeerraums hatte: beeinflusst von Ägypten, den hellenistischen Reichen, Rom und geheimnisvollen afrikanischen Königreichen.

Bauten sprechen Bände

Die Einflüsse spiegeln sich in den Baustilen, was in der Ausstellung gut zu identifizieren ist: am Amuntempel, dem Löwentempel, der Hathorkapelle und der Allee von zwölf Widderfiguren. Das alles sieht man aber nur im Bild, denn im Souterrain des Museums gibt es kaum reale Exponate: Vielmehr ist dort ein virtuelles Eintauchen in die Welt der Archäolog*innen möglich, in eine gottverlassene Gegend, die verschüttete Stadt, deren Überreste zum Unesco-Weltkulturerbe erklärt wurden. Man hat zwar nur diese Impressionen auszustellen, tut dies aber besonders attraktiv: Die Besucherinnen und Besucher erleben das einen Quadratkilometer große Naga mithilfe von Texten, Geräuschen, Musik, in runden Panoramen aus perfekten Fotografien. Dort sieht man, wer in der Ausgrabungsstätte zugange ist: Perzlmeier und sein Münchner Team mit bis zu zwei Dutzend sudanesischen Mitarbeitern. Dann sieht man, wie die Löwenstatuetten, Säulenkapitelle und die wie zu wuscheligen Hunden vom Zahn der Zeit abgenagten Sphingen gesäubert und vermessen werden.

Nur 5 Prozent ausgegraben

Naga, die „Stadt der Löwen“, hatten einst zuerst der berühmte Fürst Pückler, dann der deutsche Ägyptologe Richard Lepsius zu erforschen begonnen. Sicher haben auch sie das faszinierende Panorama vor sich gehabt: herunter vom 80 Meter hohen Naga-Berg, der für die Gebäude der Stadt die Steine lieferte. Die Szenerie scheint unbelebt, aber Zeichnungen in einem der großen Panoramen zeigen, was da alles herumzuwuseln pflegt: Skorpione, die Sandrassel-otter, die Grabwespe und die Gottesanbeterin – mitunter wohl keine angenehme Gesellschaft in dieser Gegend, wo man unter Akazien Schatten sucht und Wasser aus einem 80 Meter tiefen Brunnen schöpfen muss.

Nur 5 Prozent dessen, was die Meroër-Nebenhauptstadt einst war, ist bislang ausgegraben – von dem, was durch einen feindlichen Angriff, eine Naturkatastrophe und auch den Raubbau an der Natur untergegangen ist, weil für die extensive Gewinnung von Gold und Eisen die Gegend rigoros abgeholzt wurde.

Es gibt wenige schriftliche Zeugnissen, deren meroitische Hieroglyphen man zwar lesen, aber nicht übersetzen kann. Dafür ist die Königin Amanishakheto zwischen den Göttern Amesemi und Apedemak höchst kunstfertig abgebildet. Man sieht, wie stark der ägyptische Einfluss auf Meroë und das Königreich Kusch war.

Schon König Ludwig I. von Bayern hat sich dafür interessiert und vom italienischen Schatzgräber Giuseppe Ferlini, der 1834 im Sudan war, die Hälfte seiner Schätze gekauft. Die ist heute Teil des Wittelsbacher Ausgleichsfonds und im Bestand des Ägyptischen Museums. Die andere Hälfte ging an König Friedrich Wilhelm von Preußen. Was heutzutage ausgegraben wird, geht an das Nationalmuseum des Sudans in Karthum.

Die von der Firma Die Werft (München) mit Bildern von Claus Rammel realisierte Ausstellung wagt zudem eine neue Art von historischer Vergegenwärtigung der Arbeit mit gespritztem Zement, mit dem die Mauern wieder hochgezogen werden. Mit den Bildern von Stützmauern, Jeeps und verbeulten Tankwagen wird die archäologische Arbeit greifbar. Und man erfährt auch, wo während Perzlmeiers Abwesenheit alles Wichtige verwahrt wird: im „Depothaus“, bei einem Brunnen, aus dem die vorbeiziehenden Nomaden ihr Wasser schöpfen und wo sie auf die sudanesische Vergangenheit aufpassen.

Diese Ausstellung wird zur faszinierenden Geschichtsstunde, in der sie alle vorkommen: die Ägypter, die Römer, auch die Bayern. Auch Aida und Radames könnte man erwähnen – aber das ist eine andere Geschichte, und die spielt in den Schluchten von Napata an der Grenze zu Ägypten. (Uwe Mitsching)

Information: Bis 22. Oktober. Staatliches Museum Ägyptischer Kunst, Gabelsbergerstraße 35, 80333 München.

 

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