Kultur

Luise Deborah Daberkow und Pascal Fligg als Elfenkönigspaar Oberon und Titania im Grusellook. (Foto: Arno Declair)

28.09.2018

Achterbahnfahrt durchs Unbewusste

„Ein Sommernachtstraum“ zum Saisonstart im Münchner Volkstheater: Ein turbulentes Feuerwerk der Ideen, doch der Funke springt nicht über

Anfangs ähnelt der Abend eher einem Porno-Hörspiel: Während es nichts zu sehen gibt, weil der rote Samtvorhang geschlossen ist, schallt heftiges Lustgestöhn aus den Lautsprechern. Dann aber quillt Nebel höchst symbolträchtig unter dem Vorhang hindurch. Denn wenn Triebe und Gefühle überschäumen, kann die Grenze zum Wahn leicht mal durchlässig werden. Das hat nicht erst Professor Freud rausgefunden, sondern lange vor ihm schon Shakespeare in seinem Sommernachtstraum zum Thema gemacht.
Um die Mischung aus Jux und Unheimlichkeit, die diese doppelbödige Komödie kennzeichnet, war es auch Nachwuchsregisseur Kieran Joel zu tun, der mit seiner Inszenierung des Shakespeare-Klassikers die neue Saison am Münchner Volkstheater eröffnete.
Und weil’s in dem Stück ja irgendwie auch um das Tier in uns geht, bietet Joels kühn gekürzte und umgestellte Fassung quasi ein herrliches Affentheater in Tudor-Kostümen: Zettel, Squenz und Flaut, die Handwerker voll unerwiderter Liebe zur Schauspielerei, turnen mit überschminkten Gesichtern, schrillen Perücken sowie in Strumpf- und Pluderhosen auf einem Gerüst herum oder auch schon mal durchs Publikum.
Max Wagner als Puck ist dann der eigentliche Spielmacher des Abends. Halb Conférencier, halb Zauberkünstler, überzeugt er gerade in jenen ironischen Momenten, wenn er die edlen Shakespeareverse wie ein routinierter Ansager runterleiert. Getreu dem Prinzip „Schein statt Sein“ trägt er bei jedem Auftritt einen anderen supereleganten Anzug, nur die Blumen, die er in der Hand hält, sind immer die gleichen: weiße Rosen aus Athen natürlich, denn in einem Wald nahe dieser Stadt spielt das Stück über zwei junge Liebespaare, die eine komisch-albtraumhafte Achterbahnfahrt durchs Wahnreich des Unbewussten erleben.

Uncoole Klamotten

Um zu zeigen, wie austauschbar das Objekt der Begierde ist, sehen diese vier Liebenden völlig gleich aus. Sie alle tragen identische Hawaii-Hemden, absolut uncoole Ossi-Jeans und zudem noch Mireille-Matthieu-Perücken.
Wenn’s sein muss, pustet Puck aber schon mal mit einem Laubbläser seinen Chef, den Elfenkönig Oberon, samt dessen Gattin Titania von der Bühne. Diese beiden Gestalten in Badelatschen sind wirklich eine Grusel-Truppe zum Davonlaufen: Er, gespielt vom äußerlich nicht wiederzuerkennenden Pascal Fligg, sieht aus wie ein Neandertaler-Lustmolch in versifften langen Unterhosen (Feinripp). Sie erscheint bei Luise Deborah Daberkow als schlammgeborene Venus-Schlampe mit Strohperücke, zerrissenem Flatterkleidchen und mächtig viel Holz vor der Hütte.
Wie überhaupt der Clou des Abends die Ausstattung ist, für die Belle Santos verantwortlich zeichnet. Passend zur irrwitzigen Kostümierung hat sie eine Tingeltangel-Palastruine in den Mittelgrund der Bühne gestellt: Die Säulen sind umgestürzt, die Farbe blättert von den Wänden, und davor dürfen die Akteure herumberserkern, dass das Korkgranulat nur so davonstiebt, das den Boden bedeckt.
Aber obwohl auch der Regisseur nicht weniger gute Ideen hatte, obwohl die Schauspieler sich ins Zeug legen – es klappt nicht. Hier machen alle alles richtig, und doch will der Funke nicht überspringen. Es ist wie verhext, das kunstvoll arrangierte Feuerwerk zündet nicht. Das ist das eigentlich Unheimliche an diesem Abend. (Alexander Altmann)

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