Kultur

Erfolgreich in einer Männerdomäne: Oksana Lyniv hat es als Dirigentin bis ans Pult der Bayerischen Staatsoper geschafft.

11.09.2015

Auf Türöffner kommt es an

Weibliche Dirigenten sind noch immer selten – Oksana Lyniv erzählt, wie sie es geschafft hat

Lucia di Lammermoor, Fledermaus, Albert Herring wird sie in der beginnenden Spielzeit an der Bayerischen Staatsoper dirigieren. Da sind ihre Festspielaufführungen, die Ferien zuhause in der Ukraine und in der Nähe von Lviv, dem alten Lemberg, schon wieder Vergangenheit. Oder solche Kritikerträume, dass sie eigentlich doch auch die Nachfolgerin von GMD Kirill Petrenko werden könnte, wenn der zu den Berliner Philharmonikern wechselt. Im Moment aber ist Oksana Lyniv die „musikalische Assistentin des Generalmusikdirektors“. Oksana Lyniv, 1978 im ukrainischen Brody geboren, ist derzeit die erstaunlichste junge Dirigentin (zumindest in Bayern).
Wie hat sie – bzw. „frau“ es ans Dirigentenpult geschafft? Hierzulande gibt es gerade mal (oder immerhin?) vier fest angestellte Dirigentinnen: In Coburg, Augsburg, Landshut und Hof. Nürnberg, Regensburg und Würzburg melden Fehlanzeige. An der Bayerischen Staatsoper in München werden zwei Dirigentinnen ältere Produktionen gastweise übernehmen.
Oksana Lyniv, die zunächst viel in der Ukraine (Odessa, Lemberg) gearbeitet hat, aber auch noch ein paar Jahre Aufbau- und Meisterklassenstudium in Dresden draufgesattelt hat, wusste von Anfang an, dass das ein sehr schwerer Beruf ist, den sie sich da ausgesucht hat. „Aber man weiß ja noch nicht, wie dann alles kommt.“ Besonders müssen einem die Menschen über den Weg laufen, die die Türen öffnen: „von der Studentenbank zum Dirigentenpult“. Denn erst dort kann man beweisen, „dass man für diesen Beruf überhaupt der oder die Richtige ist.“

Tiefe Seele, starker Wille

In ihrem Fall war das Kirill Petrenko: Der wusste, dass Oksana Lyniv in Bamberg den dritten Preis beim Gustav-Mahler-Wettbewerb gewonnen hatte und Jonathan Notts Assistentin war. Letztlich aber hat er „nur mein Bewerbungsvideo gesehen“. Und sie hat bei den Gesprächen dann in München „hinter seiner Freundlichkeit und Bescheidenheit die unglaublich tiefe Seele gespürt, den starken Willen, das Bedürfnis, sich ganz dem Beruf zu widmen.“ Und spätestens da hat sie beschlossen, dass sie das auch will: „Wenn man sich fürs Dirigieren entschieden hat, muss man alles dafür machen!“ Auch wenn man verheiratet ist (mit einem ukrainischen Tenor) und vielleicht Familie möchte.
Was sich so zielstrebig anhört, widerspricht nicht Oksana Lynivs Bekenntnis: „Ich habe kein festes Ziel im Sinne eines Postens an irgendeinem Theater. Ich will nur die besten Stücke an großen Häusern und mit hervorragenden Sängern dirigieren. Denn am glücklichsten fühle ich mich in der Musik.“
Einen kämpferisch feministischen Zug hat dieses Bekenntnis überhaupt nicht, Oksana Lyniv will der Welt nicht beweisen, dass sie es auch als Frau schafft – aber sie will „keine Kompromisse schließen“. Nicht viele Frauen hätten die Geduld dazu und wollten andere Lebensbereiche ausklammern, wenn sie in dieser Männerdomäne erfolgreich sein wollen. Allein schon der Gedanke, dass die „Männer-Mafia“ sie vom Dirigentenpult wegdrängeln wolle, würde bei ihr wie eine Bremse wirken.
Eine besondere weibliche Art zu dirigieren oder mit einem Orchester umzugehen, gebe es sowieso nicht: „Jeder hat seine eigene Ausstrahlung, sein Temperament, seine Technik.“ Und von den Orchestern, mit denen sie bisher gearbeitet hat, habe sie nie gehört, dass die lieber einen Mann am Pult gehabt hätten. Die Aussage eines berühmten finnischen Dirigierprofessors: „Frauen sollen besser nur Frauenmusik dirigieren – sowas wie Debussy“, kann sie höchstens als Anekdote werten.
Dass Oksana Lyniv es bis ans Pult der Staatsoper geschafft hat, könnte ein bisschen Signalwirkung haben: „Ich unterhalte mich viel mit Dirigentinnen und gebe Tipps, kommuniziere meinen Weg“ – auch wenn damals beim Studium in Dresden nur zwei Frauen neben zehn Männern auf der „Studentenbank“ saßen.
Mit ihrem Chef Kirill Petrenko ist „der kleine Unterschied“ sowieso kein Thema. Diskussionen gibt es nur bei und um Proben: „Er will auch meine Sicht auf die Partitur wissen, und manchmal richtet er sich sogar danach.“

Renommierte Angebote

Wenn man unter dem berühmten Petrenko arbeitet, interessieren sich auch andere Orchester für die Frau am Pult: Die Münchner Symphoniker haben ihr ein Konzert in der neuen Saison anvertraut, mit Alexander Liebreichs Münchner Kammerorchester ist sie in Verhandlungen. Am liebsten würde sie (neben Mozart, Schumann, Brahms, Sibelius, Skrjabin) auch Mahlers Fünfte wieder machen – wie damals in Bamberg.
Eine sehr spannende Entdeckung war für sie die BR-Einspielung des ukrainischen Schostakowitsch-Zeitgenossen Boris Ljatoschynsky. Was Oksana Lyniv aber besonders beschäftigt, das ist ein Mozart-Festival zuhause in Lemberg. Dessen Konzept folgt nicht dem üblichen Schema, sondern bringt gleich drei Mozart-Generationen: mit Leopold, Wolfgang Amadeus und dessen Sohn Franz Xaver Wolfgang (1791 bis 1844), der lange Zeit in Lemberg gewirkt hat (auch als Chordirektor). Davon versucht Oksana Lyniv derzeit in der alten und neuen Heimat das Publikum und Sponsoren zu begeistern. Die Opernfestspiele in Odessa, wo sie in diesem Monat dirigiert, zeigen: Die Opernhäuser in der Ukraine haben zwar immer weniger Geld, aber versuchen weiterhin künstlerisch aktiv zu sein: „Weil sonst der Pessimismus noch mehr zunimmt.“ Und die Frau am Pult ist mit dabei. (Uwe Mitsching)

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