Kultur

Geradezu in Gold getaucht tritt hier Ariadne (Theodora Varga) auf, ihr zur Seite der Perückenmacher (Benedikt Eder). (Foto: Marie Liebig)

29.09.2023

Aufgebrezelte Barockoper

In Joan Anton Rechis Regensburger Neuinszenierung der „Ariadne auf Naxos“ dominieren Jux und Tollerei

Die Katastrophenmeldung kommt vom Haushofmeister: „Die Tanzmaskerade wird weder als Vorspiel noch als Nachspiel, sondern mit dem Trauerstück Ariadne gleichzeitig aufgeführt.“ Donnernder Paukenschlag im Orchester, Verzweiflung des jungen Komponisten, routinierte Reaktion der Commedia-dell’Arte-Truppe. Und bei der Regensburger Neuinszenierung von Ariadne auf Naxos (Richard Strauss/Hugo von Hofmannsthal) für den andorranischen Regisseur Joan Anton Rechi der Freibrief für ein komödiantisch aufgepepptes „Vorspiel“ sowieso, aber auch für eine boulevardesk aufgebrezelte Barockoper. Tür auf, Tür zu: Der Boulevard triumphiert mit fünf Türen im pralinenrosafarbenen Bühnenbild von Gabriel Insignares Caballero. Dort spielt der Wirbel vor der Aufführung und auch die Oper selbst, die sich ein neureicher Wiener für sein Haustheater bestellt hat – hinterher noch mit Feuerwerk.

Hugo von Hofmannsthal, seit den sensationellen Erfolgen von Elektra und Der Rosenkavalier der Lieblingslibrettist von Richard Strauss, wollte sich eigentlich Molières Der Bürger als Edelmann zum Vorbild nehmen, Strauss hatte auch schon Musik dazu komponiert – die Uraufführung fand 1912 in Stuttgart statt. Aber dann hat man sich als Ergänzung dieses herrliche Vorspiel ausgedacht: als Persiflage auf den Kunstbetrieb im Kaiserreich und mit dem Komponisten im Mittelpunkt samt seinem „ernsten und bedeutenden Werk“. Uraufgeführt wurde diese zweite Version 1916 in Wien.

Viele Anzüglichkeiten

Die Figur des Komponisten hat Joan Anton Rechi mehr denn je in den Mittelpunkt gestellt, lässt ihn die Aufführung dieses Zwitters von Opera seria und Opera buffa begleiten, bis der Vorhang fällt. Und auch noch darüber hinaus, denn die Apotheose zwischen Ariadne und Bacchus spielt am Ende an der Rampe. Da hat der Komponist schon sein Honorar in der Hosentasche und bleibt, von der Tänzerin Zerbinetta aufs Höchste verwirrt, vor dem Vorhang zurück nach diesem Künstlerdrama mit viel Slapstick und Anzüglichkeiten unterm Reifrock der Opernheroine und unter dem Tischtuch des Koloraturenwunders.

Joan Anton Rechi hat sich eine Unmenge zur Fassung von 1916 einfallen lassen, hat viel wirklich Witziges auch totgeritten. Das endet dann auf Unterhosenniveau. Und warum Vorspiel und Oper im Dritten Reich spielen sollen, erfährt man auch nicht. Vieles ist da zu viel gewitzelt.

Auch ohne das würde man das Interesse am Schicksal des jungen Komponisten nicht verlieren. Denn der wird scheinbar von einem jungen Countertenor gesungen – ist das eine Variante gegenüber der Mezzosopran-Hosenrolle seit der Uraufführung? Der Besetzungszettel klärt den Irrtum auf: Es ist Patrizia Häusermann, die eine verblüffende Figurenmischung von Strauss und Mahler ist. Sie spielt und singt sehr schön und bewegend, bleibt von allen Boulevardwitzen verschont in all ihrer Verzweiflung – respektive der des Komponisten. Dafür weiß Zerbinetta, die Dompteurin der Komödiantentruppe, das Rezept: Kirsten Labonte ist dafür auch in ihrem bravourösen Koloraturfeuerwerk eine fabelhafte Besetzung.

Für sie und das Ensemble hat sich der Regisseur eine weitere Ariadne-Variante ausgedacht: Rechi hat spanische Wurzeln und deshalb aus der italienischen Commedia-dell’Arte-Compagnie eine spanische Flamenco-Truppe gemacht. Das ist nicht besonders zwingend und gibt auch tänzerisch wenig her, genauso wenig wie die Meerjungfrauen mit ihren langen Hummerspießen. Theodora Varga aber ist in ihrer Titelrolle als Ariadne eine in Goldlamé aufgedonnerte Barock-Primadonna mit hohen Tönen. Hany Abdelzaher als Bacchus ist ein vokal und darstellerisch stämmiger Heldentenor, der sich mehr für das nächste Schiff interessiert als für die Verwirrungen seiner Partnerin.

Über all dem gerät die musikalische Realisierung durch das Philharmonische Orchester unter dem neuen Generalmusikdirektor Stefan Veselka eher aus dem Fokus. Vielleicht auch besser so, weil die subtilen solistischen Anforderungen an das Orchester nicht völlig perfekt erfüllt werden. Jux und Tollerei dominieren, und die lauthalsen Bravi passen irgendwie zur Aufführung. (Uwe Mitsching)

 

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