Kultur

Pittoresk thront Burg Prunn auf einem Felsen hoch über dem Ludwig-Donau-Main-Kanal. (Foto: BSV)

25.05.2012

Augenzwinkernd korrigieren

Eine Ausstellung auf der frisch rausgeputzten Burg Prunn führt Ritteralltag und Nibleungenlied zusammen

Im fahlen Licht schimmern Eisenringe an der Decke. Ein schweres Gewicht zeichnet sich schemenhaft ab. Ein Ritter in voller Montur lauert bedrohlich in der Ecke. Knacks – bricht er da schon irgendeinem armen Kerl die Knochen? Gottseidank, der finstere Geselle steht noch immer starr und stumm! Vielleicht war es Zähneklappern in diesem kühlen Gewölbe oder der Widerhall vom Werkeln der Arbeiter nebenan – wenn hier jemals Knochen gekracht haben, dann waren es die eines Tieres: Dort, wo der Rundgang durch Burg Prunn beginnt war nämlich einst der Vorratsraum. Und dort hingen keine gemarterten Delinquenten von der Decke sondern Schlachtvieh, Schinken und Würste. Das steinerne Gewicht streckte nicht, sondern beschwerte ein Krautfass. Aber was tut dann die Ritterrüstung dort?
Uta Piereth lacht: „Die Besucher kommen mit Klischeevorstellungen hierher, und wollen einfach glauben, dass dieses düstere Gemäuer die Folterkammer gewesen ist“. Ja, muss man das auch noch befeuern? „Die Bilder im Kopf zeigen doch, dass die Leute sich prinzipiell dafür interessieren“, wirbt die Museumsexpertin um Nachsicht und enthüllt das Rätsel um die Ritterrüstung, eine romantisierende Adaption aus dem 19. Jahrhundert. Sie hat nämlich ein höchst modernes Innenleben: Auf einem integrierten Bildschirm flimmert ein fetter Schinken.

Den Zauber wahren

Es ist ein geradezu verschmitzter Kniff, der sich als museumspädagogischer Leitgedanke durch die Sonderausstellung Ritter, Recken, edle Frauen in der frisch rausgeputzten Burg Prunn zieht: Man will die Besucher (vor allem die kleinen) nicht verprellen, ihrer Phantasie berauben und auch den Ort selbst nicht entzaubern – „wir versuchen aber, falsche Vorstellungen sanft und mit manchem Augenzwinkern zu korrigieren“, erklärt die Fachfrau von der Bayerischen Schlösserverwaltung.
Das betrifft schon das Bild der Raubritterburg an sich: Die war Burg Prunn, die ab 1037 urkundlich greifbar ist, nämlich trotz ihrer bizarren Lage auf einem Felsen hoch über der Altmühl (heute Ludwig-Donau-Main-Kanal) nie: Ihre Besitzer im Mittelalter waren Adelige, die sich gut mit ihren Nachbarn, mit Herzog und Kaiser standen, die als Diplomaten gefragt waren, die ihre Wohnburg nicht gegen Brandschatzung verteidigen oder vor dem Schleifen bewahren mussten. Der Ausstellungsrundgang endet deshalb auch im „Büro“, wo ein Einnahmen- und Ausgabenbuch aufgeschlagen ist: Die Prunner Herren saßen sicher öfter mit gespitzten Federkiel am Schreibtisch und kümmerten sich um die Verwaltung der einträglichen Liegenschaften, als dass sie auf Schlachtfeldern Schwerter schwangen.
Langweilige Büromenschen also? Nein, das „Zeug“ zum „richtigen“ Ritter besaßen sie auch, Turnierkämpfe gehörten zum adeligen Savoir Vivre. Und die Fraunberger, denen ab dem frühen 14. Jahrhundert Prunn gehörte, waren sogar als ausgesprochen turnierfreudig bekannt.

Wackerer Kämpfer

Hans VII. soll in 27 Turnieren 364 Gegner besiegt haben, ohne selbst jemals verwundet worden zu sein – steht jedenfalls auf einer der Ausstellungs-Textfahnen, der eine zweite zur Seite gehängt ist: „er stach dem rîchen Hiunen / daz sper durch sînen lîp“, liest man dort. Die Zeile stammt aus einer Turnierszene im Nibelungenlied.
Diese Zusammenschau zeigt eine weitere Grundidee der Präsentation: Wie zwei Stränge lässt man Szenen aus der Burgwirklichkeit mit Episoden aus dem Nibelungenlied an Knotenpunkten aufeinandertreffen. Wo Kriemhilds Falkentraum zitiert wird, geht es auch um das Prunner Jagdgebiet, wo die Burgherren ebenfalls das Recht auf die Falkenjagd, die „Königsdisziplin“, inne hatten. In der Küche über dem Torhaus erfährt man, dass im Mittelalter gebackenes Hirn in Eierteig und ein Mus aus Mandeln und Fischen an der festtäglichen Tafel gereicht wurden – was Herz und Magen begehrten, wurde auch beim Festmahl am Hof des Hunnenkönigs Etzel aufgetischt, wie das Nibelungenlied erzählt: „man gab in volleclîchen / trinken unde maz./ alles des si gerten, des wa man în bereit.“
Es ist eine überfällige Marketingstrategie: Viel zu unauffällig warb man bislang mit Burg Prunn (seit 1946 in Obhut der Bayerischen Schlösserverwaltung) als Fundort des mit seiner floralen Oranamentik besonders schön verzierten Nibelungenliedes, der sogenannten Handschrift D (oder Prunner Codex). Dass es dazu nicht einmal des Originals bedarf, demonstriert die Ausstellung souverän. Freilich ist zur Sonderschau das Original für zwei Monate aus der Bayerischen Staatsbibliothek in München entliehen; dort wird es seit seiner Entdeckung um 1567 aufbewahrt, weil der Finder und Geschichtsschreiber Wiguleus Hund es Herzog Albrecht V. geschenkt hat.
Während aus konservatorischer Rücksicht jedoch nur eine Doppelseite des bildlosen) Originals zu sehen sein wird, entblättern die Ausstellungsmacher auf illustrierten Textfahnen die wichtigsten Kernaussagen des Nibelungenliedes – über die Interpretation als Comic, freuen sich vielleicht nicht nur die jungen Besucher. Die „Germanistik light“ (Uta Piereth) verortet das Heldengedicht in der Literaturgeschichte, eine „Autopsie der Handschrift“ sucht eine Annäherung an die Frage, wer denn überhaupt diese Version D in Auftrag gegeben haben könnte.

Die Sache mit dem Nagel

Als einzige vollständige Version des mittelalterlichen Epos, ist der Prunner Codex mit dem Untertitel „Daz ist daz buoch Chreimhilden“ versehen. Kriemhild als Hauptfigur – das lieferte den Ausstellungsmachern ein wichtiges Motiv: Wer waren die Frauen von Prunn? Sie waren gebildet, hatten die Hosen an wenn ihre Männer nicht anwesend waren, agierten als ebenso gute Verwalterinnen und waren mitunter selbst lehensfähig. Und sie haben im Ausstellungsrundgang das letzte Wort: Vielleicht spiegelte sich ja im Wesenszug der einen oder anderen adeligen Dame auch eine Kriemhild oder Brünhilde wieder, die mal als holder Engel oder als arge Teufelin charakterisiert werden.
Ob es auch eine resolute Prunnerin gab, die es Brünhilde gleichtat und ihren Gatten in der Hochzeitsnacht am Nagel zappeln ließ? Ein schwerer Eisennagel ragt jedenfalls aus der Wand der Kemenate – darüber die Klage aus dem Nibelungenlied samt zeitgemäßer Übersetzung: „Verdammt, dachte der Krieger, sollte ich nun getötet werden von einem Mädchen, dann werden alle Frauen nachher immer aufmüpfiger werde gegen ihren Mann, obwohl sie so etwas vorher nie getan hätten.“ (Karin Dütsch) Siehe auch die Mai-Ausgabe von Unser Bayern.

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