Kultur

Der Körper als ein Feld für Zeichen verbindet die Kunst des Alten Ägypten mit der Kunst und der "Kleiderkunst" von Hans Matthäus Bachmayer und Susanne Wiebe. (Foto: Wiebe)

12.01.2018

Catwalk durchs Museum

Hans Matthäus Bachmayers Kunst und Susanne Wiebes "Kleiderkunst" finden in der Ägyptischen Staatssammlung ihre ideale Korrespondenz

Mit „Treffpunkt Altägypten“ wirbt das Staatliche Museum Ägyptischer Kunst in München. Jetzt trifft sich dort auf Tuchfühlung, was man vorher verheimlicht hatte. Denn die Künstler des letzten Jahrhunderts haben in der Regel nur ungern zugegeben, wo ihre wichtigsten Wurzeln lagen: Picasso hat immer vehement geleugnet, dass sein Kubismus etwas mit afrikanischer Kunst zu tun habe. Auch die moderne Münchner Kunstgeschichte ist voll von solchen unausgeschöpften Bezügen: zur Südsee, zum Sudan und dem ganzen Orient obendrein. Und jetzt begegnen sich Hans Matthäus Bachmayer anlässlich seines 5. Todestags und die „Kunst und Form“ des alten Ägypten. Die Direktorin des Museums, Sylvia Schoske, hat da gut behaupten: „Die Ägypter waren immer die ersten.“ Gleich nach dem Entrée geht es links zu ihren Statuen, rechts zur Bachmayer-Retrospektive, die nicht nur Farbe in den Grabbunker aus Beton bringt, sondern bei der Vernissage und Finissage in zwei Wochen auch Leben und Bewegung. Damit greift der fulminant inszenierte Eröffnungsabend die kunstgeschichtliche Behauptung des Museums auf: „Die Stand- und Schreitfigur ist auf eine virtuelle Bewegung angelegt.“ Und weil Bachmayer zu Lebzeiten zusammen mit  seiner Mode-Muse und Inspiratorin Susanne Wiebe ihre Bewegung immer wieder an Mode und Modelle geknüpft haben, heißt die derzeitige Schau: „Der andere Laufsteg“. Dabei handelt es sich um eine Kooperation von Bachmayer und Wiebe aus dem Jahre 1996, damals inszeniert und ausgestellt im Stadtmuseum, München. Gezeigt wird ein Grenzgang zwischen Kunst und Mode: expressive, großformatige Bildwände, Skulpturen, Photographien und Schaufensterpuppen mit ihren künstlerisch gestalteten Kleidern.  Tatsächlich ist das nicht der übliche catwalk mitten durch die Modewelt, sondern Bachmayers Kunst paradiert die Wände entlang. Was man eben noch beim Rundgang im Museum gelernt hatte von der ägyptischen Kunst, das sieht man jetzt in Bachmayers Farben, statuarischen Formen und Wiebes beweglichen Modeschöpfungen. Die muss sich von ihrer Schulfreundin Schoske obendrein sagen lassen: „Dein  Plissée wurde schon von den alten Ägyptern erfunden.“ Und sie könnte die Reihe noch fortsetzen (etwa mit der Bemalung von Körpern) und resumiert: „Unser Betonkubus steht in wunderbarer Übereinstimmung mit den modernen Objekten.“ Als Grenzgang und Laufsteg zwischen Kunst und Mode beeindrucken die expressiven, großformatigen Bildwände, die neben den ägyptischen Einflüssen besonders die Eindrücke dokumentieren, die Bachmayer und Wiebe einst aus der Südsee mitgebracht hatten. Dazu seine Skulpturen, Schaukästen aus alten Apfelsinenkästen („Kosmisches Zusammensein“), Fotografien und hoch unter der Museumsdecke die Schaufensterpuppen aus Papiermaché. Das alles verbindet die internationalen Kulturen der Vergangenheit mit dem künstlerischen Anspruch, den Bachmayer schon mit seinen Anfängen bei der Münchner Künstlergruppe SPUR einzulösen begann. 1962 bis 1967 war der Mitbegründer und Mitglied von Vereinigungen wie „WIR“ oder „GEFLECHT“, stand in enger Beziehung zum legendären Münchner Galeristen Otto van de Loo, und seine Schriften hießen nicht umsonst „Bilderwelten – Denkbilder“ oder seine Projekte zusammen mit Susanne Wiebe „Cult, Mythos, Maske“ (2002 im Gasteig). Auch bei ihm sieht man in dieser Laufsteg-Ausstellung das Anarchische, das ihn mit SPUR-Kollegen wie Heimrad Prem verband. Die Spuren, denen man in diesen Jahren schon zu folgen begann (etwa auch mit dem SPUR-Schiff), werden jetzt wieder aufgenommen, ergänzt und ergeben durch die altägyptische Umgebung neue Kenntnisse: „Der Körper ist ein Feld der Zeichen“, nennt Wiebes derzeitiger Lebensgefährte und Historiker Karsten Temme das in seiner Einführung. Und die Models und Tänzerinnen führen dann nicht nur Mode und Wiebe-Plissées vor, sondern auch solche „body codes“. Für die nächsten vierzehn Tage bleibt ohne Bewegung ganz wesentlich eine Welt des Statuarischen als Eindruck: „In den Statuen bleibt das Wesen des Dargestellten auf ewig greifbar“, heißt es in einem Museumstext. Das verfolgt man in anderen Museen der Gruppe SPUR (etwa mit Lothar Fischers „Enigma-Variationen“) bis hin zur Monumentalität von Bachmayers codierten Körpern. Und fragt sich: Warum geht das Ganze nicht auf Tournee durch die anderen ägyptischen Museen und Modezentren Europas? Dem Ruf Münchens als Kunst- und Modestadt würde es gut tun: eine starke Inspiration über Kontinente und Jahrtausende hinweg. (Uwe Mitsching) Information: Bis 26. Januar. Eine zweite Performance wird es am Donnerstag, 25. Januar um 19 Uhr geben. Staatliches Museum Ägyptischer Kunst, Gabelsbergerstr. 35, 80333 München. Di. 10–20 Uhr, Mi. bis So. 10–18 Uhr. Abbildung: Eines der Werke von Hans Matthäus Bachmayer, die derzeit in der Ägyptischen Staatssammlung ausgestellt sind. (Foto: Wiebe)

http://www.smaek.de

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