Kultur

Christiane Brammer vor ihrem Hofspielhaus. (Foto: Hofspielhaus)

26.02.2016

Da bin i dahoam

Christiane Brammers Theater mitten in der Münchner Altstadt greift die Tradition der Brettlbühnen auf

Wenn’s Klavier verrückt werden muss, kommt schon mal der Portier vom Hotel nebenan, auch die starken Männer von der Bar gegenüber gehen unkompliziert zur Hand. Die Schlüsselübergabe an Kollegen geht auch bei den Nachbarn reibungslos über die Bühne. Es scheint, als ob das Hofspielhaus in diesem Münchner Altstadtviertel eine alteingesessene Institution wäre – schon des Namens wegen.
Aber der hat allenfalls vage assoziiert etwas mit dem Alten Hof und dem früheren Wittelsbachischen Machtzentrum zu tun. Vor allem ist das Hofspielhaus keine vom Landesfürsten beziehungsweise seinen heutigen politischen Nachfolgern unterhaltene Einrichtung: Es heißt so, weil es halt einen kleinen Innenhof hat, der sich bei passendem Wetter in eine wunderbar lauschige Hinterhofbühne verwandelt. Und Christiane Brammer betreibt es alleine.

Hommage an Karl Valentin

Alteingesessen: Nach erst vier Monaten Spielbetrieb verbietet sich eigentlich ein solches Label – und trotzdem trifft es irgendwie zu. Denn das Hofspielhaus erinnert an die moderne Variante der Münchner Brettlbühnen, auf denen einst Ikonen wie Karl Valentin und Bally Prell zuhause waren – Hommagen an die beiden stehen auf dem Programm des kleinen Theaters; interessanterweise heißt es einmal „Karl Valentin ist Jazz“, das andere Mal hört man bislang unbekannte Lieder von Valentin selbst. Die Mehrzahl solcher Volksbühnen waren früher vor allem in den Vorstädten zu finden – das Hofspielhaus dagegen besucht man mitten im Herzen Münchens: Parallel zur Luxus-shopping-Meile Maximilianstraße in der engen Falkenturmstraße – ums eine Eck die Alte Münze mit dem Denkmalamt, ums andere Eck das Platzl mit dem Hofbräuhaus, Alfons Schubecks Gourmetbetrieben – und der Erinnerung an das legendäre „Platzl“, an die prominenteste Innenstadtbühne für Volkskünstler; der Weiß Ferdl war einer ihrer Direktoren. Seit 1999 gibt es das Platzl nicht mehr – das Hofspielhaus kommt da gerade recht. Eine Auslastungsquote von gut 85 Prozent in so kurzer Zeit spricht für sich. Gespielt wird an drei Tagen, je nach Produktion passen zwischen 55 und 80 Zuschauer ins Theater.

Für die Münchner

Das Viertel, historisch als Graggenau bezeichnet, ist Hotspot der Touristenströme. „Ja, natürlich nehme ich auch Bezug zu den Touristen, zum Beispiel mit André Hartmanns Rikscha Sightseeing“, sagt Christiane Brammer, „ich mache aber explizit kein Programm für sie. Ich möchte lieber, dass die Münchner selbst wieder in ihre Altstadt kommen. Für mich geht es gerade hier um die Identität zwischen Bewohnern und Stadt.“ Und so chauffiert André Hartmann in seiner Bühnen-Rikscha keine Touristen, sondern Lokalprominenz durch die Straßen – denn auch die kann von dem singenden Kabarettisten noch einiges über ihre Stadt (und sich selbst) erfahren. Und wenn’s um die Identität mit dem Viertel geht – dann darf einer nicht fehlen: der legendäre Münchner im Himmel, der Dienstmann Alois Hingerl, der ja um die Ecke im Hofbräuhaus seinen Stammtisch hatte. Alois Lüngerl heißt sein Nachfahre – und der sinniert nun im Hofspielhaus übers Münchner Sein an sich nach: Ein Revueformat, das Christiane Brammer fest im Programm verankern will. Identität mit dem Ort ist für die Theaterchefin auch eine Frage der Sprache – nicht nur, aber vor allem auch des Bayerischen: „Theater fördert und bewahrt Sprache.“ Das Programm bietet viele Gelegenheiten, sich vor allem musikalisch-kabarettistisch im Bayerischen weiterzubilden. Beispielhaft sei zitiert, was Thomas Darchinger zu seinem Programm A gmade Wiesn verrät: „Bayerische Lieblings-G’schicht’n, vo Wuiderern, Dablecktn, Damischn, Hejdn, Pfarrer, Pritschn, da Liab, einfache Leid, Großkopferte, die Berg, da Schdod, und so.“ Freilich kann man sich an manchem Abend im Hofspielhaus musikalischer Gaudi wegschmeißen – Christiane Brammer erinnert sich lachend an den Abend mit dem Duo Zwoa Bier: „Nur junge Leid! Da ging’s rund“; sie schaut verschmitzt-vielsagend die leeren Bierkastenstapel entlang. Auch das Oktoberfest gehört zu München: Logischerweise stellt das Hofspielhaus ein Wiesn-Special ins Programm.

Leise Töne

Aber es gibt auch die leisen Programmteile zum stillen Zuhören, Nachdenken, Mitdiskutieren und Tiefschürfen über Sein und Nichtsein: Beim „Salon“ etwa, oder bei Theaterlesungen, wie jener mit Michael Mendl und Jürgen Kirchhoff, in der es um Èric Emmanuel Schmitts Drama Enigma geht (13./14. März). Verhalten und berührend ist der Humor in Die Schwestern: In der Eigenproduktion geht es um das Tabuthema Tod, aufbereitet für Kinder ab sieben Jahren. Christiane Brammer macht keinen Hehl daraus: In ihrem Theater bestimmt sie was gespielt wird. Dass sie von Anfang an Prominenz auf die kleine Kellerbühne locken konnte, liegt an ihren Insider-Kontakten: Als Schauspielerin hat sie auf vielen Bühnen gestanden und in vielen Fernsehfilmen (unter anderem Büro, Büro, Tator, Dahoam is Dahoam) mitgespielt, seit dem Jahr 2000 wirkt sie beim Sonntagabend-Dauerbrenner des Südwestdeutschen Rundfunks, bei Die Fallers mit; gemeinsam mit Susanne Roher hat sie viel Kabarett auf der Bühne und in einer Show des Bayerischen Rundfunks gemacht. Sie ist ausgebildete Sängerin (Leopold-Mozart-Konservatorium, Augsburg und Richard-Strauss-Konservatorium, München) – kein Wunder, dass in ihrem Theater die Musik eine große Rolle spielt. „Ich bin ein Trüffelschwein“, outet sie sich – sie sucht gezielt, was zu ihrer identitätsstiftenden Arbeit an der auratischen Beziehung Theater–Ort–Programm passt. Zum Beispiel eine neue, kleine aber feine Fledermaus: „Die kennt jeder, aber in München gibt es keine wirklich gute.“ Sie scheut sich nicht, es mit den großen Häusern aufzunehmen – auch nicht beim Umwerben von Festspielgästen: „Man muss nicht nach Salzburg fahren“, sagt sie kess – das Hofspielhaus veranstaltet heuer nämlich „Pfingstfestspielchen“ mit Schumann, Mozart und Wagner.

„Operette für alle“

Und wenn das nur einen Katzensprung entfernte Nationaltheater wieder „Oper für alle“ anbietet, dann möchte Christiane Brammer künftig mit einer „Operette für alle“ antworten – als kostenlose Freilichtinszenierung mitten auf dem Platzl, vielleicht auch noch auf dem Münchner St. Anna-Platz. Aufführen würde sie Herr Blumenkohl gibt sich die Ehre: Die Operette von Jacques Offenbach feiert in einer Version von Dominik Wilgenbus am 21. April Premiere im Hofspielhaus. Damit sie „Operette für alle“ open air bringen kann, braucht sie Unterstützer. Sie ist froh, den örtlichen Bezirksausschuss hinter sich zu wissen, der die beiden Eigenproduktionen Sphinx von Giesing und Schwestern unterstützt hat. Jetzt sucht sie noch Sponsoren – vielleicht machen die Platzl-Anrainer mit bei diesem großen Straßenfest? „Und wenn ich es heuer nicht schaffe, dann eben nächstes Jahr.“

Realistische Unternehmerin

Wenn Christiane Brammer das sagt, dann nicht trotzig – es klingt eher, als würde sie an ihrer Strategie, der richtigen Vorgehensweise weiterfeilen. Denn bei aller Leidenschaft fürs Theater: Verträumte Illusionen sind nicht ihre Sache. Sie hat schon eine Bruchlandung hinter sich: Nicht einmal ein halbes Jahr hatte ihr gemeinsam mit Susanne Rohrer betriebenes Schwabinger Theater „Rohrer & Brammer“ Bestand: Probleme mit der zwischen Theater und Gastronomie aufgeteilten Betriebsführung waren Schuld. Die Küche im Hofspielhaus betreibt sie jetzt in Eigenregie – mit Teilkonzession: Es gibt kalte Küche, es darf höchstens aufgewärmt werden.

Zugute kommt der Theaterunternehmerin, dass sie selbst in Sachen Coaching bewandert und durchführend unterwegs ist. Solche Seminare finden auch im Hofspielhaus statt, das man mieten kann – für Firmenevents genauso wie für Hochzeiten und Geburtstage oder sonstige Feiern. Genehmigt sind im Hofspielhaus nämlich wöchentlich nur drei Tage Theaterbetrieb – „mehr würden wir auch gar nicht schaffen“, sagt Christiane Brammer und schiebt nach: „Von irgendwas muss ich die Kunst ja auch finanzieren.“ (Karin Dütsch) Information: Hofspielhaus, Falkenturmstraße 8, 80331 München. www.hofspielhaus.de Abbildungen (Fotos: Hofspielhaus):
120 Quadratmeter werden intensiv bespielt: Auch der Innenhof wird zur kleinen Bühnen. Der Hauptraum ist im Keller. Wenn dort alles vollbesetzt ist, können Gäste auch im Foyer über Bildschirm die Vorstellung verfolgen.

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