Kultur

Tulpen haben es Reinhard Voigt besonders angetan. Hier der Ausschnitt aus einem gerasterten Bild (1969) - die Gesamtansicht ebenso wie eine Vorzeichnung sehen Sie im Beitrag.

05.01.2024

Der Rastermann feiert Farben

Neues Museum Nürnberg feiert den deutschen Pixelpionier Reinhard Voigt, der mehr denn je up to date ist

Reinhard Voigt hat sein Glück in den Pixeln gefunden. „Durch das Raster bin ich vom Motiv befreit. Was zählt, ist die Farbe und deren Schönheit“, schwärmt der 1940 in Berlin geborene Maler, dem das Neue Museum in Nürnberg als Pionier der Pixelkunst eine große Retrospektive unter dem wohlklingenden Titel Pure Pleasure (Reine Freude) widmet.
Bevor die binäre Welt der Computer damit beginnen konnte, unser visuelles Dasein in Kästchen zu verpacken, entdeckte Voigt schon die Faszination der kleinteiligen Bildrasterungen. Abgeschaut hat er sich dieses Verfahren bei den Stickereien seiner Mutter.

Zum Höhepunkt der revoltierenden Blumenkinder hat Voigt noch während des Kunststudiums im Jahr 1968 sein erstes gerastertes Bild gemalt. Das schlichte Porträt wird dabei wie in der seinerzeit angesagten Schwarz-Weiß-Fotografie noch von Grautönen dominiert. Aber schon drei Jahre später verschrieb sich Voigt unter der bezeichnenden Überschrift „Sehnsucht nach Luxus, Ruhe und Wollust“ neben dem Raster endgültig der Farbe. Fortan „verpixelte“ der Pionier alle Werke. Sogar Pflanzen sind vor dem Rasterkünstler nicht mehr sicher. Besonders Tulpen und Narzissen hat der Maler in dem gewohnten Muster als Fest von Farbe und Schönheit auf die Leinwand gebracht. Die Ausstellung erinnert daran, dass in den 1970er-Jahren Blumenbilder – ganz gleich ob mit oder ohne Pixel – vom Establishment schlicht und einfach als Provokation verstanden wurden. Stattdessen verlangte der Zeitgeist nach Kritik der bestehenden Gesellschaft. Da hatten bunte Blumen trotz aller Verfremdung keine Chance.

Moden nicht mitgemacht

Dankenswerterweise sollte sich der Pixelpionier von den Moden nicht beeindrucken lassen. Das Neue Museum zeigt, mit welcher Hingabe Voigt selbst Verpackungen von Tulpenzwiebeln mit dem Pinsel in Rasterbilder übertrug. Auch ländliche Trachten und idyllische Landschaften hat er während eines Schweizaufenthalts derart aufgerastert. Die traditionellen Stoffe, Bordüren und Broschen der Dirndl leuchten vor dem paradiesischen Bergpanorama wie blauer Enzian unterhalb des eisernen Gipfelkreuzes. In der künstlerischen Begegnung zwischen Landliebe und Rastermuster in den großformatigen Trachtenbildern erklimmt das Pixelprinzip die allerhöchsten Höhen und hinterlässt beim heutigen Betrachter neben den zahlreichen Frauenbildern mit durchaus humorvollen Titeln wie Verstand ist wichtiger als Busen wohl die allergrößte Wirkung.

Voigt muss seinerzeit ein wenig unter der Randposition abseits des (kunst-)politischen Mainstreams gelitten haben. 1978 zog er zuerst nach New York und später nach Los Angeles – erst 2017 entschloss er sich zur Rückkehr nach Berlin. Dort wird der kritische Kommentator der deutschen Nachkriegskunst für seine fast schon sture Konzentration auf die einmal entwickelte Rasteridee inzwischen als Wiederentdeckung gefeiert.

Zwischen Verfremdung und Fokussierung war das Pixelraster für Voigt längst zum Erfolgsmuster geworden, als in dem Computerland USA die ersten „Work Paintings“ tatsächlich am Rechner entstanden sind, die sinnigerweise den Auftakt der genauso umfassenden wie unbedingt sehenswerten Werkschau mit rund 60 Gemälden und ebenso vielen Zeichnungen und Fotografien bilden. Mit Unbeirrbarkeit hat der 1940 in Berlin geborene Maler über 50 Jahre hinweg ein einzigartiges Œuvre geschaffen, in dem Farbe und Schönheit gefeiert werden, was sich im Ausstellungstitel Pure Pleasure spiegeln soll. (Nikolas Pelke)

Information: Bis 17. März. Neues Museum – Staatliches Museum für Kunst und Design, Klarissenplatz, 90402 Nürnberg.

Abbildungen: Tulpen haben es Reinhard Voigt besonders angetan. Links eine Studie, rechts das entsprechende gerasterte Bild (1969).

 

 

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