Kultur

Die BR-Symphoniker begeisterten das Publikum in der Hamburger Elbphilharmonie. (Foto: dpa/Daniel Reinhardt)

12.05.2022

Dieser Klang umarmt die Welt

Die BR-Symphoniker auf Europa-Tour in der Hamburger Elphi

Vielleicht sollte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) einfach Konzerte bayerischer Orchester in Top-Sälen des internationalen Musiklebens besuchen. Er würde dann nicht wie im Fall des geplanten Konzerthauses in München für eine „Denkpause“ plädieren oder wie in Nürnberg solche Pläne ganz stoppen. Nun gibt es an der Elbphilharmonie in Hamburg immer wieder Kritik, aber: Die großen Sinfonie-Orchester im Freistaat wären glücklich, sie zu haben.

Für Sinfonik ist dieser Saal nämlich einfach großartig. Das zeigte sich jetzt wieder beim Gastspiel des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks (BR) im Rahmen ihrer großen Europa-Tournee. Es ist die erste große Tour des Klangkörpers nach den Corona-Lockdowns. Unter der Leitung von Yannick Nézet-Séguin haben sie in der Hansestadt ein Programm gegeben, das bestens zum akustischen Profil der „Elphi“ passt.

Nach dem Vers le silence von 2021 des Dänen Hans Abrahamsen, einer der erfolgreichsten Komponisten der Gegenwart, folgten das 1833/35 entstandene Klavierkonzert op. 7 von Clara Schumann sowie die Dritte Sinfonie von Johannes Brahms. Schon bei Abrahamsen haben die BR-Symphoniker einmal mehr eine schlicht stupende Kultiviertheit in der Klanggestaltung bewiesen. Aus den dynamischen Kontrastierungen ließen die Musiker*innen genauso eine Ereignisdichte erwachsen wie im Changieren zwischen Reduktion und Großflächigem. Gleichzeitig wurden die von Abrahamsen überaus kunstvoll entworfenen Kombinationen der Klangfarben höchst transparent durchleuchtet und seziert. Schon hier war ein Klangkörper zu erleben, wie man ihn daheim in München in dieser Form nicht zu Gehör bekommt.

Erstklassiker Sinfonik-Saal

Dafür war die bisherige Gasteig-Philharmonie akustisch viel zu plump. Die neue Isarphilharmonie ist und bleibt wiederum das, was sie sein soll: ein Interimsgebäude zur Überbrückung der Gasteig-Sanierung, nicht mehr und nicht weniger. Einen erstklassigen Sinfonik-Saal wie die Hamburger „Elphi“ gibt es bislang in München nicht. Dass die Elphi auch ganz reduziert und kammermusikalisch kann, das offenbarte sich in der Romanze des Mittelsatzes aus dem Klavierkonzert von Schumann mit Solistin Beatrice Rana.

Hier gestalten Solo-Klavier und ein Solo-Cello einen berückend schönen Gesang ohne Worte, gegen Ende untermalt mit Pauken-Wirbeln in unheilvollem Piano. In dieser Romanze verarbeitet die Gattin von Robert Schumann eine heimliche Liebe. Wie die 1993 geborene Italienerin Rana sowie BR-Solocellist Giorgi Kharadze diese Romanze ausgestaltet haben, das war ein Großereignis.

Ob die Agogik oder der gesangliche Lyrismus: Das war nicht mehr von dieser Welt. Auch in den Ecksätzen präsentierte sich Rana als ausgesprochen feine Klangflüsterin. Sie riskiert viel, wagt das stillste Piano, um mit überragender Anschlagstechnik reinste Poesie zu kreieren. Die Romanze aber mit Kharadze war ein Höhepunkt des Hamburger Gastspiels. Der Georgier ist neu beim BR und im Probejahr. Das Orchester täte sehr gut daran, diesen Cellisten zu engagieren.

Mit der Dritten von Brahms hat auch Nézet-Séguin sehr viel riskiert. Immerhin stammt Brahms aus Hamburg. Die Hansestadt hat ein ganz besonderes Verhältnis zu diesem Komponisten. Noch dazu hat der Kanadier alle vier Sätze attacca ohne Unterbrechung spielen lassen. Schon dadurch wurde die sinfonische Dramaturgie als Narrativ umso deutlicher herausgestellt. Gleichzeitig wurden wohltuend fließende Tempi gewählt.

In der „Elphi“ hat das wunderbar funktioniert. Die Hamburger*innen waren buchstäblich aus dem Häuschen. „Ein Orchester mit einer solchen Klangkultur hätten wir auch gerne in Hamburg“, sagte ein Konzertbesucher. Der Klang der BR-Symphoniker schmeichelt und umarmt die Welt. Dieses Orchester ist der schönste, wertvollste, beste Botschafter des Freistaats. Auch das sollte die Politik in Bayern endlich begreifen.
(Marco Frei)

 

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