Kultur

Seile und Bambusstangen verbindet Tobias Madison zu Aufstiegs- und Entspannungshilfen. (Foto: Kunstverein)

05.11.2010

Ein Spaß-Pirat entert das Schiff des Kapitalismus

Tobias Madison im Münchner Kunstverein

Um Tobias Madison (25) reißen sich derzeit Galerien und Ausstellungshäuser. Und dass dieser Schweizer Nachwuchskünstler hoch hinaus will, sieht man schon an den vielen Kletterseilen, die in seiner Ausstellung Do It To Do It im Münchner Kunstverein herumhängen. Allerdings sind diese Kraxel-Hilfen mit dicken grünen Bambusstäben zu rätselhaften, herrlich zwecklosen „Skulpturen“ verbunden. Aber auch zu Schaukeln und Hängematten, die von der hohen Decke baumeln und vom Besucher benützt werden dürfen.
Die schräge Mischung aus Bora-Bora-Exotik und Alpinisten-Accessoires ist ein ironischer Reflex auf die globalisierte Freizeitgesellschaft. Dazu passen die riesigen Ikebana-Gestecke, die in gestylten, dunkelblau verglasten Stelen-Vitrinen aufragen und die dekorative Unverbindlichkeit von Hotellobbys rund um den Globus zitieren.

Talentierter Manager

Dass sich der Newcomer in solchen Edel-Absteigen auskennt, beweist eine Aktion, deren professionelle Planung das Management-Talent des Künstlers verrät: Zusammen mit Kollegen ist er von der Schweiz aus per Auto nach Hongkong gefahren – und hat dabei in den Radisson-Hotels, in denen er übernachtete, deren Werbebanner mit dem Slogan „Yes, I can“ geklaut. Um sie, wie ein Exponat beweist, zuhause mit den Logo-Farben der Firmen (vom Turnschuh- bis zum Softdrinkhersteller) zu bemalen, die seine kleptomanische Kunstreise gesponsert haben.
Solche Projekte, die Kunst mit Fundraising kurzschließen, zeigen, dass Madisons Arbeit letztlich eine modernisierte Neuauflage der „Sozialen Skulptur“ von Beuys & Co. ist, die seit den 70ern im Fundus der Avantgarde vor sich hinstaubt (und im digitalen Zeitalter anheimelnd analog wirkt). Madison, der sich als Sponsoren-Werber und Organisator von Künstler-Netzwerken versteht, will dabei nicht so sehr Kunst machen als vielmehr die „Bedingung der Möglichkeit“ von Kunst thematisieren: Er führt die Markt- und Marketing-Mechanismen des Kunstbetriebes vor, indem er sie demonstrativ, aber augenzwinkernd bedient.
Insofern kann Entwarnung gegeben werden: Der tut nichts, der will nur spielen! Dieser junge Schweizer gehört zu jenen Spaß-Piraten, die das Schiff des Kapitalismus nicht versenken, sondern nur entern und selbst auch ein bisschen am Steuerrad drehen möchten. Um anschließend auf der Schaukel aus Bambus und Kletterseilen zu entspannen. (Alexander Altmann)

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