Kultur

Gartenimpression mit Schädel (Ausschnitt) – ein Ölgemälde Kaminiskis von 1977. (Foto: Kunstsammlungen der Stadt Augsburg)

27.07.2018

Faible für Morbides

Im Augsburger Glaspalast sind die rätselhaften Bildwelten von Max Kaminski ausgestellt

Mit Max Kaminski und der Retrospektive, die ihm die Kunstsammlungen der Stadt Augsburg im H2 Zentrum für Gegenwart im Glaspalast eingerichtet haben, gilt es, einen überraschend vielschichtigen Maler zu entdecken. Die Ausstellung in der lichtdurchfluteten Halle ist ein veritables Geburtstagsgeschenk: Kaminski feierte dieses Jahr seinen 80. Geburtstag. Seit über 15 Jahren lebt er in Augsburg.
Gezeigt werden rund 120 Gemälde sowie eine stattliche Zahl grafischer Arbeiten und damit erstmals Exponate aus allen Werkphasen von den 1960er-Jahren bis zu den 2011 entstandenen großen Zyklen zu den Fresken im Augsburger Schaezlerpalais.

Impulsiv und produktiv

Krankheitsbedingt hat sich der im ostpreußischen Königsberg geborene Maler, der 1981 dem Ruf als Professor an die Staatliche Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe folgte, seit einigen Jahren aus dem künstlerischen Schaffensprozess und der Öffentlichkeit zurückgezogen. In seinem Werk jedoch offenbart sich seine impulsive Persönlichkeit, seine Leidenschaft – auch die für Reisen – und seine auffallende Produktivität. Im Laufe eines bewegten Künstlerlebens sind mehr als 1100 Gemälde und über 30 000 Zeichnungen und Skizzen entstanden, die in dem von seinem Meisterschüler Sebastian Lübeck betreuten Depot in Augsburg aufbewahrt werden.
Der Künstler verbrachte täglich bis zu zehn Stunden im Atelier. Das Malen war ihm ein existenzielles Bedürfnis: „Ich bin ein Arbeiter. Ohne Disziplin keine gute Kunst.“ Diesen Satz soll er oftmals geäußert haben. Ebenso bekannt ist eine weitere Devise, mit der Kaminski bewusst die Deutung seiner Kunst dem Betrachter überließ: „Ein Maler redet nicht, er arbeitet!“
Nicht von ungefähr bezeichnet Christof Trepesch, Leiter der Kunstsammlungen und Museen Augsburg, Max Kaminski als „Maler, wie er im Buche steht“ und rühmt die immense Könnerschaft, mit der Kaminski die Bandbreite der Techniken beherrscht. Die Fachwelt zählt ihn zu den gegenständlichen Neoexpressionisten.
Diese Schublade allerdings hilft dem Betrachter zunächst wenig, um die rätselhaften, teils theatralisch, teils apokalyptisch beleuchteten und symbolreichen Bildwelten, die häufig literarisch oder mythologisch inspiriert sind, zu entschlüsseln. Auffallend sind intensive Farben und die Affinität zum Gegenständlichen, die parallel mit sich auflösenden Formen und Fragmenten existiert.
Schnell wird Kaminskis Faible für Morbides, für Vergänglichkeit, Verfall und Vernichtung, für den mehrfach in Titeln auftauchenden Danse macabre als eine Grundkonstante in seinem Œuvre deutlich. So entstand Mitte der 1970er-Jahre ein Zyklus mit Grabmalen. Zeitgleich schien er fasziniert von einem im Verwesungsprozess stehenden Kuhschädel, den er zum Beispiel im Bild Schädel auf Kreuz II zu einer Art Memento-mori-Stillleben arrangierte.
Immer wieder sieht man eine Feuersbrunst im Hintergrund vor Stadtansichten: Vieles lässt sich womöglich biografisch ergründen als Verarbeitung früher Traumata, die Krieg und Flucht und der Anblick brennender Dörfer ausgelöst haben mögen.
Großformatige Bilder der Ahlhorn-Serie konfrontieren den Betrachter auch mit verheerenden Wetterkatastrophen, die Kaminski zunächst fotografisch festhielt und dann im Bild weiter verdichtete.

Fotografien als Vorlagen

Die Ausstellung führt zu unterschiedlichen Lebensstationen Kaminskis, die immer eng verbunden waren mit künstlerischen Standort- und Stilwechseln. Es lohnt, etwas länger hineinzublicken in den malerischen Kosmos. Wer sich auf die spannungs- und geheimnisvoll verwobenen Sujets, die Lichtstimmungen, die Details am Rand und deren mögliche Bedeutung einlässt (auch mit kunsthistorisch wertvoller Begleitung durch den Katalog), der kommt dem zeithistorischen Kontext, der Gedankentiefe und dem Esprit dieses Künstlers bestimmt näher.
Seine Inspiration gewann Kaminski beim Arbeiten am Bild, über seine Zeichnungen oder über die vielen Fotografien. Zufälliges, beim Vorbeifahren Entdecktes wurde abgelichtet und für eine spätere malerische Umsetzung fixiert. Seine Rolleiflex trug er immer bei sich – auch in Marseille, wo er in der Rue Paradis ein riesiges Schaufenster mit Halloween-Artikeln entdeckte, die er später im entsprechend benannten Bilder-Zyklus zu bestechend komponierten gespenstischen Räumen collagierte.
Kaminskis Kompositionen sind „zeichnerische Malereien oder malerische Zeichnungen“, merkt Trepesch in seinem aufschlussreichen Essay an. Die Zeichnung war immer schon die Basis für seine Bilderzählungen, die er dann mit Ölfarben (auf deren hohe Qualität und langlebige Leuchtkraft legte er stets hohen Wert), auf die Leinwände bannte.
Früh schon wurde der Meisterschüler von Hann Trier mit Preisen und Stipendien, 1977 durch die Teilnahme an der documenta 6 in Kassel ausgezeichnet. Seine internationale Präsenz in Museen und Galerien ist umfangreich – dennoch ist er hierzulande nicht so bekannt wie seine Maler-Kollegen Baselitz, Immendorf und sein Freund Markus Lüpertz. Die sehenswerte Retrospektive dürfte ihren Teil dazu beitragen, dies zu ändern. (R. Baumiller-Guggenberger)

Information: Bis 2. September. H2 – Zentrum für Gegenwartskunst, Beim Glaspalast 1, 86153 Augsburg. Di. bis So. 10-17 Uhr.

Abbildungen:
Gartenimpression mit Schädel – ein Ölgemälde von 1977.

Rund 30 000 Arbeiten umfasst das grafische Werk von Max Kaminski. Hier ein unbetiteltes Pastell mit Eitempera auf Papier aus dem Jahr 1975.    (Fotos: Kunstsammlungen der Stadt Augsburg)

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