Kultur

Luftsprünge kann Walter Heun machen, weil seine Tanzwerkstatt Europa nach 30 Jahren eine feste Institution geworden ist. Der Ökonom in ihm bewahrt ihn jedoch vor riskantem Abheben. (Foto: Sabine Hauswirth)

23.07.2021

Fiebern für den Tanz

Walter Heuns Tanzwerkstatt Europa feiert 30. Geburtstag. Jetzt steht die Realisierung eines Tanzhauses an

30 Jahre Tanzwerkstatt Europa (TWE) – ein stolzes Jubiläum. Initiiert und geleitet von Walter Heun, moderat unterstützt von der Stadt München, hat die TWE seit 1991 das jährliche Sommerloch tänzerisch belebt: mit Tanzproduktionen und einem Workshop-Programm für Profis und tanzfreudige Laien. Aus festlichem Anlass ist die TWE heuer um eine Woche länger als traditionell (noch bis 6. August). Ein nostalgischer Touch: Den Auftakt machten drei TWE-Choreografen der ersten Stunde: der Schweizer Thomas Hauert, der Portugiese Rui Horta und der Münchner Micha Purucker.

Tanzhaus-Idee importieren

„Learning by doing“: Diese Strategie kennzeichnet Walter Heuns Werdegang. Tanz hat ihn schon früh interessiert. „Die Mädchen hatten im Sportunterricht Jazzdance. Da hätte ich gerne mitgemacht, durfte aber nur von der Galerie aus zuschauen“, denkt er zurück an die Schulzeit. Später hat er den Jazzdance-Kurs in der Münchner Iwanson-Schule nachgeholt. Etwa gleichzeitig traf er an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität in der Theater- und Tanzwissenschaft Gleichgesinnte und entwarf 1984, zusammen mit dem spontan gegründeten Kollektiv „Dance Energy“, das Konzept für ein staatlich oder städtisch gefördertes Produktionszentrum. Also eine Institution, wie sie ab den frühen 1980er-Jahren schon quer durch Frankreich eingerichtet wurde, schlicht benannt „Maison de la Danse“.

Ein solches Tanzhaus will die Stadt München nach Heuns Initiative von vor gut 36 Jahren nun endlich umsetzen. An der zu diesem Zweck unlängst ausgeschriebenen „Machbarkeitsstudie“ war Heun maßgeblich beteiligt.

In der jahrzehntelangen Warteschleife nahm er eine Hürde nach der anderen. 1985 veranstaltete er erstmals die „Tanztage München“ – ein Testlauf für die ortsansässige freie Tanzszene. 1987 entstand auf Anregung der Stadt der Verein Tanztendenz München (TTM) – und als Proben- und Produktionsstätte immerhin eine Tanzhaus-Vorstufe. Heun erarbeitete eine Satzung, fand Räumlichkeiten im großzügigen Dachgeschoss in der Lindwurmstraße 88 und wurde Geschäftsführer. Die ursprünglich fünfköpfige Choreografenvereinigung zählt mittlerweile 25 Mitglieder.

Noch mal zurück in die 80er-Jahre: Heun, in seiner rein verwalterischen TTM-Position unruhig mit den Füßen scharrend, wollte für die Szene mehr erreichen. 1986 und 1989 veranstaltete er nochmals die Münchner Tanztage, die ihn zu der Großaktion BRDance inspirierten. Heun rekapituliert: „Nach einer Auslese waren es 19 Partner in 15 Städten, die fünf Monate lang in 120 Vorstellungen zeitgenössischen Tanz aus Deutschland präsentierten. Das war 1990 als eine erste bundesweite Bestandsaufnahme ein großer Erfolg. Ich hätte mich eigentlich zur Ruhe setzen können“, sagt er heute lachend.

Stattdessen machte er harte Lehrzeiten für Kommendes durch: „Meine Schwiegermutter, die ihre eigene Firma führte, hat mir erklärt, wie zum Beispiel ein Kassenbuch funktioniert. Ich habe mir dann einen Computer gekauft und mir alles Geschäftliche selbst angeeignet.“ Heun fuhr auch eine Zeit lang Taxi: für den Lebensunterhalt, einmal speziell für eine wichtige Informationsreise: „Damals gab es ja noch keinen Reisesupport für Produktionsleiter und keine Workshops, wie man sich internationalisieren kann. Während vier Wochen in New York habe ich versucht, alle wichtigen Leute aus der Tanzszene kennenzulernen.“ Was ihm auch gelang.

„Die Tanzwerkstatt“, so Heun, „war zu Beginn gedacht als Trainingsprogramm zur technisch-künstlerischen Weiterbildung unserer Tanzszene und zugleich für interessierte Laien, um auch eine größere Breitenwirkung zu erzielen.“ Er kombinierte die Workshops mit einer kompakten Vorstellungsreihe, geschickterweise in Koproduktion mit auswärtigen Choreografen. Dem Veranstaltungstitel Tanzwerkstatt Europa gemäß war die übergreifende Idee ein künstlerischer Austausch innerhalb Europas.

Vor allem musste die TWE ökonomisch zu stemmen sein. Dementsprechend fanden zunächst nur die Endproben der kooperierenden Choreografen in München statt. Nach der Premiere tourte der Abend dann durch die Städte der Ko-Produzenten.

Geld selbst generieren

Dennoch blieb die Finanzierung ein Problem. Heun pragmatisch: „Mit der städtischen Hilfe von 160 000 Mark hätte man nicht viel Programm machen können. Zu Beginn halfen die Zuschüsse der Europäischen Union, zu Euro-Zeiten dann die Mittel von Partnerorganisationen. Den Großteil der Einkünfte generieren jedoch die Workshops.“

Heuns durchgehendes Motto lautet: lebenslanges Lernen. 1993 machte er sich mit seiner Joint-Adventures-Agentur selbstständig. Unternehmerische Energie ist ihm offensichtlich angeboren. Charakteristisch für ihn: All seine Aktivitäten realisieren sich ohne viel Aufhebens. Zwischendurch wurde er zweimal Vater. 1991 initiierte er noch das Nationale Performance Netz, wurde bald künstlerischer Berater, Programmplaner und/oder Leiter für diverse Festivals und für einige Jahre Intendant des Wiener Tanzquartiers.

Die Zukunft der Tanzwerkstatt Europa sieht er voller Optimismus: „Das Format ist einzigartig, es gibt noch so viele Freiräume für neue Ideen.“ Man wünscht der TWE zum 30. Geburtstag eine stabilere finanzielle Unterstützung. (Katrin Stegmeier)

Information: Bis 6. August. Programm unter www.iointadventure.net

 

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