Kultur

Der Tanz ums Johannisfeuer wird noch heute vielerorts praktiziert. (Foto: dpa/Patrick Seeger)

19.06.2020

Freudensprung über Flammen

Was es mit dem Johannistag auf sich hat

Coronabedingt wird es heuer wohl keine Sonnwendfeuer geben. Aber auch frühere Verbote – des Heidnischen und der Gefahr wegen – haben nicht verhindern können, dass der Brauch zum Johannistag fortlebt. Gerhard Handschuh, Experte für Volkskunde und europäische Ethnologie, erinnert an das Brauchtum im Raum Bamberg.

Auf den Bergen reiten Feuer, Werfen sich wie Ungeheuer/In die Nachtluft, in den Raum“, mit diesen Worten leitete der Dichter und Maler Max Dauthendey, 1867 in Würzburg geboren und 1918 auf Java gestorben, sein Gedicht Johannisfeuer ein, das über einen Brauch erzählt, der heute insbesondere in Franken noch lebendig ist, aber auf eine lange Geschichte zurückblicken kann.

Denn wenn die Sonne ihren Scheitelpunkt erreicht hatte und die Tageslänge von da an wieder langsam abnahm, wurde früher am 24. Juni das Fest des heiligen Johannes des Täufers gefeiert. Der nach dem Lukasevangelium angenommene Geburtstag des Heiligen (mit Maria der einzige Heilige, dessen Geburts- und Todestag gefeiert wird), als Vorläufer Jesu und ein halbes Jahr vor ihm geboren, galt als Pendant zu Jesu Geburtstag. Da die Kirche im 4. Jahrhundert Christi Geburt auf den 25. Dezember festgelegt hatte, wurde der Johannistag dementsprechend auf den 24. Juni terminiert und rückte damit näher an den Termin der Sommersonnenwende am 21. Juni.

Die Vorverlegung diente nicht nur der Aufsaugung des heidnischen Brauchs, sondern auch der Handhabe des Zitats im Johannesevangelium (3, 30): „Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen.“ Am Ende der ab dem Johannestermin dunkler werdenden Tage stand das Licht Christi. Viele Bräuche, deren Ursprünge zum Teil noch aus vorchristlicher Zeit stammen, knüpfen sich an diesen Tag.

Notfeuer gegen Seuchen

Zu diesen zählt auch der bekannteste und meistgepflegte Brauch: das Johannis- oder Sonnwendfeuer. Bereits ab dem 17. Jahrhundert beschäftigten sich mehrere Abhandlungen mit diesem Brauch, den sie – wie etwa der Lehrer und Historiker Johannes Reiske 1696 ebenso wie der Theologe Johann Caspar Zeumer 1699 – im Ursprung teils als Notfeuer (als „Nodfyr“ seit dem 8. Jahrhundert bezeugt), teils als christlich interpretierten. Beim zu dieser Zeit bereits behördlich verbotenen Notfeuer wurde bei Ausbruch einer Seuche das Vieh dreimal durchs Feuer getrieben, danach wurden verkohlte Holzstückein die Ställe gelegt, um sie für die Zukunft vor Viehseuchen zu schützen. Schon Zeumer meldete Zweifel an einer Verbindung von Not- und Johannisfeuer an, „weil das Nothfeuer auf jeden Tag und Jahrszeit angestecket“, eben wenn eine Seuche ausgebrochen war, und das „Johannis-Feuer aber auff einen gewissen Tag muß gezogen“ werden.

Gleichwohl stand im ländlichen Raum bei der Ausübung von Bräuchen an Johanni über Jahrhunderte der Schutz vor Missernten und Krankheiten im Vordergrund. Die Bayreuther Pfarrerstochter Wilhelmine Vogel hält demgemäß in ihren Aufzeichnungen über „Gebräuche und Sitten aus Oberfranken“ 1848/58 fest: „Der Landmann hängt gerne einen Büschel Johannisblumen in seiner Stube auf, legt sie auch auf die Felder, was vor Schaden durch Blitz und Hagel sichert.“ Für den Wunsiedler Raum weiß sie: „Am Johannisabend werden auch hier an manchen Orten Feuer angezündet, und darüber gesprungen, auf daß der Flachs gut gerathe.“

Mythisch überhöht wurde die Heilkraft des Wassers, die Wirkung von Pflanzen (Johannisblume oder Arnika, Johanniskraut), aber auch die wunderbare Öffnung der Berge in der Johannisnacht. Jahrhundertelang galt der Johannistag auch als Wetterlostag.

Älteste Zeugnisse für Johannisfeuer reichen ins 12. Jahrhundert zurück. 1401/02 taucht ein Sonnwendfeuer in Münchner Stadtkammerrechnungen auf. Im 15. Jahrhundert umtanzten Kaiser ebenso wie Ritter, Knechte und vornehme Frauen die Johannisfeuer.

Den ursprünglich vor allem in Städten geübten Brauch erwähnt 1534 Sebastian Franck in seinem Weltbuch: „Gleich darauff kummpt S. Johans der Teuffer/dran machet man inn allen gassen freuden feür/singt vnnd dantzt darumb … springt darüber/darzuo samlen die buoben en tag zuvor holtz mit singen unn stelen. An ettlichen enden setzt man vaß (brennende Fässer) auff eynander. Diß spilt man auch in doerfern/an disem tag trincket schir yerderman medt/nach des landsbrauch.“ 1559 wird das Brennen eines Holzstoßes, für das von Haus zu Haus Holz gesammelt wurde, für Kulmbach erwähnt mit der Doppelbezeichnung „uff sand Johannstag sunbenden“ oder „Sommetfeuer“ für Sonnenwende.

Ratsrechnungen in dieser Zeit sprechen von Umritten um das Feuer und einem Aufwand an Essen und Trinken. So erhielten die Pfründner des Bamberger Elisabethen-Spitals 1647 am Johannistag für einen Viertel Gulden Weichseln, Omerellen und Kiffernweysen (Federweißer aus Kiefernspitzen).

1653 ritten Bürgermeister, zwei Domkapitularherren und der Hofoberkämmerer von Bamberg zum Johannisfeuer. Die Feiern schloss jeweils ein Essen im Rathaus ab, wobei die Wächter an den Feuern zechfrei blieben, Wein, Brot und Konfekt gereicht und jedes Mal zwei Gläser auf das Wohl der Gäste durch den höchsten Repräsentanten zerbrochen wurden. Vier Jahre später beteiligte sich am Ritt am Samstag nach Johanni (30. Juni) neben Bürgermeister, Räten und Domkapitelherren auch der Bamberger Fürstbischof. Die Terminverschiebung hing vermutlich mit der Rücksicht auf die wieder auf ihren alten Termin festgesetzte Johanniskirchweih auf dem Stephansberg zusammen.

Für städtischen Brauch im Bistum sprechen verschiedene Einschränkungen (23. Juni 1716: „soll nur in weiten Gassen geschürt werden“, 23. Juni 1701: „soll bey Läuten der Schlafglocke ausgelöscht werden“). Doch gab es auch generelle Verbote, die allerdings nicht eingehalten wurden. Noch 1806 beklagte Alexander Schmötzer, Mitbearbeiter von Bambergs Geschichte, „das Springen über das Feuer am Johannisfeste, das an manchen Orten durch Nothfeuer angezündet werden müßte“.

Böse Gewohnheit

Währenddessen verboten Ratsdekrete in der evangelischen Stadt Nürnberg wiederholt das „nach alter Heydnischer böser Gewohnheit“ begangene „so genannt Sonnenwendt: oder Zimmts Feuer“ wegen „allerhand abergläubischer Werck“, aber auch wegen der Feuersgefahr (1653) und weil dadurch „arme Leuth gemacht werden können“ (1754).

Weniger Erfolg hatte eine 1780 in Würzburg erlassene Landesverordnung „wegen manchen dabey vorgehenden Entehrungen geheiligter Worte und Dinge, thörichtem Aberglauben, unanständigen Ausschweifungen junger Leute, und oft damit verknüpfter Feuersgefahr“. Zur Zeit der Aufklärung wiederholt verboten, kamen die Feuerbräuche im romantischen 19. Jahrhundert vor allem auf dem Lande verstärkt auf. Insbesondere in katholischen Orten hielt sich der Brauch, auch der des Holzeinsammelns mit überlieferten Heischeversen als „Kan-“ oder „Hansfeuer“.

In Bamberg galt die Aufforderung, die der bayerische Sagensammler Friedrich Panzer 1848 dialektmäßig etwas der bayerischen Mundart anglich: „Lustig Buben am heutigen Tag!/Heunt is der Johannistag/Wölle mer Frühling-Sommer singa/Uebern Ghannesfeuer springa.“

Ein von älteren Bamberger*innen erinnerter schwarz angemalter „Rußböbbl“ auf dem Sammelwagen hatte sicher die Funktion, unwillige Geber oder Mädchen zu necken. Nicht mehr existent war da schon der Brauch, dass ein geschmückter ‚Khannesbaum‘ (Johannisbaum) vorangetragen wurde, wie dies noch 1848 Friedrich Panzer für Hallstadt bei Bamberg berichten konnte. Dies gibt es nurmehr in einigen Orten der nördlichen Oberpfalz und des Bayerischen Waldes. Immerhin noch 1912 sangen die Kinder in Neunkirchen am Brand bei Erlangen beim Holzheischen: „Den alten Brauch lassen wir uns nicht wehren/den heiligen Johannes zu ehren./Wolln wir Johannisfeuer schüren,/möcht ihr uns das Holz dazu bescheren./Holz raus! Holz raus! Holz raus!“

Von Nazis verordnete Feste

In der Folge übernahmen vorwiegend national gesinnte Kreise die Sonnwendfeuer. Um 1900 wurden Johannisfeuer vor allem durch die sogenannte Heimatbewegung veranlasst, die auf die Stärkung nationaler Identität abzielte. Treffend erfasste dies der Volkskundler Richard Beitl in seiner 1929 abgeschlossenen, 1933 publizierten Deutschen Volkskunde: „Sonnwend- und Johannistag haben – wie Weihnachten und Neujahr nur durch wenige Tage getrennt – ihre Bedeutungen und Bräuche häufig getauscht. Heute wird im allgemeinen das ländliche Johannisfest vom Tag der Sonnenwende überflügelt, der auch durch die Jugendbünde, Turn- und Wandervereine der Städte neuen Auftrieb erhielt.“

Vor allem nach 1933 kam es zu einer raschen und weiträumigen Verbreitung, nachdem der Staat und die NSDAP die Einführung der Sonnwendfeuer am Johannistag mit Nachdruck betrieben. Am 7. Juni 1933 wurden Sonnwendfeuer durch das Reichsinnenministerium verordnet und mit Erfolg planmäßig veranlasst. Das am Ende der Freiheitskriege 1814 von Christian Nonne gedichtete Lied Flamme empor wurde als germanophiles Sonnwendfeuer mit Feuersprüchen in Orten eingeführt, in denen der Brauch längst erloschen war. Der Tag der Sonnenwende wurde zum „Tag der Jugend“ erklärt und war somit fester Bestandteil des sogenannten Nationalsozialistischen Feierjahrs.

Mit dem Ende des Nationalsozialismus verschwanden die Johannisfeuer zunächst. Einige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg griffen Jugendverbände, Bürgervereine, auch Geistliche beider Konfessionen die alte Tradition auf. Seit der Gemeindegebietsreform erhalten die Feuerreden oft eine kommunalpolitische Komponente. Der Brauch soll ebenso das dörfliche Bewusstsein eingemeindeter Orte stärken, wie der neu geschaffenen Zentralität von Großgemeinden dienen.

In seinen Altersjahren gab Johann Wolfgang von Goethe, sich der Jungen in Jena erinnernd, die um 1804 immer noch alte Besen und Gerümpel zu verbrennen liebten (in Jena galt eigentlich seit 1714 ein Verbot der Johannisfeuer), den Vers weiter: „Johannesfeuer sei unverwehrt,/die Freude nie verloren!/Besen werden immer stumpf gekehrt/Und Jungens immer geboren.“ Die Symbole einer sich ewig abnutzenden und immer sich verjüngenden Welt vor Augen, sprach Goethe sich für den Erhalt des alten Brauchs aus.

Gleichzeitig das ewige Lied der Sommersonnenwende und des Lebens auf der Erde ansprechend, endete Max Dauthendeys Gedicht Johannisfeuer mit den Versen: „Aus den Bergen fliegen Drachen, /Nichts hält mehr den Berg im Zaum./Flammen sich wie Lieder wiegen -/Sonne hat die Nacht erstiegen.“ Über die Flammen als Vertilger aller Feldschädiger (Drachen) tritt das Lumen Christi nach dem auf Jesus bezogenen Zitat aus dem Johannesevangelium „Ich bin das Licht der Welt“ (8, 12) beziehungsweise dem Lukasevangelium „Das aufstrahlende Licht aus der Höhe wird uns besuchen“ (1, 78). (Gerhard Handschuh)

Abbildung:
Die Zeichnung von Paul Heydel aus der Zeitschrift „Die Gartenlaube“, 1882, zeigt verschiedene Bräuche rund um den Feiertag.   (Foto: Archiv Handschuh)

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