Kultur

Patricia Kopatchinskaja. (Foto: dpa/Oliver Killig)

09.12.2019

Geballte Weiblichkeit

Die Geigerin Patricia Kopatchinskaja brilliert im Neumarkter Reitstadel

Sonst muss man nach Berlin oder München fahren, nach Köln oder Amsterdam – aber in Neumarkt in der Oberpfalz gab die Geigerin Patricia Kopatchinskaja sogar zwei Konzerte. Sonst ist sie Solistin bei Kyrill Petrenko oder auf Tournee zum Beispiel mit Teodor Currentzis, jedes Jahr erlebt man sie bei den Salzburger Festspielen. Mit ihrem Repertoire zwischen Klassik und Avantgarde, zwischen Schönberg, Scelsi, Sciarrino oder der Ustwolskaja scheint sie derzeit schier unerreicht.

Die „Neumarkter Konzertfreunde“ und den Reitstadel kennt Patricia Kopatchinskaja von Anbeginn ihrer Karriere an, dort hat sie schon mit ihren Eltern (sie sind ebenfalls Profi-Musiker) in Erinnerung an ihre moldauischen Wurzeln gespielt. Jetzt hat sie ins Gästebuch geschrieben, sie habe sich auch mit ihrem neuen Projekt „Maria Mater Meretrix“  dort sehr wohl gefühlt - genauso wie am Wochenende beim „Wandelkonzert“ im Museum Lothar Fischer.

Den Abend realisierte sie mit der neuerdings von ihr geleiteten „Camerata Bern“ und kongenial mit der Sopranistin Anna Prohaska. An dem einen Abend ging es um die Facetten weiblicher Existenz zwischen Geburt und Tod, zwischen Bethlehem und Golgatha, Mutter und Hure. Der andere Abend war der Verehrung des in Neumarkt aufgewachsenen Bildhauers Lothar Fischer,  einem der Protagonisten der wilden Sechzigerjahre in Schwabing gewidmet. Seine Skulptur „Der Gekreuzigte“ stand mysteriös beleuchtet im Mittelpunkt des Museumskonzerts. Patricia Kopatchinskaja zog  obendrein durch die aktuelle Ausstellung „Farbe Raum Klang“ von Gotthard Graubner. Diesen Titel realisierten auch ihre beispiellos kompetent realisierten Interpretationen von Kurtag und Enescu; es entstanden die flirrenden Klangräume von Scelsi oder Sciarrino, aus deren Faszination das Publikum nur mit Mühe wieder in die Realität zurückfinden wollte.

Von Sentimentalität konnte am Abend zuvor keine Rede sein beim „Marien“-Projekt der beiden Künstlerinnen Kopatchinskaja und Prohaska. Und trotz diverser „Ave Marias“ von der Gregorianik bis zu Frank Martin war das keineswegs als Krippenspiel gedacht, wenn Patricia Kopatchinskaja dem Publikum mit auf den Weg gab: „Ist Frau nur eine Idee? Muse, Heilige, Mutter, Sexpuppe, Hausmagd, Nonne, Femme fatale, Feministin, Domina … eine Ikone in der Fantasie der Männer?“

Ein bisschen von allem gab es in diesem aus nahezu zwei Dutzend Stücken geschickt gebündelten Konzert. In dem setzte  die Berliner Sopranistin Anna Prohaska ihre wunderbaren vokalen Mittel für die weit geschwungenen Melodielinien eines barocken Caldara-Oratoriums genauso ein wie für Hanns Eislers Brecht-Vertonung: Das „Kuppellied“ hatte eine Spur des gewünscht Ordinären.

Es gab sekundenlange Teile aus György Kurtags „Kafka-Fragmenten“, aber der Höhepunkt war das „Maria-Triptychon“ von Frank Martin (1890 bis 1974). Zusammen mit der  wünschenswert spontan  spielenden Camerata Bern waren dessen drei Teile die Gipfelpunkte dieser tour d’horizon durch die Manifestationen von Weiblichkeit: Instrumentationskünste, ein Äußerstes an Darstellungskraft von Prohaska/Kopatchinskaja. In den Stücken mit der Camerata erwies sich die Geigerin als mitreißende Konzertmeisterin, die mit ihrem Körper, den Augen, dem Mienenspiel das Feuer einer hinreißenden Interpretation entfachte.

Auf der Höhe dieses künstlerischen Niveaus wird sich auch vieles bewegen, was die „Neumarkter Konzertfreunde“ in dieser Saison noch anbieten: Neben der Weiterführung ihres Zyklus‘ von Beethovens sämtlichen Streichquartetten der aktuelle Schubert-Abend von Sir András Schiff, das Mahler Chamber Orchestra mit Leif Ove Andsnes in drei Mozart-Klavierkonzerten und Jörg Widmann mit den fulminanten celtic tigers des Irish Chamber Orchestra und seiner Schwester Carolin. Aber das ist längst nicht alles bis Ende Juni. (Uwe Mitsching)

Info: www.neumarkter-konzertfreunde.de

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