Kultur

Ksenia Ryzhkova und Jonah Cook in "Cecil Hotel". (Foto: Wilfried Hösl)

04.03.2021

Genialer Tanz-Krimi

Andrey Kaydanovskiy hält im Ballett "Cecil Hotel" blendend die Waage zwischen Gruselstück und Komödie

Das Elternhaus scheint bei Andrey Kaydanovskiy eine nicht unwichtige Rolle zu spielen: seine Mutter war Tänzerin, sein Vater Filmschauspieler. Und wenn der 34jährige Russe nach seiner Tänzerkarriere im Ballett der Wiener Staatsoper heute als Choreograf aktiv ist, dann lässt er sich gerne auch vom Medium Film inspirieren.

Ein bisschen etwas Filmisches hat jedenfalls Kaydanovskiys Cecil Hotel. Das 40-Minuten-Stück wurde 2019 im Rahmen des dreiteiligen Staatsballett-Programms À Jour – Junge Choreografen im Münchner Prinzregententheater uraufgeführt. Und diese gewisse Leinwandqualität kam jetzt der Online-Premiere als „Montagsstück XVI“ auf der Nationaltheater-Bühne bestens entgegen. Schnelle Szenenschnitte, düsteres Licht, geheimnisvoll hohle Geräusche und immer wieder kurz zugespielt der Song Que sera, sera aus dem Hitchcock-Film Der Mann, der zuviel wusste - das alles liefert schon eine filmische Atmosphäre für Kaydanovskiys Version der Mordserie, die das Cecil Hotel in Los Angels in die Schlagzeilen brachte.

Mit Cecil Hotel initiiert Kaydanovskiy sozusagen das Genre Tanz-Krimi. In der düsteren Hotel-Lobby (Ausstattung: Karoline Hogl) werden Leichen in Teppiche gerollt oder auf dem Servierwagen entsorgt - Slapsticks, die einen zurückbeamen zu Stummfilmgrößen wie Chaplin, Buster Keaton und den Marx Brothers. Zugleich wird man zu den neuesten Bewegungstrends katapultiert, wenn sich hinter den Zimmertüren Paare zum Sex-Stelldichein treffen. So wie Ksenia Ryzhkova und Jonah Cook ihren Pas de deux angehen, wird die zumindest in den Hebungen schon akrobatische Neoklassik zu einer zirzensischen Post-Postmoderne hochgejazzt. Was für eine Leistung: diese einknickenden, sich in jeder Richtung gummiartig (ver-)biegenden Körper, die ja im Repertoire pflichtgemäß Klassisches wie Schwanensee und Anna Karenina tanzen.

Gerade solche Stil-Erweiterungen werden auf dem Bildschirm viel deutlicher als aus der Distanz des realen Publikumsraums: Statt höher und weiter wie im Sport, ist die Parole im Tanz offensichtlich „immer komplizierter, immer gewagter“. Was implizit auch eine Aussage über unsere Gesellschaft ist.

Abgesehen von solcher Schlussfolgerung hat man hier durchaus eine Art Thriller-Erlebnis. Dmitry Cheglakovs Soundtrack zielt richtig schön auf Gänsehaut: es rumpelt, zischt, gurgelt und japst, weil da eine Frau in einer Hotelwanne offensichtlich unfreiwillig ein Bad nimmt. Die Ertränkte zieht als Wiedergängerin in weißem Hemdchen durch die Szenerie, bekommt am Ende noch Verstärkung durch fünf schwesterliche Untote. Dem Lobby-Boy – filmreif von Demi-Solist Dustin Klein, der hier seinen Abschied nimmt für eine künftige Choreografen-Laufbahn - bleibt nur noch, mit seinem Wischmopp die Spuren des Verbrechens zu entfernen. Kaydanovskiy hält blendend die Waage zwischen Gruselstück und Komödie.

Cecil Hotel bietet auch die Möglichkeit, sich schon einmal in den Kaydanovskiy-Kosmos einzufühlen. Mehr von ihm dann zum Ballettwochen-Auftakt: am 16. April kommt seine neue Choreografie Der Schneesturm zur Uraufführung. Vorlage ist die gleichnamige rätselhafte Puschkin-Novelle von 1831. Krimi-Spannung ist wohl schon vorprogrammiert. (Katrin Stegmeier)

Information: Bis 2. April auf staatsoper.tv zu 4, 90 Euro

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