Kultur

Henri de Toulouse-Lautrecs Werbeplakat (Ausschnitt) für eine Fahrradkette, die der Engländer William Spears Simpson 1895 erfunden hatte. (Foto: MGS)

20.08.2019

Immer in Bewegung

Das Museum Georg Schäfer zeigt Plakatkunst von Henri de Toulouse-Lautrec und dessen Künstlerkollegen

Sie sind weltbekannt, die Plakate von Henri Toulouse-Lautrec mit den Nachtclub-Tänzerinnen, ihren hochgereckten Beinen in schwarzen Strümpfen, dem kecken Hütchen auf dem Haar. Sie zieren heute oft noch als billiger Nachdruck die Wände. Die Begeisterung nahm ihren Anfang im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts mit einer Plakatmanie in Paris: Sammler rissen diese Werbung für Vergnügungsstätten am Montmartre von den Wänden. Also ging man dazu über, die Plakate in Kunstverlagen nachzudrucken.

Ein Name ist damit untrennbar verknüpft: Henri de Toulouse-Lautrec (1864 bis 1901). Ihm und seinen Künstlerkollegen ist eine bemerkenswerte Ausstellung im Schweinfurter Museum Georg Schäfer gewidmet. Aus dem Brüsseler Musée d’Ixelles stammen die mehr als 70 großen Werke der Ausstellung – 37 davon von Toulouse-Lautrec –, die zwischen Impressionismus, Japonismus und Art nouveau eingeordnet werden können.

Jenseits des Amüsements

Der Ausstellungstitel Auf den Bühnen von Paris (1891–1899) meint die Epoche, als in der französischen Hauptstadt nach der Anlage breiter Prachtstraßen und Avenuen vor allem rund um den Hügel Montmartre und im Viertel Pigalle Tanzlokale, Cabarets, Varietés und diverse Etablissements zur etwas anrüchigen Unterhaltung aus dem Boden schossen. Dort konnte man sich schier hemmungslos dem Vergnügen hingeben. Eindrücke vom dortigen Pariser Nachtleben hielt Toulouse-Lautrec bildlich fest: mit locker großzügiger Kontur und sparsamer, flächiger Farbigkeit in Lithografien.

Der kleinwüchsige Künstler erfasste die Halbwelt ungeschönt, schuf den Stars damit ein unverwechselbares Denkmal. Er wurde berühmt durch seine Werbung für das Revuetheater Moulin Rouge mit der Darstellung einer Cancan-Tänzerin, im großen Format und lebhaft bewegt. Mit diesem Plakat schlug er seinen Konkurrenten Jules Chéret, übertrumpfte später auch so berühmte Kollegen wie Mucha oder Steinlen, dem zum Beispiel für eine Tournee mit dem Cabaret Le Chat Noir eine eindrucksvolle schwarze Katze einfiel.

Während aber Chéret die Tänzerinnen immer als Typus mit Wespentaille, tief dekolletiert und blond malerisch darstellte, gab ihnen Toulouse-Lautrec individuelle Züge, zeigte auch die Schattenseiten ihrer Existenz. Manches reichte schon an eine Karikatur heran. So wies er indirekt auf sozialkritische Hintergründe hin, machte sich lustig über die Zensur oder einen spießigen Sittenwächter, der zum Vergnügen des Publikums von einer Kuh verjagt wird.

Toulouse-Lautrec blickte unter die Oberfläche des Amüsements. So deutete er die Einsamkeit der Cancan-Tänzerin La Goulue an, begleitet von einer seltsamen „grauen Eminenz“, ihrem Bewacher, während das Publikum von Lebemännern und Prostituierten nur als schwarze Silhouette im Hintergrund erscheint. Dieser Künstler aus dem Hochadel war befreundet mit der Tänzerin Jane Avril, die er auch als Schlangenfrau verewigte, und dem Sänger und Nachtclubleiter Aristide Bruant, dem er als Erkennungszeichen einen Schal umlegte. Er bildete auch andere Stars ab, gab ihnen charakteristische Züge. Meist aber waren weniger bekannte Damen dargestellt.

Die schnelle, umrisshafte Erfassung der Figuren ergänzt sich mit der scheinbar spontanen Schrift auf den Plakaten, die nie mit dem Lineal gezogen ist, ganz im Gegensatz zu der seiner Kollegen. Im Unterschied zu anderen Plakatkünstlern liebte Toulouse-Lautrec die Bewegung der Gestalt und die kühne Einbettung der Figur ins Bildganze: zusammen mit den fast impulsiven Schriftzügen ein Merkmal seiner Plakatkunst. Dagegen positionierte zum Beispiel Alphonse Mucha die Schauspielerin Sarah Bernhardt als Kameliendame zentral im Bild, effektvoll-dekorativ umgeben von einem verspielten Jugendstil-Rahmen; ähnlich seine Werbung für Zigaretten.

Viele Plakate dieser Ära befassten sich auch mit Vergnügungen wie Maskenbällen, Verkleidungen, dem Karneval, dem Zirkus oder dem, was Kurtisanen ihren Freiern boten – nicht alles war von der Zensur erlaubt.

Das Medium Plakat diente den Verlagen auch, um Romane, Zeitschriften oder Bücher bekannt zu machen. Damalige Luxusgüter fanden ihren Niederschlag ebenfalls auf Plakaten: seien es Champagner oder Fahrräder, die meist von Frauen gesteuert waren. (Renate Freyeisen)

Information: Bis 29. September. Museum Georg Schäfer, Brückenstraße 20, 97421 Schweinfurt. Di. bis So. 10-17 Uhr, Do. 10-21 Uhr.

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