Das Grauen des Dreißigjährigen Krieges saß den Menschen in Europa noch gehörig in den Knochen, da wälzte schon die nächste Gefahr heran: Das Osmanische Reich gierte gen Westen. Ein 1664 geschlossener Friedensvertrag währte nicht lange: Zwei Jahrzehnte später rückte ein gigantisches türkisches Heer abermals Richtung Wien, die Stadt war schlechthin das Tor zum Abendland. Wenn die Kaiserstadt fallen würde – dann gnade ihnen Gott! In Ländern, die mit dem Habsburgerreich verbündet waren, auch im Kurfürstentum Bayern, wurde ein „Entsatzheer“ zusammengetrommelt– und ihm gelang das Wunder: Am 12. September 1683 schlug es das türkische Heer in die Flucht.
In München hatte man natürlich auch Angst, dass es im Fall des Falles von Wien nicht lange dauern würde, bis die Türken auch dort einmarschieren würden. Ob die Muttergottes, die Patrona Bavariae, in dieser Kriegsgefahr erneut ihre Hände schützend über die Stadt an der Isar halten würde, wie einige Jahrzehnte zuvor? Ihr hatte Kurfürst Maximilian I. ein markantes Glaubensdenkmal gesetzt: Die Mariensäule erinnert bis heute daran, dass die Residenzstadt vor Verwüstungen durch die schwedischen Besatzer verschont geblieben war.
Messstiftung aus Angst vor den Türken
Ein solch teures gottgefälliges Werk wie das des einstigen Landesfürsten konnten sich die sieben Loderer, also Lodentuchhersteller, freilich nicht leisten, als sie mit der Muttergottes ein „Verbündniß“ eingingen – „1683, als der Türk Wien belagerte, der ganzen Christenheit den gänzlichen Untergang androhete“. Als die Gefahr gebannt war, lösten die Loderer ihr Versprechen ein: Sie machten eine Messstiftung zur ewigen Verehrung der Himmelskönigin – konzentriert während des „Frauendreißigers“ und in der Wallfahrtskirche Maria Ramersdorf.
Quasi als besiegelte Urkunde dazu ließen die Loderer ein Votivgemälde anfertigen. Sie knien andächtig betend unter der von Putten umringten Wolkengloriole, auf der Maria mit dem Jesuskind thront – beide in herrscherlicher Aufmachung mit üppiger Krone, Reichsapfel und Szepter. Abgebildet ist auch die Ramersdorfer Kirche noch mit ihrem alten Turm und der pyramidenartigen Spitze, 1791/92 wurde ein neuer Turm mit Zwiebelhaube gebaut. Auf dem Gemälde ist auch die „Verlöbnisformel“ notiert.
Doch datiert ist das Gemälde auf den 15. August 1733 – also 50 Jahre nach der dramatischen Schlacht am Kahlenberg bei Wien. War das Gelöbnis vielleicht in der Zwischenzeit vernachlässigt gehandhabt worden, und sollte dieses Bild die Erinnerung daran auffrischen? Oder wollten die Lodenmacher gerade in einer Kirche, die über Jahrhunderte eng mit dem Herrscherhaus verbunden war, mit diesem Bild quasi beim Landesfürsten vorstellig werden und ihn ebenso wie die Patrona Bavariae an ihre neuerliche Not erinnern? Um ihr Gewerbe, um die Nachfrage nach den schweren, groben Wollstoffen, stand es nämlich nicht gerade zum Besten, es tobte ein Handelskrieg. Gefragt waren inzwischen fein gewebte, farbige Tücher (Baumwolle), die obendrein günstig aus dem Ausland kamen. Zahlreiche landesherrlich verordnete Maßnahmen verpufften anscheinend.
Der Grund für das erst ein halbes Jahrhundert nach dem Gelöbnis angefertigte Votivbild bleibt spekulativ. Jedenfalls wurde in der Folge das Bekenntnis zur Marienverehrung erneuert: Auf der Schrifttafel des Zierrahmens liest man einmal „Ren. d. 15. Aug. 1787“ und „Ren. d. 15. Aug. 1866“.
Der Maler des Bildes ist unbekannt. „Das Gemälde besitzt eine Signatur, die aber erstens nur sehr ungenau zu lesen und zweitens übermalt ist. Ich kann mich bei den Buchstaben partout auf keinen Namen festlegen“, sagt Restauratorin Ulrike Merz, die mit ihren Kolleginnen im auf alte Kunst spezialisierten Restaurierungsatelier Rolf-Gerhard Ernst in München-Sendling den Großteil der Gemälde aus Maria Ramersdorf „ertüchtigt“ hat.
Vergilbte Retuschen und viele Fehlstellen
Das Votivgemälde der Loderer brauchte etwas mehr Zuwendung der Expertinnen als die anderen Kunstwerke, die zuletzt in den 1970er Jahren restauratorisch überarbeitet worden waren. Vielleicht war es ja der begrenzte Etat, dass damals das kunsthistorisch weniger bedeutsame Gemälde des unbekannten Malers außen vor blieb? In früheren Zeiten war es allerdings schon „repariert“ worden, wie man an vergilbten alten Retuschen feststellen konnte.
„Als das Gemälde zu uns kam“, erinnert sich Ulrike Merz, „war es völlig verbräunt und hatte zahlreiche Übermalungen und Fehlstellen“. Die Fehlstellen wurden mit Kreidekitt geschlossen und retuschiert. „Beim Reinigen haben wir außerdem sehr viel von der Originalmalerei freilegen können.“
Wenn es nach der rettenden Kur in den kommenden Tagen zurück nach Maria Ramersdorf kehrt, dann nicht mehr als „Aschenputtel“ im Trio der berühmten Votivgemälde. Freilich zieht das ins Münchner Bildgedächtnis fest eingeprägte Gemälde der Schwedengeiseln, das um 1635 gestiftet wurde, schon durch seine besonders prächtige Rahmung und Alleinstellung an der Südwand des Chores die Aufmerksamkeit auf sich. Aber künftig lohnt auch der zweite Blick auf die Wand gegenüber, wo das Loderer-Gemälde neben dem der Österreichergeiseln hängen wird.
Die wiedergekehrte freundlich-sanfte Farbigkeit verspricht im deutlich aufgehellten Kirchenraum einen Aha-Effekt dieser anrührenden Bildinterpretation. (
Karin Dütsch)
Wallfahrtskirche öffnet im August
Der Mai ist der Marienmonat – die Maiandachten stehen ganz im Zeichen der Marienverehrung. 1841 soll die erste Maiandacht Deutschlands in München-Haidhausen (1854 eingemeindet) abgehalten worden sein. Indes kannte das katholische Brauchtum in Bayern schon vorher eine Zeit intensiver Marienverehrung – den „Frauendreißiger“ zwischen Maria Himmelfahrt (15. August) und dem Fest der Kreuzerhöhung (14. September). In diese Zeit fallen Marienwallfahrten – eine der bekanntesten führt von München zur Pfarr- und Wallfahrtskirche Maria Ramersdorf (seit 1864 ein Ortsteil Münchens).
Vor vier Jahren, zum Ende des Frauendreißigers, schloss die Kirche ihre Portale – es waren Sanierungsarbeiten notwendig geworden. Dazu musste das Inventar ausgelagert werden – eine gute Möglichkeit, die Kunstschätze zu reinigen und zu restaurieren. Ein Großteil der Gemälde wurde im Münchner Restaurierungsatelier von Rolf-Gerhard Ernst restauriert. Den Altar von Erasmus Grasser nahmen Experten des Bayerischen Landesdenkmalamtes unter die Lupe, bevor er ins Bayerische Nationalmuseum zur aktuellen Grasser-Ausstellung entliehen wurde. Dort wird er Mitte Juli abgebaut und zurück nach Maria Ramersdorf gebracht.
Die feierliche Wiedereröffnung der Kirche mit Pontifikalamt und Altarweihe durch Erzbischof Reinhard Kardinal Marx findet rechtzeitig zum Beginn des diesjährigen „Frauendreißigers“ am 15. August statt. (dü)
Lesen Sie einen umfangreich bebilderten Beitrag über die Forschungsarbeiten am Grasser-Alter aus Maria Ramersdorf in der BSZ-Beilage UNSER BAYERN, Ausgabe Juli/August 2017, www.bayerische-staatszeitung.de, Stichwort „Spannende Schichtarbeit“.
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