Kultur

Theodora Raftis spielt die kratzbürstige Despina. (Foto: N. Marcinowski)

31.08.2018

Liebe im Labor

Beka Savic inszeniert für die Münchner Kammeroper Mozarts „Così fan tutte“ außergewöhnlich unterhaltsam

Soll man noch einmal die Festspielklamotten oder schon die Herbsttracht aus dem Schrank holen? Letztendlich ist das egal, für das spätsommerliche Musik-München gibt die „Kammeroper“ den Ton an: In den hochherrschaftlichen Räumen von Schloss Nymphenburg und diesmal mit dem erotischen Ringelspiel von Mozarts Così fan tutte – nicht in einer Inszenierung wie gewohnt von Dominik Wilgenbus, der aber immerhin Marivaux fürs Programmheft zitiert: Dem sei das Theater ein Labor gewesen und die Bühne eine Versuchsanordnung.
Die aktuelle Regisseurin Beka Savi(´c) aus Serbien stellt deswegen einen geradezu diabolischen Chemielaboranten in den Mittelpunkt ihrer ungewöhnlich amüsanten drei Così-Stunden. Es ist der schwarz befleckt-befrackte Don Alfonso, von dem sich nichts Gutes erwarten lässt. Kein „Alfonsetto“, wie die zwei jungen Herren anfangs übermütig meinen, sondern ein teuflischer Strippenzieher mit maskaraschwarz umrandeten Augen. Er schürt mit dem Bunsenbrenner seiner Real-Intrige die Leidenschaften an, und das kratzbürstige Kammerkätzchen Despina darf Katalysator sein.
Was in der für das Orchesterchen der Kammeroper arrangierten Mozart-Musik sehr frisch und forsch klingt, das erweist sich auf der schrägen Kletterbühne als Liebessatire, als Zwischenwelt von echten Gefühlen und böser Karikatur.
Die Transferierung in eine biedermeierliche Bild- und Kostümwelt (Céline Demars und Uschi Haug) passt bestens zu diesem hoffmannesk-teuflischen Alfonso, an dessen schwarzer Schulter sich die beiden „dame ferraresi“ ausweinen. Sie haben zartrosa geschminkte Wangen und einen romantischen Dutt. Und die Rezitative werden durch eine deutsche Fassung und beachtliche Länge aufgewertet, machen deutlicher als sonst, wer wohin von wem in diesem Liebeslabyrinth getrieben wird.
Aber schließlich sind ja alle vier Liebesleute selbst schuld an diesem belämmerten Ende, bei dem es keine Denn-Doch-Hochzeit gibt: die jungen Herren, die sich auf die dämliche Wette einlassen, die flatterhaften Damen, die sich für die neuen Liebhaber mit Push-up-Corsagen fein machen und gar nicht so genau wissen wollen, wer ihnen da den Hof macht: Turchi oder Wallacchi?

Von und für junge Leute

Das alles wirkt in Beka Savics intensiv durchdachter Aufführung unterhaltsamer als so manche bereits längst vergessene Così. Sie inszeniert detailreich mit jungen Leuten eine Geschichte von und für junge Leute – ohne alles Kammersängerhafte. Dabei kommt ihr neben der souveränen, reaktionssicheren musikalischen Leitung von Nabil Shehata ein identifikationsbereites Ensemble zupass: allen voran die beiden Opfer des Männerkomplotts, deren artiges Wangenrouge immer blasser wird. Bei Kathrin Zukowski zuallererst. Sie war als Fels der Treue in der Brandung sehr überzeugend.
Genau ins Romantikkonzept passt Natalya Boeva als komödi-antische Dorabella. Jeong Daegyun sieht aus wie ein frühreifer Gymnasiast, singt aber kernig wie ein Erwachsener (Guglielmo), Bryan Lopez Gonzalez aus Cuba wird noch deutlicher seinen Weg zum lyrisch-graziösen Tenor finden. Frederik Tucker ließ es an schwarzem Bass nicht fehlen, Polly Ott spielte (doppelt dick aufgetragen) kapriziöses Kasperltheater als Kammerzofe. So wurde es nicht nur lässig betriebenes Sommertheater, sondern eine richtige Maxi-Così, dem Opern-Kindersitz schon deutlich entwachsen. (Uwe Mitsching)

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