Kultur

Danton, subtil gespielt von Nils Liebscher, verantwortet sich vor dem Tribunal. (Foto: Andreas Kremper)

01.04.2016

Macht und Mord

Das Landestheater Coburg inszeniert "Dantons Tod" mit zarter Überdrehtheit

In all der Vielfalt der neuen Stücke, mit denen die Theater derzeit auf die innenpolitischen und ökonomischen Brüche und Verwerfungen der Jetztzeit reagieren, gehen erfreulicher Weise jene Klassiker nicht unter, die als zeitlose Echolote gesellschaftlichen Daseins betrachtet werden können: Bertolt Brechts Parabeln, Ephraim Lessings Nathan-Vision, nicht zuletzt Georg Büchners Dantons Tod. Dieses Stück ist ein Kernelement theatraler Analyse, wie aus Volkswille Populismus und aus Populismus totalitäres Denken wird. Eine belastbare Textbrücke vom 19. hinüber ins 21. Jahrhundert. Fast ein Wunder, wie da der gerade einmal 21-jährige Büchner (1813 bis 1837) eingedrungen ist ins Wurzelgeflecht der Demokratie und zielgerichtet an jenen Punkt, wo die Französische Revolution falsch abgebogen ist und Gefahren beständig lauern. Der Nutzen des Terrors für Radikalmoralisten jeglicher Schwarz-Weiß-Couleur, das Verwechseln des Volks mit jenem Teil, der gerade am lautesten schreit, das blanke Menschenopfer als Mittel zu Machterwerb und Machterhalt: Büchner decouvriert geradezu im Vornherein die mörderische ideologische Radikalität des 20. Jahrhunderts, und wir lernen gerade, dass das 21. offenbar in aller blutroten Vielfalt dort weiterzumachen gedenkt. Man kann das alles bei Büchner in vollendeter Klarheit erkennen, wenn man in einer so starken Inszenierung wie der am Landestheater Coburg sitzt. Denn Schauspielchef Matthias Straub hat jetzt den Text leicht begradigt und so dessen seherische Kraft auf die Bühne (von Till Kuhnert) gestellt. Die ist eine Baustelle, wie das ganze Revolutionsprojekt: Zwei Baugerüste werden zum Blutgerüst. Das Licht ist kühl, weiß und klar, schafft Konturen, die Kostüme (von Carola Volles) sind dezent expressiv. Wie überhaupt die ganze Inszenierung jene ganz zarte, leichte Überdrehtheit hat, wie man sie von Stummfilmen kennt.

Warnung eines Untoten

Und genau das dient treffsicher der darstellerischen Präzision. Bis in die großen Statisterieszenen hinein stimmen die Bilder; die Revolutionsmassen sind mit Strumpfmasken anonymisiert, die Protagonisten des politischen Spiels um Macht und Mord bekommen klare Kante; auch deswegen, weil die Spieler sich zwischendurch – ganz im Sinne Brechts – vorstellen, ihre Biografien und Rollen durchleuchten: Man blickt hinter die Kulissen, hinter die Ab- und Ansichten des Personals. So schlicht und raffiniert wird aus Dantons Tod ein atemberaubend aktuelles und eindringliches historisches Lehrstück. „Meine Seele“, sagt Robespierre, der Erfinder des Staatsterrorismus, zuletzt, „ist unsterblich.“ Deutliche Warnung eines Untoten. Im Zentrum von Stück und Inszenierung stehen Dantons und Robespierres Streitgespräch um Menschlichkeit und/oder Moral in der Politik, drumherum ranken sich die Ränke der Gewinner und Verlierer und Büchners stets durchschimmernde Todesnähe. Davon ganz durchdrungen ist Nils Liebscher in der Titelrolle. Unheimlich charismatisch in ihrem Fanatismus sind Thorsten Köhler als Robespierre und Benjamin Hübner als St. Just: gruselige Menschen, zu Monstern mutiert. Sarah Zaharanski übernimmt in Straubs Inzenierung alle Frauenrollen, die unter dieser Idee allerdings spürbar leiden. Einzig da gibt es eine Delle im ansonsten dichten Danton-Geflecht. (Christian Muggenthaler)

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