Kultur

Valery Gergiev. (Foto: Tobias Haase)

01.03.2022

Maestro stolpert über die Ukraine

Zur Kündigung von Valery Gergiev: OB Reiters späte Einsicht

Die Würfel sind gefallen. Valery Gergiev wird die Münchner Philharmoniker als Chefdirigent verlassen. Sein Vertrag soll aufgehoben werden, ab sofort darf er keine Konzerte mit dem Orchester realisieren. Das ließ Dieter Reiter (SPD), Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München, am Dienstagvormittag in einer Pressemitteilung erklären.  Zuvor hatte Gergiev eine Frist bis Montag um 24 Uhr kommentarlos verstreichen lassen.

„Valery Gergiev hat sich trotz meiner Aufforderung, sich eindeutig und unmissverständlich von dem brutalen Angriffskrieg zu distanzieren, den Putin gegen die Ukraine und nun insbesondere auch gegen unsere Partnerstadt Kiew führt, nicht geäußert. Ich hätte mir erwartet, dass er seine sehr positive Einschätzung des russischen Machthabers überdenkt und revidiert. Das hat er nicht getan.“ In der aktuellen Situation wäre aber, so Reiter weiter, ein „klares Signal für das Orchester, sein Publikum, die Öffentlichkeit und die Stadtpolitik unabdingbar gewesen, um weiter zusammenarbeiten zu können. Nachdem dies nicht erfolgt ist, bleibt nur eine sofortige Trennung. Alles weitere werden wir so schnell wie möglich klären.“

Damit macht es sich Reiter sehr einfach

Schon das Ultimatum, das Reiter am vergangenen Freitag gegenüber Gergiev ausgesprochen hatte, wirkte mehr wie eine übereilte Reaktion. Tatsächlich hatten das italienische Mailand und die dortige Scala bereits am Donnerstag zu Beginn des Krieges von Gergiev eine offene Distanzierung von Putin und dessen Angriffskrieg auf die Ukraine verlangt. Auch die Wiener Philharmoniker hatten frühzeitig ein Gastspiel mit Gergiev in New York umbesetzt.

Die Frist von Reiter erscheintunglaubwürdig, weil sie viel zu spät kommt. Schon als Gergiev 2015 offiziell sein Amt als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker antrat, wussten alle von seinen engen, freundschaftlichen Beziehungen zu Putin. Auf einer denkwürdigen Pressekonferenz in München im Herbst 2013 relativierte der damals noch designierte Chef homophobe Gesetzgebungen in Russland.Als wenig später im Frühjahr 2014 die Krim annektiert wurde, begrüßte Gergiev auch dies. Damals ist er trotzdem Chefdirigent der Philharmoniker geworden. Jetzt die Reißleine zu ziehen und dafür auch noch Münchens Partnerstadt Kiew heranzuziehen, kann von eigenem Versagen nicht ablenken. Schon bei der Krim-Frage hatte die ukrainische Gemeinde in München heftig protestiert, ohne dass sie damals ernsthaft gehört worden war.

Gleichzeitig verschweigt Reiter, was Gergiev für München erreicht hat. Diese Leistungen sind auch sichtbar, zum Beispiel in Gestalt der Isarphilharmonie. Wie die Stadt zudem aus einem millionenschweren Vertrag fristlos herauskommen möchte ohne finanziellen Verlust, das bleibt vorerst ein Geheimnis. Ob das Nichtäußern von Gergiev oder gar ein Redezwang überhaupt eine fristlose Kündigung rechtfertigen, das bleibt arbeitsrechtlich fraglich. (Marco Frei)

Lesen Sie mehr über das Thema in der kommenden Printausgabe der BSZ am 4. März.

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