Kultur

Großartig spielt Benno Schulz die Zentralfigur Josef. (Foto: Jochen Quast)

03.06.2016

Malerischer Irrsinn

Theater Regensburg beeindruckt mit der Bühneninterpretation von Kafkas "Der Prozess"

Taugt Franz Kafkas Der Prozess als Stoff für die Bühne? Und wie er taugt! Im Roman wird anhand der Figur des Josef K., der eines Morgens von anonymen Gerichtsmächten unter Anklage gestellt wird, ohne je zu erfahren, warum all dies eigentlich geschieht, literarisch mit der Abhängigkeit des modernen Menschen von Systemen wie Staatlichkeit und Bürokratie gespielt. Kafkas Figuren finden sich regelmäßig in einer alptraumartigen Surrealität wieder, in der alles, was sie tun, die Situation nur noch verschlimmert. Man kann das als eine Art Slapstick des Traumatischen begreifen. Als große, üppige Veranschaulichung dieses klassischen Romans der Moderne kommt nun die Regensburger Inszenierung daher: Sprache, Bilder und Bewegung zwischen Surrealismus und Expressionismus. Stephan Teuwissen hat zu diesem Versuch über Kafka eine Bühnenversion geschaffen, die den Stoff in eine Art Libretto umsetzt, Szene für Szene auseinandernimmt, Partikel neu zusammensetzt und anreichert. Mittendrin Josef K., der nicht weiß, wie ihm geschieht. Diese mosaikartige Textschredderei nimmt Regisseurin Mélanie Huber auf, setzt ihre Bilder drauf, die an jene Zeiten erinnern, in denen Kafka groß und bedeutend wurde. Sie zitiert das Theater des Expressionismus’, den Dada und den Surrealismus, die großen Gesten des Stummfilms, unterstützt von Lena Hiebels aufwendig-kreativen Kostümen. Das Bühnenbild von Nadia Schrader wiederum erweckt Assoziationen zur Kunst jener Zeit, an Bilder des Zerbrechen der Wirklichkeitsebenen. Denn genau um dieses Zerbrechen geht es in Hubers Inszenierung.

Mitschuldig von Geburt an

Die Unentschlüsselbarkeit von Kafkas literarischer Vision wird umgesetzt in eine kaum entschlüsselbare Bühnenwelt voll malerischen Irrsinns. Erklärt wird nichts – und dennoch ist das alles mehr als L’art pour l’art: Es ist die Bebilderung des potentiellen Zerfalls eines jeden Individuums in den sozialen Strukturen, die ihn umgeben und bestimmen. Es geht um die Frage, ob man sich von Geburt an mitschuldig macht an den kriminellen Machenschaften der Gesellschaft. Denn dann wäre die anonyme Anklage Josefs ja nur logisch. Er, säuselt seine irre Umgebung, solle sich mal nicht so haben, sich stattdessen einsaugen lassen vom obwaltenden Irrsinn, leben mit seiner transpersonalen Schuld: was für eine Wahnsinns-Metapher für den Menschen in der Moderne! Man muss das und Kafka mögen, sich konzentrieren, weil die saftige Ausstattung den Fokus ein wenig wegnimmt vom Text. Huber betont das Groteske der Situationen, fügt die Figuren immer wieder zu aberwitzigen Konstellationen und Bewegungsbildern zusammen, entwirft eine Voliere schrägster Vögel und Figuren. Wie beispielsweise Jacob Keller den hündischen Kaufmann Block hinwirft, ist eine Riesenspaß. Patrick O. Beck, Gunnar Blume, Christin Wehner, Franziska Sörensen und Susanne Berckhemer sausen pausenlos hochaktiv durch eine Vielfalt von Figuren, umscharwenzeln, umsingen, umsummen die Zentralfigur Josef. Die wird zu einer großartigen Rolle für Benno Schulz, dem sich wundernden Wandersmann durch die Welt des Wahnsinns. (Christian Muggenthaler)

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