Kultur

Eine Rauminstallation wie ein Wanderweg: Peter Engel und Florian Topernpong führen in eine Parallelwelt voll Kunst und Phantasie. (Foto: Anialie Chaubal)

03.12.2021

Mit dem Ofenrohr zum Großglockner

Gemeinsam im Cordonhaus Cham: Peter Engel und Florian Topernpong spüren mit Witz und Charme verborgene Wahrheiten auf

Guter Rat ist eben teuer. An der Wand hängen zwei alte Kaugummiautomaten in plärrendem Feuerwehrautorot, um Aufmerksamkeit zu heischen. Nur, dass hier keine zuckrig-klebigen Kugeln rauskullern, sondern guter Rat für 50 und schlechter Rat für 20 Cent. Diese Ratschläge sind handschriftlich auf Zetteln notiert und in Plastikkugeln gesteckt. Der Kaugummiautomat wiederum ist Bestandteil einer Installation der beiden Regensburger Künstler Peter Engel und Florian Topernpong, die aus einem der beiden Ausstellungsräume im Cordonhaus Cham einen Rundwanderweg gemacht haben.

Schon beim ersten Eindruck wird deutlich, wie sehr hier bis ins Detail Kunstvermittlung als Spiel gedacht wird, als Anregung der Phantasie. Dahinter liegt die Erkenntnis, dass die Kunst sehr wohl in deutlicher Erkennbarkeit beständig am Rand jedes Weges stehen kann und muss: als dringend notwendige Orientierung im Gelände und Beruhigung im aufgequirlten Daseinsbetrieb.

Ausflug in Parallelwelten

Olympia & Erika heißt die Ausstellung der beiden Ausflügler in jene Parallelwelten der Wirklichkeit, wo die eigentliche Wahrheit dräut: jenseits der platten Linearität und Rationalität, hinter den Kulissen des Entweder-Oder, unter dem flachen Boden sinnentleerender Monokulturen. Das ist kein Surrealismus, sondern eher ein Subrealismus: wenn man unter die Oberfläche der Wirklichkeit taucht und schaut, welche Vielfalt an verschlungenem Wurzelwerk hier herunten das Wachstum dort oben erst ermöglicht. Es ist eine Archäologie des Daseins. Eine Vielfalt, wie sie jetzt in Cham aufscheint, die Stunden zum Erkunden aufnötigen kann und sich jeder adäquaten Beschreibung schlussendlich entzieht, weil hinter der nächsten Ecke schon wieder eine Überraschung lauert.

Kein Schwarz und Weiß, sondern lieber ein Weiß auf Weiß begrüßt beim Eingang: „Das Echo wartete geduldig“, heißt es da in großen weißen Papierbuchstaben auf weißer Wand, hingehängt vom Wortakrobaten Topernpong. Das lässt gleich einen ganzen Assoziationsschwarm losblitzen, mitten hinein in die Wahrnehmungsphilosophie: Das, was man hier zu sehen bekommt, wartet ohne Hektik, bis es in die Erkenntnis eindringt.
Wie gelangt überhaupt der Eindruck von außen ins Bewusstsein? Inwieweit, wann und wie und warum erreicht das Subjekt ein Echo des Objekts? Und ist Kunst eben jener Informationsdienst, der geduldig ist und nicht mit der großen Keule schwingt?

Es folgt ein Rundwanderweg. Ausgestattet ist er wie ein echter Geländegang, aber eben als Miniparcours bis ins Detail durchinszeniert – mit Freiluftkino (Badeszene), Jausenstation (mit Dada-Kochbuch), einem Raum für Liebende (mit Discokugel und chinesischer Beautysalon-Musik), dem Großglockner (eine Art hölzernes Ofenrohr im Gebirge zum Hineinschauen), Kaugummiautomat, Gluck-Gluck-Getränkeautomat, Quitte und Warnschild mit der Aufschrift: „Dieser Weg wird nicht geträumt und bereut“.

Die beiden Regensburger erobern sich den Raum mit Phantasie als Bühne für eigene Werke, eingepasste Fundstücke, gemeinsam Produziertes, und verändern ihn so, dass man plötzlich mittendrin auf starke Kunst trifft, die einem etwas sagt, weil sie permanent mit Antagonismen und verrutschenden Wahrnehmungen spielt. Beide Künstler beziehen Sprache in ihre Kunst ein.

Witzeln mit Wittgenstein

In ihren Einzelarbeiten ergeben sich Unterschiede. Topernpong arbeitet viel mit archivierten Fundstücken, kombiniert sie neu, backt aus den alten Förmchen neue Formen und Formatierungen. Auf einer Bretterwand voller leicht mitgenommen wirkender Plakate treffen Cartoons aus den 1950er-Jahren zusammen mit philosophischen Weisheiten. Man sieht einen verschreckt dreinblickenden weiblichen Gast und einen Kellner, der seine Hand in die Suppenschüssel taucht; statt einer witzigen Bildunterschrift steht da aber: „Wenn wir im Leben vom Tod umgeben sind, so auch in der Gesundheit des Verstandes vom Wahnsinn.“ Wittgenstein als Witz-Bildunterschrift: ein Wahnsinn.

Zwischen den Zeilen

Peter Engel ist ein wenig spielerischer, aber auch näher am inneren Flow, der ihm eingibt, was zu tun ist. Von ihm, dem bekannten Zeichner und Bühnenbildner, der zunehmend die Malerei für sich entdeckt, sind vor allem neuere und neueste Arbeiten zu sehen: voll Witz und Charisma, archetypischen Formen und Farbflächen. Eine Malerei zwischen den Zeilen. Wenn man hinblinzelt, sieht man, wie hier Fenster zu einer verborgenen Wirklichkeit aufgehen.

Bei der Vernissage zur Ausstellung kam die Künstlergruppe VEB Strich und Druck zu Einsatz. Da wurde gemeinsam gezeichnet und produziert, was das Zeug hält. Man kann die Ergebnisse in der Ausstellung besichtigen und kaufen. Das ist ratsam. Denn, so sagt die „Werksordnung“: Wird nicht genug verkauft, müssen die Künstler in Uranminen schuften. (Christian Muggenthaler)

Information: Bis 9. Januar. Städtische Galerie im Cordonhaus, Propsteistraße 46, 93413 Cham. Aktuelle Öffnungszeiten unter www.cham.de

 

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