Kultur

Aus Abfall hat Reiner Zitta seine Flugzeuge gefertigt – bestaunt von Besucherinnen und Besuchern des Luftmuseums. (Fotos: Luftmuseum Amberg/Marcus Rebmann)

11.07.2025

Nur Fliegen ist schöner

Das Amberger Luftmuseum zeigt Abfallkunst von Reiner Zitta, luftige Architektur von Hans-Walter Müller und filigrane Werke von Christoph Bergmann

In der Alten Mühle von Pühlheim wohnt der Künstler Reiner Zitta seit Jahrzehnten unter einer Brücke der A 6, die gleichzeitig Teil der östlichen Einflugschneise des Flughafens und des Flugkreuzes aller Himmelsrichtungen ist. Kein Wunder, dass Fliegen und Flieger Zittas Kindheitstraum sind – auch wenn er keinen Flugschein besitzt. Und weil er ein Künstler der Arte povera und der Objets trouvés ist, bastelt er auch seine Aircrafts aus allem Abfall der Alten Mühle: vom Segelflieger bis zum Langstreckenjet wie Seifenkistl aus Holzlatten, Pappe, Packpapier und das Fahrwerk aus Klorollenscheiben.

Jetzt macht er aus dem hohen Kreuzrippengewölbe im Amberger Luftmuseum sein ganz persönliches Aerodrom, ein wildes Durcheinander wie auf der Smartphone-Karte von Flightradar. Für Wilhelm Kochs berühmtes Museum an der Vils mitten in Amberg ist die luftige Flugwelt des Mittelfranken Zitta natürlich ein Thema comme il faut. Und vielleicht ein Verkaufsschlager, denn vom „ganz großen Flieger“ zu 1500 Euro bis zum kleinsten Zitta-Modell zu 187,50 Euro kann man sich dort eine Airline zusammenkaufen.

Einfamilienhäuser im Urwald

Ein bisschen teurer waren die Werke des Luftarchitekten Hans-Walter Müller weltweit: jetzt zumindest per Bild zum ersten Mal in Deutschland präsentiert. Und weil diese pneumatische Architektur meistens gigantische Volumina hat, zeigt das Luftmuseum jetzt immerhin eine Halbkugel zum Aufblasen. „Nur die eingeblasene Luft trägt die Haut“, belehrt Müller den Besucher, und darunter passen gemütliche Einfamilienhäuser im Urwald oder Nationenpavillons bei der Olympiade.

Was bei einem Luftarchitekten überdies überrascht: Müller hat auch für eine Ballettaufführung des berühmten Maurice Béjart in Brüssel gearbeitet – Luftschlösser für die Ballettbühne. Es gibt nichts, keine mögliche Verwendung, für die der inzwischen 90-jährige Müller nicht etwas Architektonisches entworfen hätte. Er ist auch privat seiner Leidenschaft treu geblieben und wohnt auf einem Flughafen südlich von Paris –natürlich in einem seiner Luftschlösser. Die hat Müller zeitlebens weltweit realisiert: Die Bilder seiner Amberger Ausstellung zeigen Beispiele aus Südamerika, besonders aus Frankreich – direkt vor dem großen Bogen von „La Défense“ in Paris-Neuilly, im Hof des Louvre oder am Strand des Mittelmeers.

Gegen die farbliche Eintönigkeit von Beton setzt Müller die Farben seiner Luftkugeln, aber es gibt natürlich auch durchsichtige Konstruktionen. Etwa für Radfahrer, die in einer Luftkugel sitzen und strampeln, um sich vor dem Smog auf den Champs-Élysées zu schützen. Müller denkt nicht nur singulär und fantastisch, sondern auch in Serie und praktisch, hat zum Beispiel Seefrachtcontainer entworfen, in die stählerne Zugänge eingebaut werden. Wer nachvollziehen will, wie Müller als Ingenieur und Konstrukteur arbeitet, kann das auf Zeichnungen nachvollziehen oder mit einem arte-Video. Müller empfindet seine Arbeit als „biologische Architektur“, als „lebendigen Organismus“, und ist damit heute erst recht en vogue.

Wenn man schließlich über die alten Stiegen im dritten Stockwerk des Luftmuseums gelandet ist, begegnet man noch einmal kurz der Geschichte des Fliegens: mit den filigranen Objekten von Christoph Bergmann.

Skulpturengruppe als Dauerleihgabe

Die sind in dessen Atelier in München entstanden, waren 1992 zur Eröffnung der Flugwerft Schleißheim des Deutschen Museums zu sehen, es gab Ausstellungen in London und Paris. Jetzt hat Bergmann seine Skulpturengruppe dem Luftmuseum als Dauerleihgabe überlassen. Mit ihren Gegensätzen von „schwer und leicht, solide und fragil“ ist das ein Gewinn. (Uwe Mitsching)

Bis 14. September. Luftmuseum Amberg, Eichenforstgäßchen 12, 92224 Amberg. Mittwoch, Donnerstag 14 bis 17 Uhr, Freitag bis Sonntag und am Feiertag 11 bis 17 Uhr. www.luftmuseum.de
 

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