Kultur

Vytautas Narbutas’ Bühnenbild gleicht einem Wimmelbild, in dem man die Darstellenden suchen muss. Hier eine Szene aus dem zweiten Aufzug von "Tristan und Isolde" mit (von links) Birger Radde (Melot), Andreas Schager (Tristan), Günther Groissböck (Marke), Camilla Nylund (Isolde) und Christa Mayer (Brangäne). (Foto: Enrico Nawrath)

02.08.2024

Ramschiger Erinnerungsraum

Die Eröffnungspremiere „Tristan und Isolde“ auf dem Bayreuther Festspielhügel hinterließ einen schwachen Eindruck

Ein Notbehelf kann im Ergebnis bleibender sein als gedacht. Das gilt für die Vorgängerproduktion von Tristan und Isolde, mit der 2022 die Bayreuther Wagner-Festspiele eröffnet wurden. Sie war seinerzeit während der Pandemie zusätzlich neben dem Ring des Nibelungen realisiert worden, für den Fall, dass der Ring coronabedingt abgesagt werden muss. Nach der Premiere der diesjährigen Tristan-Neuproduktion steht fest: Der Notbehelf von 2022 war deutlich besser.

Da ist die Regie des Isländers Thorleifur Örn Arnarsson: Wie zuvor erklärt wurde, sollte die Vorgeschichte in den Fokus gerückt werden. Im Programmheft wurde sie abgedruckt, sie findet sich in jedem besseren Opernführer. Demnach wird das Waisenkind Tristan von Pflegeeltern großgezogen. Als Jugendlicher wird er entführt und landet in England bei König Marke, wo er Morold tötet. Dieser ist wiederum der Vetter und Verlobte der irischen Königstochter Isolde. Tristan sucht Isolde auf, weil er von Morolds vergiftetem Schwert verwundet wurde. Nur Isolde kann die Wunde heilen. Es entflammt ein tiefes Begehren.

Ungenutztes Vorspiel

Leider erschließt sich nicht, wo sich in der Inszenierung diese Vorgeschichte versteckt. Selbst das lange orchestrale Vorspiel bleibt ungenutzt, obwohl hier ein konzises Narrativ hätte inszeniert werden können. Wenn sich der Vorhang öffnet, hängen allerlei Taue vom Theaterhimmel herab (Bühne: Vytautas Narbutas). Für Isolde hat Ausstatterin Sibylle Wallun ein weißes Brautkleid mit Buchstaben entworfen. Im zweiten Aufzug ist ein riesiger Schiffsrumpf zu sehen, der auch ein Schloss sein kann. Viel Kunst und Krempel liegt, steht und hängt herum – diese Ansammlung von Ramsch steht wohl für einen Erinnerungsraum von Tristan und Isolde. Rätseln kann man beispielsweise, warum ein Gemälde in Caspar-David-Friedrich-Manier an einer Wand hängt: Ist das vielleicht schlicht ein Beitrag zum diesjährigen Friedrich-Jubiläum?

In diesem überfüllten Gerümpel verschwinden fast schon die Darstellenden. Generell hatte diese Inszenierung im Vorfeld die räumlichen Beschaffenheiten im Festspielhaus wohl gar nicht im Blick. Vieles wirkte unübersichtlich, und auf manchen Plätzen soll bisweilen wenig zu sehen gewesen sein. Das Lichtdesign von Sascha Zauner war zwar kunstvoll und schick, leistete aber hier wenig Abhilfe.

In dieser überladenen Szenerie waren die Darstellenden zum statischen Nichtstun verdonnert. Das zweite zentrale Problem ist die Personenführung: Sie war nicht nur schwerlich als solche zu erkennen, sondern konterkarierte im Grunde das, was im Vorfeld durchgesickert war. So sollte Isolde mehr als starke Frau auftreten und Tristan im Charakter schwächer. In der Gestaltung von Camilla Nylund wirkte diese Isolde eher nachdenklich bis kühl. Dagegen zeichnete Andreas Schager einen mehr burschikosen Tristan. Es war fraglos beeindruckend, mit welcher stimmlichen Präsenz er die Rolle sang. Allerdings wirkte sein Timbre fast schon metallisch-stählern, sehr laut und gewaltig. Bei der Premiere generierte diese gesangliche „Tour de Force“ im finalen dritten Aufzug unhörbare Brüche in der Stimme. Wenn Schager auf diese Weise die weiteren Tristan-Aufführungen singt, wird das seiner Stimme nachhaltig schaden.


Ausgesprochen vibratoreich überdies Camilla Nylund sowie Christa Mayer als Brangäne. Rein stimmlich war es Olafur Sigurdarson, der als Kurwenal den stärksten Eindruck hinterließ. Als Marke musste Günther Groissböck – ebenso wie die Regie – einige Buhrufe einstecken.

Angezogene Handbremse

Und das Dirigat von Semyon Bychkov? Es war genauso behäbig und statisch wie die Regie. Ein wirkungsvoller Fluss stellte sich nicht ein. Erst im dritten Aufzug wurde es deutlich fließender. Sonst aber dirigierte Bychkov mit angezogener Handbremse. Gerne hätte man wie 2022 Markus Poschner am Pult erlebt. Wie zu hören war, gab es im Festspielorchester aktuell viele Corona-Fälle, die teils kurzfristig ersetzt werden mussten. Das könnte erklären, warum beim Festspielauftakt die Intonation zumal bei den Streichern und Holzbläsern bisweilen arg wackelte. Leider war das insgesamt eine schwache Bayreuth-Eröffnung. (Marco Frei)

 

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