Kultur

Kästchen aus Bronze und Stahl. (Foto: Museum Peterhof)

31.01.2020

Savoirvivre am Zarenhof

Schätze aus der russischen Sommerresidenz Peterhof im Augsburger Schaezlerpalais: Gewieft wurde europäisches Knowhow eingekauft

Das „Versailles der Zaren“, die Sommerresidenz Peterhof, 30 Kilometer westlich von Sankt Petersburg, besucht das Schaezlerpalais in Augsburg mit über 100 Schätzen. Kunstschätze der Zaren – Meisterwerke aus Schloss Peterhof lautet der Titel der Schau. Mit diesem vergleichsweise kleinen, aber feinen Kaleidoskop von Kunstwerken und kunsthandwerklichen Stücken aus dem Füllhorn des Staatlichen Museums Peterhof wird dem Besucher die seltene Möglichkeit geboten, einen Einblick in die Lebenswelt des russischen Hofs seit der Regierungszeit Peters des Großen (1672 bis 1725) zu gewinnen.

Peter der Große war es, der das „Fenster nach Europa“ mit durchgreifenden, alle gesellschaftlichen Bereiche erfassenden Reformen weit aufstieß. Seine mit nachhaltigem Druck durchgesetzten Neuerungen veränderten nicht nur den russischen Alltag sicht- und fühlbar, sondern führten auch mit der Fortsetzung und Vertiefung der Maßnahmen durch die Zarin Elisabeth I., insbesondere aber durch Katharina II. („die Große“), zur wirtschaftlichen Blüte des Reichs.

Die Reformstrategie des auch von seinen Körpermaßen her großen Zaren war so einfach wie genial: Verträge mit angeworbenen ausländischen Baumeistern, Künstlern und Kunsthandwerkern aus Frankreich, Holland, Italien und Deutschland enthielten immer eine Klausel, die den Auftragnehmer verpflichtete, russische Schüler anzunehmen. Die von Peter ins Leben gerufenen Pensionszahlungen für Bildungsaufenthalte im Ausland gaben den Vorhaben weiteren Auftrieb. Auf diese Weise entstand sukzessive in vielen einschlägigen Sparten eine Generation von einheimischen Spezialisten, die ausländische Kräfte zu ersetzen begannen und eigene meisterliche Produktionsstätten und Manufakturen ermöglichten.

Je nach persönlichem Geschmack und um den riesigen Bedarf an Kunstwerken und kunsthandwerklichen Objekten für die Einrichtung der Residenzschlösser zu decken, kauften Peter und seine Nachfahren auf dem Thron weiterhin in den westeuropäischen Zentren wie Paris, London und eben auch Augsburg ein. Diese Entwicklung reflektieren die Ausstellungsexponate in den relevanten Bereichen trotz der räumlich bedingten Beschränkung überzeugend.

Riesenauftrag für Augsburg

So sieht man Teile des persönlichen Teeservice von Zarin Elisabeth I. wie auch Teile bemalten Geschirrs für den täglichen höfischen Gebrauch aus der eigenen kaiserlichen Porzellanmanufaktur. Andererseits kann man Fayencegedecke aus dem berühmten Husk-Service bewundern, das Zarin Katharina II. als Tafelservice für 24 Personen in England bei Josiah Wedgwood in Auftrag gab.

Katharina II. war es auch, die den von ihr hochgeschätzten Augsburger Silberschmieden 1782 einen gigantischen Auftrag erteilte: sechs silberne Tafelservice für neu geschaffene Gouvernements im russischen Reich. Jedes Service für 40 Personen mit jeweils rund 1000 Teilen wog über eine halbe Tonne und kostete 80 000 Gulden. Die Bildnisse der Zarinnen Elisabeth I. und Katharina II., ausgeführt von den berühmten zeitgenössischen Porträtisten Charles André van Loo und Vigilius Eriksen, sind ein Blickfang unter den ausgewählten Bildern aus der Peterhofer Gemäldegalerie, die erste Russlands überhaupt. Darunter sind auch einige Seestücke – Peter I. hatte eine große Leidenschaft für die Seefahrt.

Auch in Augsburg tätige Künstler wie Joseph Christ, Maler der Supraporte für das Schaezlerpalais, und Gregorio Guglielmi, der Maler des Deckenfreskos im Festsaal des Augsburger Palais, arbeiteten zeitweilig in St. Petersburg für den Zarenhof.

Französische Mode

Der Trend zum „à la française“ zog sich durch viele Lebensbereiche der russischen Herrscher, besonders augenfällig in der Mode und beim Kunstmobiliar. Das wird in der Ausstellung beeindruckend demonstriert. Einem Sesselpaar aus der Pariser Werkstatt Tilliard werden Erzeugnisse aus der Hand russischer Meister gegenübergestellt: der renovierte Thronsessel Katharinas II. ganz in diesem Stil „à la reine“ sowie ein im französischen Tischtypus gefertigtes Toilettentischchen.
Weitere in der Reformzeit, vielfach auch mit westeuropäischem Knowhow entwickelte russische Handwerkskunst erschließt sich dem Ausstellungsbesucher durch Exponate kunstvoller Metallarbeiten wie Kerzenleuchter, Schnupftabakdosen, Besteckgarnituren und Schmuckkästchen, feinsten Gravurarbeiten aus Petersburger Glaswerkstätten sowie figuralen und ornamentalen Schaustücken aus der Petersburger Tapisseriemanufaktur. (Reiner Oelwein)

Abbildungen (Fotos: Museum Peterhof):
Katharina II., gemalt von Vigilius Eriksen.

Der Thronsessel von Katharina II.

Modell des Segelboots von Zar Peter I. aus vergoldetem Silber.

Information: Bis 15. März. Schaezlerpalais, Maximilianstraße 46, 86150 Augsburg. Di. bis So. 10-17 Uhr. www.kmaugsburg.de

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