Kultur

Roter Steinway statt Braunvieh: Klassik ein bisschen hip – das soll auch jüngeres Publikum anlocken. (Fotos: Ammerseerenade)

14.08.2015

Schickes Festival im Kuhstall

Der Landkreis Landsberg am Lech bietet zurzeit Kammermusik in landwirtschaftlichem Ambiente

Das Programmheft ist in „Duft-Molke“ verpackt, zum Konzert des Szymanovski-Quartetts gibt es Borodin, Dvorak, Haydn – aber auch Schweinsbraten mit Knödl (alles zusammen für 44 Euro auf den besten Plätzen und mit der größten Fleischportion). Leider schon vorbei ist das Picknick zu Peter Tschaikowskys 175. Geburtstag. Dafür hatte sogar der neue Münchner-Philharmoniker-Chef Valery Gergiev die Schirmherrschaft übernommen und die besten jungen Musiker aus St. Petersburg nach Diessen empfohlen. Denn dort gibt es jetzt zum zweiten Mal die AMMERSEErenade und die versteht sich als Genussfestival.
So sehen das jedenfalls die beiden Initiatoren Doris Pospischil und Hans-Joachim Scholz. Sie war früher Wirtschaftsjournalistin, er Banker. Beide sind „bekennende und leidenschaftliche Klassikfans“, sie diskutieren viel über die richtige Festivalmischung. Und sie haben ein einfaches Rezept ausgetüftelt: „Was uns gefällt, gefällt vielleicht auch anderen Leuten.“
Für die zweite Auflage ihres Festivals (noch mit Anschubfinanzierung aus dem „Kulturfonds“) rund um den Ammersee haben sie zwischen dem 30. August und dem 5. September 34 Veranstaltungen geplant. Natürlich wollen sie und ihr „Verein Kultur am Ammersee“ das Besondere realisieren – die Konzert-Konkurrenz im Fünf-Seen-Land schläft nicht. Am wichtigsten ist ihnen, so erzählen sie zuhause in Schondorf, dass ihr Festival rund um den ganzen Ammersee stattfindet und entsprechend alle drei Landkreise umfasst. Damit haben sie schon mal die Landräte im Boot. Denn mit der Serenadenwoche soll der „Künstler- und Bauernsee“, wo „herrliche Natur kostenlos vor der Haustür liegt“, bekannter werden. Nicht nur durch Konzerte, sondern auch durch Workshops für junge Musiker und mit all den kleinen Kirchen und Kapellen, die für das Festival aufgesperrt werden.

Vom Sport zur Kunst

Überhaupt die Schauplätze: Die reichen von der Konzertscheune in Hechenwang über die Erzabtei St. Ottilien (nicht mehr ganz am Ammersee) bis zum Braunviehstall von Mustergut Achselschwang. Und weil es ein Festival am See ist, gibt es auch „Classic im Bootshaus“ samt Empfang, Dinner und dem jungen Pianisten Denis Kozhukhin (der einen Monat zuvor auch auf Schloss Weißenstein im fränkischen Pommersfelden gespielt hat).
Doris Pospischil weiß, was Marketing heute heißt: kein Konzert ohne Attraktivität für junge Leute, eine „happy classic hour“, ein roter Steinway und ein bisschen bildende Kunst drumherum. Sie will die Sponsorengelder vom Sport weg und zur Kunst lenken: zu jungen Künstlern, zu jungem Publikum. Deshalb ist ihr „Classic and art“-Programm vielleicht auch ein bisschen sehr anglophil, aber die vielen Musiker aus Russland, Armenien bis nach Taiwan machen das mit Osttendenz wieder wett.
Es gibt auch arrivierte Stars: Die Sopranistin Juliane Banse kommt zum Eröffnungskonzert und zur Uraufführung von Wilfried Hillers Gaia. Die unvergessene Wagner-Sängerin Anja Silja erzählt von Wieland Wagners Zeiten, von Sawallisch und Dohnanij. Am anderen Ende der Bekanntheitsskala: Bei den happy hours kann nach Voranmeldung jeder auftreten, der sich messen will mit einem „Jugend musiziert“-Preisträger wie Michael Andreas Häringer, der von Bariton Erwin Schrott schon einen Kompositionsauftrag bekommen hat.
2500 Plätze insgesamt können Pospischil und Scholz die Festspielwoche über verkaufen. Und fast immer gibt es Verpflegung dazu: Klassik macht offenbar Hunger. Auch das Stühleschleppen gehört dazu, das Scholz mit Nachbarn selber erledigt.
Die Fahrräder muss man allerdings selber mitbringen für eine der Touren „zwischen Himmel und See“ und zu vielen Stationen, wo Musik wartet – kostenlos. Auch damit will man das Publikum aus der Metropolregion München ansprechen oder Leute, die gerade von den Salzburger Festspielen nachhause fahren. So wie früher Pospischil und Scholz, die von unterwegs, aus der Londoner Wigmore Hall oder den Festspielen von Glyndebourne, ihre Ideen mitgebracht haben und wissen, was alles zu einer schicken Landpartie mit Musik gehört. (Uwe Mitsching) AMMERSEErenade, 30. August bis 5. September. www.ammerseereande.de

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Soll das Gesetz für mehr Barrierefreiheit gelockert werden?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
X
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.