Kultur

Ausschnitt aus einem von Johannes Grützkes Selbstporträts (2012); die Gesamtansicht finden Sie im Beitrag. (Foto: Galerie KK Klaus Kiefer)

04.05.2018

Schonungslose Selbstschau

Das Museum Penzberg zeigt Johannes Grützkes vielschichtige Malerei

In Bayern konnte sich Nürnberg bisher besonderes Interesse für den Maler Johannes Grützke ans Revers heften: 1974 gab es dort die erste Retrospektive, zehn Jahre lang war Grützke Professor an der Nürnberger Kunstakademie, 2001 folgte eine große Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum. Und wenn man ins Opernhaus geht, begegnet einem Grützke mit seinem großen Komponistenbild – eine herrliche Inszenierung im Foyer. Wie sich der 2017 verstorbene Maler und Grafiker selbst inszenierte, zeigt nun das Museum Penzberg. Es nimmt den ersten Todestag des Berliners zum Anlass, ihn auf drei Stockwerken zu präsentieren.
Zu Nürnberg und seiner Vergangenheit als roter Arbeiterstadt hat Grützke gut gepasst, jetzt auch zu Penzberg mit seiner Bergbaugeschichte: „Ein Spiegel des Volkes“ seien die „üppigen Ölbilder, leuchtenden Pastelle, zarten Grafikzyklen“. Aber wenn man die Holztüren in die Penzberger Ausstellungsräume aufmacht, ist es doch hauptsächlich Grützke selbst, den man im Spiegel seiner Bilder sieht. Immer baut er sich in seine Erfahrung von Welt selbst ein. Selten sieht man in der wiederbelebten figürlichen, nachabstrakten Malerei der letzten Jahrzehnte einen so schonungslos-selbstkritischen Umgang mit der eigenen Kreatürlichkeit, mit dem nackten Oberkörper, mit Kopf und Gesicht bis hin zu Nasenloch und Mundhöhle.
Das alles schaut einen mit dem 1997 entstandenen und programmatisch betitelten Selbst überdimensional an: forschend durch die Brillengläser, Geruch aufnehmend durch die riesige Nase, atmend, sprechend durch einen aggressiven Mund, in dem Zähne und Zunge zu beherrschenden Komponenten werden: eine fesselnde Gesichtslandschaft bis hoch zu den stachligen Augenbrauen und in einer höchst subtil genützten Farbpalette bis in die Nasenlöcher hinein.

Voyeuristische Neugier

Diese Schonungslosigkeit sich selbst gegenüber wird noch gesteigert, wenn Grützke in einem Gemälde von 1995 gleich viermal auftritt: Jeder Grützke bohrt dem anderen ein Schlachtermesser in Brust oder Rücken. Jedem Mordopfer wird ein Begriff des Bildtitels Authentizität, Realität, Identität, Demut zugeordnet – diesen bleichen Oberkörpern, die einem genauso muskulös wie verkrampft auch auf anderen Bildern begegnen. Wie auch die Wunden, die an Caravaggios Der ungläubige Thomas erinnern.
Das einzige Mal, wo sich der Maler Grützke für das Objekt Grützke in dieser Ausstellung ein Lächeln abringt, ist das Selbstbildnis für die Leiterin von 1973. Selbst da, wo nur ein Stück Grützke zu sehen ist (Hand mit Löffel), ist es unverkennbar von dieser knollig-muskulösen Fleischlichkeit, die Grützke heißt. „Seht, das bin ich“, sagte er in einer Rede an junge Leute 1970 in Basel, in der er sie aufforderte: „Dokumentiert euch!“
„Neugier ist die Intelligenz der Malerei“, zitiert ihn die Ausstellung, zum Beispiel die voyeuristische Neugier auf eine Gruppe von nackten, monströsen Körpern Im Watt, in deren Mitte einem Mädchen die Brust durchbohrt ist. Oder auf die Gesichterlandschaften von berühmten Leuten wie Kleist oder Humboldt. Wenn er jemand anderen malt, so Grützke in einem Statement zum Realismus von 1970, so male er immer „Personen nach meinem Spiegelbild, sie haben meine Gesichtszüge und Gebärden“. Auch die Paviane auf einer Bilderserie sind unverkennbar Grützke.
Das Museum Penzberg setzt mit der viele Aspekte beleuchtenden Grützke-Schau sein Vorhaben um, neben Campendonk und dem „Blauen Reiter“ Künstler „von übergeordneter Bedeutung und zeitloser Relevanz“ zu zeigen. In den kleinen Kabinetten rücken die Grützkes einem ganz schön auf den Pelz. (Uwe Mitsching) Information: Bis 3. Juni. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Am Museum 1, 82377 Penzberg. Di. bis So. 10-17 Uhr. www.museum-penzberg.de Abbildung:
Eines von Johannes Grützkes Selbstporträts (2012). (Foto: Galerie KK Klaus Kiefer)

Immer wieder begegnet man Grützke selbst in seinen Bildern: Auch die Männer in „Authentizität, Realität, Idealität, Demut“ (1995) tragen seine Gesichtszüge.    (Foto: Galerie KK Klaus Kiefer)

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