Wolfgang Buchner verabschiedete sich vergangene Woche vom Staatstheater Augsburg: nach 40 Jahren als Bühnen- und Kostümbildner sowie zuletzt als Vorstand des Malsaals und Leiter der Kascheur- und Tapezierwerkstatt. Buchner hat sich auch als raffinierter „Ermöglicher“ des Augsburger Opernballs im Großen Haus am Kennedyplatz einen Ruhmesplatz in den Herzen der Augsburger erobert.
Eine Rückschau auf sein Schaffen werden die Städtischen Kunstsammlungen zeigen – sobald die Museen wieder öffnen dürfen, dann aber bis zum 2. Mai. Zur Finissage der Ausstellung Vissi d’arte, die in Zusammenarbeit mit Wolfgang Buchners Ehefrau, der Künstlerin Hella Buchner-Kopper entstand, soll es dann ein „Theaterfamilien-Treffen“ geben mit zahlreichen künstlerischen Wegbegleitern Buchners.
Bücher schreiben
Wolfgang Buchner genießt jetzt erst einmal die Zeit, um bereits geschmiedete Zukunftspläne für die neue Lebensphase ohne „das ganze Theater mit dem Theater“ zu konkretisieren. Er will sich zum Beispiel wieder intensiv seiner Leidenschaft, dem Malen, widmen und auf ausdrücklichen Wunsch der Familie zwei Bücher schreiben: eines, das als Art Biografie auch davon erzählt, in welch einfachen Verhältnissen er in Österreich als Sohn eines Schusters aufwuchs; ein anderes,
das all die Anekdoten bündelt, die er in 40 bewegten Berufsjahren inmitten und hinter den von ihm geschaffenen Kulissen in Augsburg und andernorts miterlebte und die er bis dato lediglich zum Amüsement seiner Zuhörer erzählte. Wie beispielsweise sein Erlebnis mit dem berühmten italienischen Regisseur und Ausstatter Filippo Sanjust (1925 bis 1992), der 1982 in Augsburg für seine Inszenierung von Schuberts Oper Fierrabras eines Freitagnachmittags auf einmal in Unterhosen im Malsaal stand und das dann gegenüber dem staunenden Buchner nachvollziehbar mit dem Satz begründete: „Warum soll ich mir die Hose schmutzig machen, wenn es auch anders geht!“
Einen echten „Buchner“ beziehungsweise über ein Dutzend großformatige Ölgemälde nach Motiven von Caravaggio überreichte er dem Staatstheater als durchaus originelles Abschiedspräsent: Für das Galerie-Setting der Barockoper Orfeo ed Euridice, die Intendant André Bücker inszenierte, malte Buchner in einem selbst verordneten Schaffensrausch in 45 Tagen die 13 vom Bühnenbildner vorgesehenen Bilder.
Prägend für Buchner war sein Studium bei Heinz Bruno Gallée, der 1963 die erste Professor für die neu geschaffene Studienrichtung „Bühnengestaltung“ an der Akademie für Musik und darstellende Kunst Salzburg (Mozarteum) innehatte. Auch wenn Buchner ursprünglich „nur“ Malerei hatte studieren wollen, begeisterte er sich am Mozarteum, wo er seine spätere Frau kennenlernte, rasch für die komplexen Kompetenzen und die Vielfalt der handwerklichen Stilistik, die man als Bühnenbildner erwerben muss. Später, bei den ersten ebenso spannenden wie lehrreichen Engagements insbesondere bei den Salzburger Festspielen und in seiner Arbeit als Assistent von Günther Schneider-Siemssen, nutzte und filterte Buchner die vielen ästhetischen Impulse arrivierter Bühnenbildner, um seine eigenständige Handschrift zu formen.
Nach dem Studium und dem praktischen Meisterjahr wurde er am Ulmer Theater engagiert; nach einem Jahr folgte er dem Ruf des damals schon international renommierten Bühnenbildners Hans-Ulrich Schmückle, der zwischen 1954 und 1983 am Augsburger Stadttheater mit expressiven Bühnenräumen Theatergeschichte schrieb.
Andere unterstützen
Heute beschreibt Buchner die Essenz seiner künstlerischen Intention damit, „die Seele eines Stückes zu finden und auf die Bühne zu setzen“. Gut gelungen sei ihm dies zum Beispiel in der Augsburger Inszenierung von Madama Butterfly im Jahr 1997: Über die Beleuchtung in einer recht kargen, reduzierten Szenerie suchte er die Musik Puccinis nachzuempfinden, die Trauer der Protagonistin Cho-Cho-San einzufangen. Er schuf damit das, was er als „Seelenraum“ bezeichnet.
Diese Produktion hat er noch lebhaft in Erinnerung – viele andere sind ihm angesichts seiner enormen Schaffenskraft nicht mehr so präsent – kein Wunder bei rund 120 Produktionen, für die er als Bühnen- und Kostümbildner in Augsburg sowie als Gast in anderen Städten wie Aachen, Lübeck, Basel oder Bern verantwortlich zeichnete. Ganz zu schweigen von den rund 1000 Theaterarbeiten, die er als Leiter der Ausstattung betreute und als ein mit allen Wassern gewaschener, mit Farben, Techniken und Entstehungsprozessen vertrauter „Umsetzer“ der Konzepte und Entwürfe von Kolleg*innen Bühnenrealität werden ließ.
Mangelnde Ergriffenheit
Eine Prognose, wie sich das Theaterschaffen in Zukunft entwickeln wird, wagt er nicht zu stellen. Als Zuschauer und Theaterfachmann vermisst er an renommierten Häusern oft das von früher vertraute Gefühl, dass ihn die Kunst auf der Bühne komplett überzeugt, ihn „seelisch wirklich anrührt“, so Buchner. Diese Ergriffenheit vermisse er inzwischen zum großen Teil.
Vermissen im Zusammenhang mit Wolfgang Buchners Namen ist auch das Stichwort, wenn viele Menschen in Augsburg und Umgebung an einen Theatercoup der besonderen Art denken: an den Augsburger Opernball. Buchner „transponierte“ das Format im dritten Jahr der Intendantenzeit von Ulrich Peters vom wenig charmanten Ambiente der Kongresshalle in die Räumlichkeiten des Großen Hauses am Kennedyplatz. 16 Jahre lang, von 2001 bis 2016 war der Ball das gesellschaftliche Highlight des Jahres – viele Menschen wurden nur Theaterabonnenten, um auf diesem Weg an die heiß begehrten Eintrittskarten zu gelangen. Gegen Widerstände von allerlei Seiten wurde Buchner zum erfindungsreichen Opernball-Architekten, erstellte ein „21-Punkte-Konzept“, das einen aufwendigen Umbau von Vorder-und Hinterbühne samt ausgefeilten Logenneubauten mit Präzisionslogistik und geistreichem Dekor aller genutzten Räume quer durch das Stadttheater auf den Weg brachte. Der Opernball mauserte sich zum Megaevent, das auch noch rund 400 000 Euro jährlich einspielte. Und Wolfgang Buchner bekam 2016, beim bislang letzten Augsburger Opernball, für den das Motto „Die große Hollywood-Gala“ ausgegeben war, einen mehr als verdienten „Oscar“. (Renate Baumiller)
Abbildung: Detail von Wolfgang Buchners Kostümskizze für die Titelfigur in Donizettis komischer Oper „Don Pasquale“ (1992). (Foto: Kunstsammlungen Museen Augsburg)
Information: Nach dem Lockdown ist die Ausstellung „Vissi d’arte. Wolfgang Buchner – 40 Jahre leben für die Kunst“ bis 2. Mai 2021 zu sehen. Kunstsammlungen & Museen Augsburg, Schaezlerpalais/Café & Liebertzimmer, Maximilianstraße 46, 86150 Augsburg.
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