Kultur

Ländliche Voralpen-Idylle: Ausschnitt aus „Die Isar mit der Isarbrücke in München“. Das Ölbild malte Georg von Dillis um 1820. (Foto: Museum Georg Schäfer)

10.03.2017

Späte Wiederentdeckung

Georg von Dillis’ subtile Art, Stimmungen festzuhalten, macht ihn zum Vorläufer der Impressionisten. Eine Ausstellung im Museum Schäfer in Schweinfurt

Weitgehend ein Unbekannter ist heute Georg von Dillis. Auch zu Beginn des 19. Jahrhunderts nahm man den Maler und Pionier der stimmungsvollen, oft fast schon impressionistisch anmutenden Landschaftsdarstellung wenig wahr – er verdiente sich seinen Lebensunterhalt vor allem mit Malunterricht. Prominent wurde der Förstersohn (1759 bis 1841) aus dem oberbayrischen Giebing dann schließlich als Central-Galeriedirektor aller bayerischen Museen. Und: König Ludwig I. war von ihm begeistert; als er noch Kronprinz war, hatte er auf einigen seiner Reisen gen Süden Dillis mitgenommen. Doch so richtig in die Hauptkapitel der Kunstgeschichte schaffte es Dillis nicht, er wurde auch nicht als große Losnummer auf dem Kunstmarkt gehandelt. Bis ihn der Sammler Georg Schäfer wiederentdeckte. Dieser kaufte in den 1950er Jahren über 100 Werke aus dem riesigen Bestand von über 10 000 erhaltenen Dillis-Werken. Man beachtete Dillis wieder, die Qualität seiner Zeichnungen und Ölgemälde wurde neu bewertet.
Das Schweinfurter Museum Georg Schäfer zeigt in seiner Ausstellung Die Kunst selbst ist die Natur 70 Arbeiten aus dem eigenen Bestand, ergänzt durch fünf Leihgaben. Es ist quasi ein Eintauchen in das romantische Erfassen von Landschaft und Personen mit Zeichenstift und Farbe. Dillis, der aus einer Familie mit elf Geschwistern stammte, von denen einige ebenfalls künstlerisch tätig waren, wurde zwar wegen seiner Begabung gefördert, studierte aber zuerst Theologie, war als Kind der Aufklärung vielseitig interessiert und stieg durch seine Beziehungen zu den bayerischen Kurfürsten und Königen, durch seine Reisen und Kenntnisse der Kunstschätze in Europa als einflussreicher Staatsbeamter zur höchsten Position in der Verantwortung für die Museen im Lande auf.

Kaum Zeit zum Malen

Allerdings raubten ihm seine vielen öffentlichen Funktionen und Aufgaben einen Großteil seiner Zeit, er fand kaum die Muße zum Malen. Er nutzte jede freie Minute zum Erfassen seiner Eindrücke von unterwegs – das waren Zeichnungen hauptsächlich für private Zwecke. Offiziellen Aufträgen konnte er selten nachkommen. Der Akademiebetrieb interessierte ihn nicht, auch wenn er eine Zeit lang Professor für Landschaftsmalerei in München war, dafür mit seinen Studenten nach draußen, in die Natur ausschwärmte. Er orientierte sich an den alten Meistern, besuchte Museen in anderen Ländern und reiste bevorzugt nach Italien. Die Sicherung und Inventarisierung von Gemälden, Skulpturen und grafischen Werken in bayerischen Museen und für das Königshaus lagen ihm besonders am Herzen. Weil die meisten von Dillis’ Werken zum eigenen „Gebrauch“, nicht aber zur repräsentativen Zurschaustellung geschaffen waren, gerieten sie nach dem Tod des Künstlers aus dem Bewusstsein. Inzwischen schätzt man ihn wieder: Was seine Kunst auszeichnet, ist die Spontaneität seiner vor der Natur erfassten, locker aufs Papier gebrachten Eindrücke von Landschaft, Bäumen, Wasser und Menschen. Daraus ergibt sich beim Blick aus der Ferne ein atmosphärisch dichtes Bild. Dillis kam es dabei nicht auf die bevorzugte Perspektive prominenter Orte, auf wirklichkeitsgetreue Genauigkeit an – obwohl seine Sicht immer realistisch ist. Bei seinen Bildern flirren die Blätter an Bäumen, weil der Farbauftrag oft die gezeichnete Linie verlässt; man glaubt, ein Windhauch oder Sonnenstrahlen berühren sie. Wasser, Wolken, Wald wirken belebt. So erfüllt sich die Maxime von Dillis, dass die Kunst Mensch und Natur wieder stärker verbinden solle.

Skizzen am Wegesrand

Die Ausstellung, nach Themen eingeteilt, beginnt mit feinen Kopfstudien und Porträts, etwa vom Vater, dem schlafenden Bruder, von Kindern, von jungen Damen. Auch Tiere hatten es Dillis angetan: Man sieht Wagenpferde aus ungewöhnlicher Sicht und Hunde. Er hat auch Menschen festgehalten, die ihm auf Reisen begegneten: Hirten, ein bettelnder Veteran, eine Familie auf der Flucht, arme Leute. Aus Italien brachte Dillis Ansichten mit, die nicht dem üblichen Schema entsprachen, etwa von Tivoli. Dass eine römische Herbstlandschaft sich den idealen Vorstellungen annähert, liegt daran, dass dieses Bild eines der seltenen Auftragswerke ist. Sehr viel natürlicher sind da die Ölskizzen, etwa von München und Umgebung, vom Englischen Garten, von den Isarauen, von der Amper bei Dachau. Damit ihm der Himmel gut gelänge, experimentierte Dillis auch mit Arbeiten auf blauem Papier für Vorstudien zu Wolken. Malerischen Reiz erzielte er durch raffinierte Lichteffekte, etwa, indem er das Weiße des Papiers einfach frei ließ. Dillis schuf mit seinen lockeren Zeichnungen und Ölskizzen besonders stimmungsvolle Schilderungen von Landschafts- und Natureindrücken und erwies sich so als ein früher Vorläufer der Impressionisten. (Renate Freyeisen) Information: Bis 23. April. Museum Georg Schäfer, Brückenstraße 20, 97421 Schweinfurt. Di. bis So. 10-17 Uhr, Do. 10-21 Uhr. www.museumgeorgschaefer.de

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