Ein ganzes Jahr Jubiläumsfeier: Das wäre dem Anlass ange messen gewesen. Denn als die Kirche St. Stephan im Jahr 1020 geweiht wurde, kam sogar der Papst nach Bamberg. Es sollte damals das größte Fest der Welt sein. Der diesjährige Festreigen ist überwiegend Corona zum Opfer gefallen. Aber so wie vor 1000 Jahren, als dieses Treffen von Papst und Kaiser noch lange nachwirkte, könnte auch die Erinnerung daran über 2020 hinweg wachgehalten werden.
Konferenzen hoher Amtsträger*innen haben heutzutage viel von dem Glanz verloren, den sie früher einmal gehabt haben mögen. Im Mittelalter hingegen war die Gegenwart hoher Adeliger oder Kirchenmänner für die Menschen mit einer ganz besonderen Ausstrahlung verbunden, die sie in Staunen versetzte. „Stupor mundi“, das Staunen der Welt, nannte man Kaiser Friedrich II., der mit dem Bamberger Bischof Ekbert eng verbunden war. Allein die purpurne Farbe der königlichen Gewänder war zeitweise etwas höchst Wertvolles und Exklusives und selten oder nie für das einfache Volk verfügbar, von Silber und Gold ganz zu schweigen.
Als einer der beiden mächtigsten Männer des Zeitalters zwischen Antike und Neuzeit wurde der Papst angesehen, den die meisten Menschen kaum je zu Gesicht bekamen. Papstreisen im Stil eines Johannes Paul II. gab es im Mittelalter nicht. Auch bei weltlichen Herrschern waren diplomatische Fernreisen unbekannt. Der römisch-deutsche König und spätere Kaiser herrschte hauptsächlich durch Umritte innerhalb des eigenen Reiches, bei denen er immer wieder ein großes Netz aus Burgen und Pfalzen besuchte, wo er urteilte und Urkunden unterschrieb. Hinzu kamen Kriegszüge. Das Erscheinen dieser weltlichen Universalgewalt war sicherlich jedes Mal aufsehenerregend.
Hilfe gegen Feinde ersucht
Deshalb ereignete sich im Jahr 1020 in Bamberg das seinerzeit wohl größte denkbare Fest der Welt, als Kaiser und Papst an diesem einen Ort zusammenkamen. Papst Benedikt VIII. war aus Rom zu Kaiser Heinrich II. über die Alpen in den Norden aufgebrochen. Er wollte ihn um militärische Unterstützung für seine kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Byzantinern und anderen Feinden in Italien bitten.
Heinrich, zuerst noch König des römisch-deutschen Reiches, ließ sich 1007 in einem wertvollen, handgeschriebenen und illustrierten Buch, dem sogenannten Regensburger Sakramentar, als der letztlich eigenhändig von Christus gekrönte Herrscher abbilden, der sich auch für das geistliche Zentrum der Christenheit in Italien verantwortlich sah.
In der Stadt Rom, bei einer Kaiserkrönung etwa, ereigneten sich derartige Zusammentreffen von Kaiser und Papst logischerweise öfter. Erst 1014 war Heinrich, vormals Sohn des Herzogs von Bayern und dann römisch-deutscher König, dort vom Papst zum Kaiser gekrönt worden und soll bei dieser Gelegenheit ein Marienbild erhalten haben. Dass der Papst jedoch in den Norden aufbrach, war ein Jahrhundertereignis. Der letzte Papstbesuch nördlich der Alpen lag damals bereits rund 200 Jahre zurück.
Gast, nicht Bittsteller
Manche der päpstlichen Reisestationen gen Bamberg wurden später mit Legenden verbunden. In Kundl am Inn zum Beispiel sagt man bis heute, dass der Papst damals die Kirche Sankt Leonhard auf der Wiese in Anwesenheit des Kaisers geweiht habe.
Bedeutsam erscheint die Tatsache, dass der Papst einer Einladung des Kaisers nach Bamberg gefolgt war. Er sollte nicht als Bittsteller erscheinen, der sich aufdrängt. Bei ihrer Begegnung bekräftigten sie dann ihre gegenseitige Wertschätzung und wechselseitige Unterstützung, damit vor allem dem feindlich gesinnten byzantinischen Kaiser Basileios II. klar wurde, dass sie im Krieg gegen ihn zusammenstehen würden. Im Zuge dessen tauschten sie offizielle Bestätigungsurkunden für das Bistum Bamberg sowie den römischen Kirchenbesitz aus.
Den Ablauf der ganzen Feierlichkeiten in Bamberg kennt man vom Augenzeugenbericht eines Bebo, der wahrscheinlich ein Diakon aus dem Umfeld des Mainzer Erzbischofs war. Das Autograf seiner Beobachtungen ist in der Staatsbibliothek Bamberg erhalten und in digitaler Fassung über das Internet, unter dem Stichwort Kaiser-Heinrich-Bibliothek, abrufbar. Dort findet man den Bericht in einem Widmungsbrief innerhalb eines Hieronymus-Kommentars zum Buch Jesaja.
Bebo schreibt von einer „göttlichen, derart von Gottesfurcht erfüllten Feier“ in den Tagen um das Osterfest. Das Andenken daran sollte auf ewig nicht verlöschen, und gewiss werde keiner der Anwesenden die Festlichkeit jemals vergessen können. Man könnte sogar meinen, das Fest sei von Gott selbst angeordnet und geschenkt worden, so seine Mutmaßung.
Detailliert hat er jede Handlung des „Stellvertreters des heiligen Petrus“ in Bamberg gewürdigt. Demnach kam dieser zu Pferd an und wurde von vier Chören empfangen, die an verschiedenen Stellen jubilierten: an einem Flussufer, auf der Brücke, vor dem Eingang zur Burg und in einer Vorhalle der Domkirche. Dann verrichtete der Papst an drei Altären seine Gebete, womit er den Rang der darin geborgenen Reliquien hervorhob. Über die Wirkung der darauffolgenden Wechselgesänge schrieb Bebo: „Fürwahr, nur ein Herz aus Stein hätte sich damals nicht durch wahre Zerknirschung erweichen lassen.“
Nach dem an den Kaiser gespendeten Liebeskuss sprach der Papst einige Büßer von ihren Sünden los und erteilte vielen anderen den Ablass. Bei der feierlichen Weihe von Chrisam und Öl assistierten ihm zwölf Bischöfe. In der Ostermesse hielt der Patriarch von Aquileia die erste, der Erzbischof von Ravenna die zweite und der Papst selbst die dritte Lesung. Danach fand eine Prozession statt, die mit einem Festmahl endete. Auch eine Thomaskapelle wurde vom Papst geweiht, die entsprechende Inschrift ist erhalten.
Am Sonntag nach Ostern konsekrierte er die heute evangelische Kirche Sankt Stephan in Gegenwart von Kaiser Heinrich, dessen Gemahlin Kunigunde, deren Bruder Dietrich II. von Metz sowie mindestens zwölf weiteren Bischöfen aus ganz Mitteleuropa. Als eigentliche Stifterin galt seit ihrer Heiligsprechung die Kaiserin Kunigunde.
Als unerhörte Kostbarkeit erkannte man erst relativ spät ein Buch, das jahrhundertelang in einem Sakristeischrank in Sankt Stephan aufbewahrt wurde: die Bamberger Apokalypse. Sie zählt zu den bedeutendsten Werken der Kunstgeschichte. Am 4. Juni 1805 kam sie, noch heute in Purpur, Rot und Gold leuchtend, in die Staatsbibliothek Bamberg, 2003 wurde sie ins Weltdokumentenerbe der Unesco aufgenommen.
Neue Orgel zum Abschluss
Der Weihetag war der 24. April – Bamberg und die Kirchengemeinde St. Stephan wollten das Jubiläum das ganze Jahr über feiern. Viele Veranstaltungen wurden allerdings coronabedingt abgesagt. Nun überlegt man, das Weihefest am 24. April 2021 noch einmal groß zu feiern – dann mit Weihe der neuen Orgel. (Andreas Reuss)
Information: Aktuelles zum Jubiläumsjahr unter: www.stephanskirche.de/1000-jahre-1000-begegnungen
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