Kultur

Enrique Fiß in „Die bleichen Füchse“ am Theater in der Garage in Erlangen. (Foto: Jochen Quast)

27.09.2017

Statuslos am Rand einer brüchigen Gesellschaft

„Die bleichen Füchse“ am Theater in Erlangen

Jean Deichel, der arbeitslose Pariser Protagonist in Yannick Haenels Roman Die bleichen Füchse findet sich unerwartet inmitten von Aussteigern und perspektivlosen afrikanischen Immigranten wieder. Die mit dem Regienachwuchspreis ausgezeichnete Bühnenfassung von Leonie Kubigsteltig, bei der sie auch Regie führte, hatte am Samstag in Erlangen im Theater in der Garage Premiere. Ein Schwimmbecken, von dessen Rand aus die Bühne (Ausstattung: Katrin Bombe) wie eine Skater-Rampe steil nach hinten ansteigt, gibt den Rahmen vor. Dazwischen, auf nicht festgelegten Ebenen agieren die Schauspieler: Enrique Fiß als Jean Deichel; Violetta Zupancic, Janina Zschernig sowie Hasan H. Tasgin, jeweils in mehreren Rollen.
Nach dem Verlust von Arbeit und Wohnung lebt Deichel im Auto (angedeutet mit einem herab hängenden Duftbäumchen) eines Freunds. Ein tristes Dasein, begleitet von Alkohol, Passivität und gelegentlichen sexuellen Kontakten.

Große Empathie

Der Tod eines Obdachlosen im Müllcontainer lässt ihn aufschrecken, schärft seine Wahrnehmung. In den Straßen der Seine-Metropole stößt er auf Schriftzüge wie „Die Gesellschaft existiert nicht“ oder auch „Identität ist Fluch“, in Verbindung mit einem Tiersymbol, das auf einen Gott der Dogon aus Mali anspielt. Er findet so zu den „bleichen Füchsen“, einer Gruppierung meist afrikanischer Flüchtlinge. Deichel taucht in diese fremde Welt ein, wird ein Teil von ihr. Diese Menschen, die ihre Gesichter hinter Masken verbergen, um einer Kontrolle, zum Beispiel durch Kameras, zu entgehen, vegetieren am Rande der Gesellschaft, ohne Rechte und ohne nachweisliche Identität. Das Darsteller-Quartett näherte sich denen „da unten“ und ihrer Utopie einer Welt, in der sie frei leben dürfen, mit großer Empathie.
Migration, Unterdrückung, Ausgrenzung und eine daraus resultierende Bereitschaft zur Rebellion, sind keine neuen Phänomene: Nicht in Paris, nicht bei Karl Marx, auch nicht in der Hugenottenstadt Erlangen. Wie das Buch von 2013, dessen Flüchtlings-Thema erschreckend aktuell ist, sprengt auch diese Theateradaption eingefahrene Denk-Schemata, lenkt den Blick auf die Empfindungsebene der „Statuslosen“. Regisseurin Kubigsteltig strafft die Vorlage auf pralle 90 Theater-Minuten, überzieht diese mit Live-Video-Bildern des Bühnengeschehens sowie rhythmisch pulsierenden Soundinstallationen – mit einer Intensität, der sich die Zuschauer stellen müssen. Integration, aus der Sicht der Vergessenen: nachdenklich, anrührend und verstörend gleichermaßen. (Elke Walter)

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