Kultur

Julian Prégadien. (Foto: Marco Borggreve)

18.06.2018

Sternstunde schöner Stimmen

Daniel Behle, Julian Prégardien und Patricia Petibon begeistern beim Würzburger Mozartfest

Besonderes Glück bescheren einem Festival hoch gerühmte Sängerinnen und Sänger. Das Würzburger Mozartfest konnte mit zwei herausragenden Tenören und einer wunderbaren Sopranistin den Zuhörern besondere Genüsse bescheren, bei einer festlichen Gala mit kulinarischen Köstlichkeiten und den schönsten Arien Mozarts, bei einer Liedmatinee unter dem Motto der Brüderlichkeit und bei einem herrlichen Abend mit Dramatik und Glanz.

Daniel Behle setzte mit seinem umjubelten Konzert, begleitet vom L’Orfeo Barockorchester unter der Leitung von Michi Gaigg, das mit den Ouvertüren zum „Don Giovanni“ und „Così fan tutte“ seinen eher markigen, dunkel betonten Klang unterstrich, gleich hohe Maßstäbe. Der Tenor aus Hamburg präsentierte glänzend die bekanntesten „Ohrwürmer“ aus Mozarts Opern, ließ sich aber nicht dazu verleiten, mit übertriebenem Gefühl oder Höhenrausch vordergründige Effekte zu erhaschen.

Seine Interpretationen von „Dalla sua pace“ und „Il mio tesoro“ des treu liebenden Don Ottavio waren Juwelen feinst differenzierter Darbietung. Die kernige, sicher positionierte Stimme mit einem gewissen „goldenem“ Timbre betonte mit großer Ausdrucksbreite dabei eher den Schmerz, die innere Verzweiflung als allzu freudvolle Empfindungen.

Auch die Arien des Belmonte aus der „Entführung“ zeigten das Hin- und Hergerissensein zwischen freudiger Erregung und dem doch nicht so ganz gefestigten Vertrauen in die Liebe und eine glückliche Zukunft.

Ganz in der Anbetung des Ideals, der Sehnsucht nach der Geliebten zu schwelgen gelang Behle mit einer von zartesten Facetten, delikaten Abstufungen und ausdrucksstarker Emotion geprägten „Bildnis“-Arie des Tamino aus der „Zauberflöte“; auch das sanft schwebende „Un aura amorosa“ des Ferrando aus der „Così“ war ein Genuss.

Danach formulierte der Sänger eher inneres Aufbegehren, so mit dem oft gestrichenen „Ah Io veggio“ des Ferrando , und mit der Arie des Kaisers Titus, der die Liebe des Volkes zu seinem Herrscher in „Se all’ impero“ beschwört, steuerte er auf den dramatischen Höhepunkt zu mit „Fuor del mar“ des unglücklichen Idomeneo; glänzende, energiegeladene Stimmführung, nachdrückliche Steigerungen, locker dahinfließende Verzierungen, aber auch wunderbar gestaltete Linien steigerten sich am Ende zu einer mitreißenden Demonstration stimmlicher Ausdruckskultur.

Melancholisches von Julian Prégardien

Aber auch im Lied besitzt ein Sänger eine riesige Bandbreite, Gefühle zu vermitteln, aus innerer Erschütterung heraus kleine, in sich abgeschlossene Szenen zu gestalten. Dies gelang Julian Prégardien bei seiner begeisternden Matinee unter dem Vorzeichen „Melancholie und Tugend“, und er  stellte Mozarts Seelenzustände als Kennzeichen seiner aufgeklärten und gleichzeitig empfindsamen Zeit dar.

Der Tenor aus Bayern, kraftvoll, klar, reich bemittelt, versetzte sich äußerst geschickt mittels ausgewählter Lieder und Texte, die der Sänger zwischendurch auch vorlas, in diese Zeit, unterstützt vom fein silbrigen, eher sanften Klang des Fortepianos, einem Nachbau des historischen Instruments, das die Stimme dezent geleitete, und nur im Rondo a-Moll Mozarts konnte der Pianist Kristian Bezuidenhout mit unmerklichen Trübungen und Variationen der schmerzlichen Figuren, die von verspielt, scheinbar vergnügt bis mutlos reichten, die Spannung zwischen den Stimmungen andeuten.

Die Matinee begann mit „An die Einsamkeit“, führte über Liebeskummer in „Das Traumbild“, das Lied der Trennung, die Empörung einer verlassenen Frau in KV 520, mit der damals modischen Melancholie zu Liedern und Arien, die geprägt waren von der Freimaurerei und der humanistischen Gesinnung und Menschlichkeit. Prégardien gestaltete den Großmut des Herrschers in „Del piu sublime soglio“ aus „La clemenza di Tito“ eindrucksvoll und gelangte über den Preis des Frühlings zum Lob einer pazifistischen, brüderlichen Gesinnung in der Kantate KV 619, stets bestens verständlich textnah artikulierend, mit Wohlklang, männlichem Glanz, großer Dynamik und feinen, aber auch drastischen Steigerungen. Da passten nach den vielen Bravos als Zugaben das Sturm- und Drang-Aufbegehren in Schuberts Vertonung des Goetheschen „Prometheus“ und, mehrdeutig interpretiert, als Preis der Schönheit des Vergehens Mozarts „Abendempfindung“.

Sternstunde mit Patricia Petibon

Eine Sternstunde war auch der Abend mit der französischen Sopranistin Patricia Petibon und dem La Cetra Barockorchester Basel unter dem inspirierenden Andrea Marcon. Hier wurde die neue Richtung der Aufklärung gesanglich ausgeleuchtet anhand Arien von Mozart und seinem Vorläufer in der Oper, dem Reformer Christoph Willibald Gluck.  Dazwischen gelegt war die Sinfonie c-moll des Mozart-Zeitgenossen Joseph Martin Kraus, irgendwie noch altertümlich, schicksalsträchtig anmutend, vor allem durch den eher markig dunklen, energiegeladenen Klang der historisch informierten Spielweise des äußerst spannungsvoll auf „alten“ Instrumenten aufspielenden Orchesters. Gut gelaunt, mitreißend schmissig, mit ironischem Unterton gelang ihm zum Auftakt die „Figaro“-Ouvertüre Mozarts.

Dann aber zog die rothaarige Sängerin mit ihrer hellen, mädchenhaft klaren, stets runden Stimme, die ihre strahlenden Höhen glanzvoll weiten konnte, mit der melancholisch gefärbten Kavatine der Barbarina alle gleich in den Bann. Die Konzertarie „Alma Grande“ KV 578 entfaltete weitere Ausdrucksfacetten, bewegte Linien, ohne bei Steigerungen jemals übertrieben zu forcieren; ähnlich schön die Arie der Aspasia aus „Mithridate“.

Mit Glucks Armida-Arie „Ah si la liberté“ wurde ein weiteres ausdrucksstarkes Beispiel der Epoche empfindsamer Seelenregungen aufgeschlagen, trotz der inneren Herzenszerrissenheit der Heldin einfach ein Hochgenuss.

Die Figur der Iphigénie durfte dann nicht fehlen. Nach einem lebendig bewegten dramatischen Rezitativ beschwor die Sängerin, auch in Tiefe und Mitte stets großartig kraftvoll, die Gestalt einer Heroine, die nach innerem Kampf ihre unmenschliche Pflicht überwindet.

Auch die Gestalt der Giunia aus Mozarts „Lucio Silla“ mit ihren düsteren Gedanken an den Tod, erfüllt von spannungsvoller Dramatik, und Glucks Alceste in der Anrufung des göttlichen Styx steigerten mit heftiger innerer Erregung die Todessehnsucht, die neue Kräfte weckt. Aber es gelang der Sängerin nach einer wunderbaren Idomeneo-Ouvertüre des Orchesters diesen beklemmenden Eindruck noch bravourös zu steigern mit Szene und Arie der Elektra  in „Oh Smania!“, mit starken Bindungen, fantastisch klingenden Höhen, alles von innerer Verzweiflung getrieben. Nach dem begeisterten Beifall musste noch eine Zugabe her; was passte da besser als Händels innerlich berührendes „Lascia ch’io piangia“! (Renate Freyeisen)

Abbildungen (von oben):

Daniel Behle. (Foto: Marco Borggreve)

Julian Prégardien. (Foto: Marco Borggreve)

Patricia Petibon. (Foto: Bernard Martinez)

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