Kultur

Wilhelmine von Bayreuth (Anja Silja) und der Intrigant (Tianji Lin). (Foto: Jean-Marc Turmes)

20.04.2018

Traumatisierte Königskinder

Wiedereröffnung des Markgräflichen Opernhauses Bayreuth: Die Bayerische Theaterakademie August Everding interpretiert die Barockoper „Artaserse“ neu

Zur Wiedereröffnung des Markgräflichen Opernhauses Bayreuth nach sechs Jahren der Restaurierung gab es zwar die Barockoper Artaserse von Johann Adolph Hasse und damit das Stück, das man auch zur Hochzeit der markgräflichen Tochter Elisabeth Friederike Sophie mit einem württembergischen Prinzen und zur Eröffnung des Opernhauses im Jahr 1748 gespielt hatte. Aber es gab in der Inszenierung von Balázs Kovalik mit der Münchner August-Everding-Akademie mindestens drei, wenn nicht noch mehr Zeit- und Handlungsebenen für diese Mord- und Totschlags-Geschichte, für diese Opera seria, die 465 v. Chr. im alten Perserreich spielt und zu den erfolgreichsten Opern dieses Operntycoons, ja des ganzen 18. Jahrhunderts überhaupt gehörte. Immer wieder wurde diese Oper verändert und umgearbeitet: für Neapel, London, Dresden und eben Bayreuth – warum also nicht noch einmal?
Das wichtigste Wort in den drei Stunden ist „barbaro genitore“. Der grausame Vater, das ist bei Hasse und seinem Textdichter Metastasio der machtgeile Usurpator Artabano, in der Fassung von 2018 aber der „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I.: Vater des Geschwisterpaars Friedrich und Wilhelmine, des späteren Preußenkönigs und der späteren Bayreuther Markgräfin, der Auftraggeberin für dieses Opernhaus.
Deren Geschichte will die Aufführung erzählen, nennt die Personen ganz einfach „Bruder“, „Schwester“, und hat als besonderen Besetzungsgag eine Wilhelmine im roten Kleid auf der Bühne. Die war einst die Königin von Wagner-Bayreuth: Anja Silja als Senta, Eva, Elsa vor einem halben Jahrhundert. Jetzt gibt sie also die Wilhelmine, die aus Memoiren und Briefen liest.
Aber es gibt die Wilhelmine auch als historische Person, als Tochter und Gattin, die Hasses von der Perserhandlung entkoppelte Musik singt. Bis man sich in diesen Zeit- und Handlungsebenen bis zum Heute in Hoody und Anzug zurechtfindet, ist der erste Teil schon ziemlich vorbei. Aber man tröstet sich mit der wunderbaren Musik Hasses, in der sich die ganze Musikkultur um die Mitte des 18. Jahrhunderts spiegelt und die die Münchner „Hofkapelle“ , historisch bestens informiert, trainiert und von Michael Hofstetter dirigiert, spannungsgeladen spielt.
Die jungen Sänger und Sängerinnen der Everding-Akademie brauchen einige Zeit, bis sie sich in der Aufführung zurechtfinden, singen aber immer schöner und barock-perfekter: allen voran in ihren Vielfach-Rollen und mit immer passendem Ausdruck Pauline Rinvet, Kathrin Zukowski und Natalya Boeva.

Donner in Pappkulissen

Die Geschichte um die Perser wird mit großen Gesten nur auf der Bühne eines Minitheaters gespielt, das Bühnenbildner Csaba Antal auf die neuen Bretter des Opernhauses stellt: ein Holzgerüst mit bunten Kulissen und von vorne die genaue Kopie des Theaters, in dem man gerade sitzt. Drumherum ist viel Platz für Beispiele barocker Bühnenmaschinerie, für Donnermaschinen, Wellenwinden, Pappkulissen – wie anno 1748.
Warum die beiden Königskinder Friedrich und Wilhelmine so geworden sind in ihrem Leben, daran ist eindeutig dieser grausame Vater schuld, auch die von Ehrgeiz zerfressene (gleichwohl wunderschön singende) Mutter Sophie Dorothea von Hannover: Traum und Wirklichkeit sind ineinander verwoben, am Ende baumelt der Galgenstrick in den Kulissen.
Ganz leise und ganz im Gegensatz zu Hasses Original geht dieses Kapitel der Geschichte von Wilhelmine, ihrem Bruder und die des Theaters jener Zeit zu Ende. In dem wird jede Aufführung, jedes Konzert in Zukunft ein kostbares Erlebnis sein. (Uwe Mitsching) Abbildung:
Die Bühne des Markgräflichen Opernhauses im Kleinformat auf der großen Originalbühne. Pauline Rinvet (links) und Kathrin Zukowski singen das Geschwisterpaar, Anja Silja verkörpert die Markgräfin.    (Foto: Jean-Marc Turmes)

Lesen Sie einen ausführlichen, reich bebilderten Artikel über das Markgräfliche Opernhaus in der Ausgabe März/April von Unser Bayern, die der Bayerischen Staatszeitung Nr. 9 vom 2. März 2018 beilag.

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