Kultur

In der Würzburger Inszenierung ist die Rolle der Semele gedoppelt: Mechtild Söffler spielt und singt das Wunschbild, das sich die reale Semele von sich macht. (Foto: Andreas Herold)

21.06.2024

Trügerische Selfiesucht

Die Hochschule für Musik Würzburg interpretiert Händels Oratorium „Semele“ mit Witz und Zeitkritik

Ohne mythologische Bezüge: So, wie die Würzburger Hochschule für Musik Georg Friedrich Händels dramatisches Oratorium Semele (1744) neu gedacht hat, funktionierte das bestens bei der Aufführung im Theater in der Bibrastraße. Regisseurin Katharina Thoma und ihr Team kitzelten überraschend Witziges und Zeitkritisches aus dem alten Stoff heraus.
Das Mädchen Semele, verführt durch ständige Selbstbespiegelungen in Selfies, unzufrieden mit ihrem Aussehen und ihrem Status, möchte so werden wie ihre Vorbilder in den sozialen Netzwerken: perfekt, attraktiv, begehrt und geliked von vielen Follower*innen. Sie träumt vom Supermann und der Liebe zu ihm: zu Jupiter, und damit vom Aufstieg in die Götterwelt.

Dominantes Display

Auch optisch gelang eine stringente Inszenierung: Ausstatter Devin McDonough lässt die Handlung vor einem überdimensionalen Display spielen, und auf diesem werden Semels Träume, ihr Wunschbild als Frau sichtbar: sexy, schlank, mit langem Blondhaar, in hohen Stiefeln und im rosa Babydoll, genüsslich auf einer Couch sich räkelnd als Influencerin. In Wirklichkeit aber ist sie dunkelhaarig mit einer etwas kompakten Figur.

Die Regie macht aus Semele zwei unterschiedliche Gestalten. Die „reale“ Semele 1 spielte und sang Yisae Park mit schön timbriertem, bestens geführtem Sopran gesungen. Semele 2 ist die strahlende, selbstsichere, sich aufreizend gebende Mechtild Söffler, die mit klarer, kraftvoller Stimme glänzt. Hinter dem Display unterstreichen Videos die Szenen, etwa von Weihrauchschwaden, Blitzen oder einer Unmenge Emojis.

Auch Gott Jupiter (Adnan Barami), ein etwas flach, aber sicher geführter Tenor, erscheint mal auf dem Dispay: in Lederjacke, schwarzem Muskelshirt, mit Lockenmähne und Bart – ein Frauenschwarm, der auch leicht zu Apoll mutiert. Juno, Jupiters eifersüchtige Gattin, ist dank Isabel Grübl mit ihrem sicheren, in Tiefe wie Höhe dunkel getöntem Mezzosopran ein Vollblutweib auch mal im Badeanzug mit Leopardenmuster, das sich die Eskapaden des Gatten nicht gefallen lässt.

Für ihre Rache braucht sie Somnus, den Gott des Schlafes, der als Computernerd durch das dauernde Zocken chronisch übermüdet ist. Lorenz Schober, ein hell getönter Bass, gibt ihn herrlich schlampig inmitten von Pizzakartons. Er wird erst durch das künstliche Mangamädchen aus seiner Lethargie gerissen, in das sich Junos Dienerin Iris widerstrebend verwandeln muss; in der Rolle erlebt man Magdalena Michalko mit ihrem fülligen, glänzenden Sopran.

Semele verschmäht ihren Bräutigam – in den hat sich aber ihre Schwester Ino (Adèle Sterck Filion) heimlich verliebt. Als Athamas hat Yongfeng Kuang als Countertenor eine äußerst schwierige Partie zu bewältigen.

Vertrackte Counterrolle

Die vertrackte Personenkonstellation wird schon während der Ouvertüre deutlich, wenn Semele bei der köstlichen Hochzeitszeremonie Brautkranz und Geschenke von sich wirft. Die Gesellschaft (der ausgewogen singende Chor) ist entsetzt, und auch der Vater, Cadmus (Juho Stén) kann trotz seines profunden Basses nichts ausrichten. Am Ende gelangt Semele zur bitteren Erkenntnis, dass sie einer Phantasievorstellung aufgesessen ist – und man kehrt glücklich zum Alltag zurück.

Die Aufführung wird abgerundet durch das fein aufspielende Barockorchester der Hochschule unter der inspirierenden Leitung von Andreas Hotz. (Renate Freyeisen)

 

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