Kultur

Installationsansicht im Haus der Kunst. (Foto: Maximilian Geuter)

25.06.2021

Vogelwilder Erlebnisparcours

Phyllida Barlows Installationen im Münchner Haus der Kunst sind poetische Verfremdungen grober Materialien

Ob eine FFP2-Maske im Notfall hier was nützt? Für die große Phyllida-Barlow-Ausstellung im Münchner Haus der Kunst jedenfalls wäre statt einer Masken- wohl doch eine Helmpflicht wesentlich passender, wie man sie von Baustellen kennt. Denn ein wenig Baustellenflair weht durchs Museum: Gewagte Konstruktionen aus Holzlatten ragen steil in die Höhe, und ganz oben, fast unter der Decke, lagern auf diesem fragilen Gerüst meterlange, schmutzig-weiße Blöcke, die man unweigerlich für tonnenschwere Betonquader hält. Dass sie aber in Wirklichkeit nur aus Styropor sind, geht aus dem Beschriftungstäfelchen an der Wand hervor – und aus der Tatsache, dass die Besucherinnen und Besucher einfach so unter ihnen hindurchspazieren dürfen.

Schweres Gerät

Auch sonst dominiert schweres Gerät die Werke der 1944 geborenen Engländerin: Aus Röhren und Platten, Balken, Klötzen, Stangen und Schrott baut Phyllida Barlow ihre meist raumfüllend-gigantischen Skulpturen oder Installationen. Oft sind sie auch noch mit einem klumpigen, schlammgrauen Baaz beschmiert, als hätten die Kunstwerke eine Fangopackung bekommen. Ja mehr noch, stellenweise wächst der moorige Matsch zu erstarrten, verkrusteten Knubbeln und Stümpfen an: eine hervorgequollene, getrocknete Ursuppe quasi, ein grottiges Höhlen- und Tropfstein-Ambiente.

Sehr witzig wirken auch die monströsen, raumhohen Schlammsäulen, die einschüchternd vor dem Besucher aufragen, aber auf einer Seite einen offenen Spalt haben: Durch den sieht man dann ihr hohles Innenleben und erkennt, dass sie nur aus ihrer Kruste bestehen, dass sie, ganz gegen die Natur der Säule, überhaupt nichts tragen können, sondern von einer technischen Stütze im Inneren selbst gehalten werden müssen.

Fast lahm und langweilig scheinen im Vergleich dazu Barlows Installationen mit riesigen bunten Segeltuchbahnen, die aus der Entfernung recht dekorativ anmuten, aber über diesen Effekt kaum hinauskommen.

Vorbild Beuys

Insgesamt allerdings übt dieser vogelwilde Erlebnisparcours zwischen Grottenbahn und Abenteuerspielplatz eine beträchtliche Faszination aus. Das ist alles zwar vielleicht nicht ganz so subtil wie beim Vorbild Beuys, das gelegentlich vage durch Phyllida Barlows Werk schimmert. Aber auch ihr gelingt es, in der poetischen Verfremdung groben Materials die gestische, ausdruckshafte Qualität des Materiellen freizusetzen – und frei zu setzen. Der tellurische Appeal nicht nur von Schlammkrusten, sondern auch von Sandsäcken und Betonpollern stößt uns quasi mit der Nase auf die Grenzen des Begrifflichen. Eine Kollision, vor der auch kein Helm schützen kann. (Alexander Altmann)

Information: Bis 25. Juli. Haus der Kunst, Prinzregentenstraße 1, 80538 München. Aktuelle Öffnungszeiten unter www.hausderkunst.de

 

 

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