Kultur

Eine große Liebesgeschichte: Der Große Gatsby. (Foto: ETA Hoffmann Theater Bamberg)

07.07.2025

Weltliteratur unter den Sternen

Calderón-Festspiele: „Großer Gatsby“ am Bamberger E.T.A. Hoffmann-Theater

„Aus meines Nachbars Haus hörte man an Sommerabenden Musik bis in die tiefe Nacht. Im blauen Dämmer der Gärten war von Männern und Mädchen ein Kommen und Gehen, wie Mottengeschwirr, und Flüstern und Sekt unter Sternen.“ Distanziert beobachtet Nick, der Ich-Erzähler und New Yorker Wertpapierhändler, das Treiben, bis er selbst in das Haus eingeladen wird. Die Erzählung plätschert jedoch nicht in diesem unverbindlichen Plauderton weiter, sondern entwickelt sich zu einer der bedeutendsten Liebesgeschichten des 20. Jahrhunderts, die auch mehrfach verfilmt wurde. Erst kürzlich erschien eine neue Übersetzung ins Deutsche des vor genau 100 Jahren erschienenen Romans. 

Unterm Bamberger Sternenzelt sind die Gebäude der Alten Hofhaltung mit den Domtürmen dahinter – wo derzeit eine Bühnenfassung des Werkes aufgeführt wird – eine sehr imposante und wahrlich adäquate Kulisse für diese Weltliteratur. Die Zuschauer auf der Tribüne spielen gleichsam mit, als gehörten sie zu den Gästen des großen Jay Gatsby aus dem nahe gelegenen New York, indem sie vor Beginn sowie in der Pause herumflanieren, wobei die Fliegen schwirren und die Aperol-Gläser klirren. 

Wie im Roman beziehungsweise Theaterstück flüstert man über andere Leute, deren Beziehungen und Stellung in der Gesellschaft. Von Anfang an wird auf der Bühne über den rätselhaften Gastgeber Gatsby, die Titelfigur, getuschelt. „Getuschelt“ ist hier allerdings nicht ganz der richtige Ausdruck, denn manche Darstellerinnen und Darsteller deklamieren laut in Richtung Publikum, was eigentlich nicht nötig wäre, tragen sie doch ein Funkmikro und werden durch eine Lautsprecheranlage verstärkt. Freilich müssen sie die ständige Hintergrundmusik übertönen, die mit unterschwelligen Rhythmen womöglich die Handlung vorantreiben und das Gedudel des Orchesters wiedergeben soll. Man braucht das wohl für eine Dauerparty. Interessant ist die Tatsache, dass das phasenweise bedrohlich wirkt, genauso wie die großen runden Masken mancher Gäste mit ihrem aufgemalten Dauergrinsen. 

In großen Teilen fast schreiend erzählt

Die Story wird in großen Teilen fast schreiend erzählt von Nick, authentisch verkörpert von Pit Prager, und bald ergibt sich ein erster Höhepunkt. Nick sagt nämlich auf der Party zu einem „neuen Bekannten“: „Dieser Gatsby schickte mir seinen Chauffeur mit einer Einladung.“ Worauf der neue Bekannte versetzt: „Ich bin Gatsby.“ Diese Konfrontation hatRegisseur Janis Knorr stark hervorgehoben und als eine Art Segnung ausführen lassen – wohl zur Freude des anwesenden Bamberger Erzbischofs. 

Die reine Freude herrscht jedoch nicht lange vor. Nick findet heraus, dass Gatsby sich seinem Nachbarn aus einem ganz bestimmten Grund angenähert hat: Er möchte unbedingt Kontakt aufnehmen zu Daisy, seiner großen Liebe, die er seit Jahren nicht mehr gesehen hat, obwohl sie in Sichtweite seines imposanten Anwesens wohnt. Anscheinend hat er nur aus diesem Grund an jener Stelle gebaut und lebt überhaupt nur noch für das Ziel der Wiedervereinigung mit ihr. Daisy ist allerdings mit Tom verheiratet. 

Da Nick nun den Kontakt zu Daisy herstellt, beginnt ein Konflikt wie in einer klassischen Tragödie, wobei alle Charaktere an Profil gewinnen. Die Schauspieler meistern das gut. Atemlos folgen die Zuschauer den heftigen Wortgefechten, Gatsby ist nicht mehr gentlemanlike, Daisy nicht mehr nonchalant, Tom outet sich unprätentiös als homoerotisch und Nick verliert seine Freundin. Dann geschieht noch eine Katastrophe und die Zeit des Abschieds beginnt, um den Romantitel von Sebastian Haffner zu zitieren. Ein Motto für die Gegenwart? (Andreas Reuss)
 

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